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Uralt und unverändert aktuell – Ziegel verleihen der Sehnsucht nach Beständigkeit Ausdruck. Aber auch angesichts der Diskussionen über Nachhaltigkeit haben sie Konjunktur. Ziegel sind wartungsarm, man kann sie wiederverwenden, sie haben ein handliches Maß und bieten eine Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten, gleich für welche Aufgabe. Wir stellen fünf aktuelle Beispiele vor: in Altenberg, Bochum, Berlin, Kusterdingen und Frankfurt
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Blick auf den neu eingefügten Trakt mit Kapelle und offenem Erdgeschoss. Bild: © Simon Wegener

Haus Altenberg

Es ist wohl immer für einen Architekten eine besondere Aufgabe, an einer Klosteranlage weiterbauen zu dürfen. Der Altenberger Dom im Bergischen Land geht zurück auf eine in der Gotik errichtete Klosterkirche des Zisterzienserordens mit wechselvoller Geschichte: aus dem 13. Jahrhundert an der Stelle eines romanischen Vorgängerbaus errichtet, wurde nach der Säkularisation dort eine Chemiefabrik eingerichtet. Nach einer Explosion, Feuer und den daraus resultierenden Folgeschäden war sie zum großen Teil eingestürzt; von 1835 bis 47 wurde sie wieder aufgebaut. Das an die ursprüngliche Klosteranlage angelehnte, an die Kirche angebaute Ensemble wurde erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts errichtet, vor allem Hans Schwippert hatte daran großen Anteil. Im Zuge einer Sanierung und gründlichen Neustrukturierung der Anlage für das Haus Altenberg, einer Jugendbildungsstätte des Erzbistums Köln, ist die Anlage nun von späteren Zubauten befreit und im Sinne einer klaren und übersichtlichen Struktur neu organisiert worden. Die Architekten, das Kölner Büro gernot schulz:architektur, hatten sich hierfür in einem intensiven Auswahlverfahren qualifiziert und sich gründlich mit der Geschichte des Ortes auseinandergesetzt. Aus dem Bestand wurde eine vierteilige Struktur entwickelt, mit einem Eingangs- und zwei Innenhöfen sowie einem überdachten Hof für Bewirtungsbereiche, Seminarräume und die Hausverwaltung. Eine Kapelle im Obergeschoss des im Innern neu angelegten Verbindungsbaus wird in ihrer Lage ebenfalls aus der Geschichte abgeleitet, findet aber mit einem asymmetrischen, zweigeteilten Raum eine eigene Neuinterpretation der Aufgabe.
 Mit der Wahl eines Ziegels in einem an den Bestand angelegten ocker-braunen Ton verschiedener Schattierungen, wird der Haltung, mit der die Architekten die Aufgabe gemeistert haben, aufs Beste entsprochen. Er fügt sich in einen Gestaltungskanon, „aus Bezügen zu historischen Raum- anmutungen, zur regionalen Baukultur und zu örtlichen Bau- und Handwerkstraditionen“, wie es die Architekten nennen.


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Strukturelle und architektonische Neuformulierung des „Haus Altenberg“
Altenberger-Dom-Strasse 31, 51519 Odenthal
Bauherr: Erzbistum Köln / Generalvikariat
Architektur: gernot schulz : architektur GmbH, Köln
BGF: 12.140 qm
Projektkosten: ca. 39 Mio. €
Ausschreibung und Bauleitung: H+P Bauingenieure, Köln
Tragwerksplanung + Brandschutz: Kempen Krause Beratende Ingenieure, Köln
TGA: ZWP Ingenieur-AG, Köln
Bauphysik: Schwinn Ingenieure, Bonn

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© Brigida Gonzalez

Anneliese Brost Musikforum Ruhr in Bochum

Bochums neugotische Marienkirche markiert den Beginn der Innenstadterweiterung in Richtung Westen. Sie wurde 2000 profaniert und sollte abgerissen werden; dem Einsatz von Bürgern, Kunsthistorikern und des Dirigenten der Bochumer Symphoniker, Steven Sloane, ist es zu verdanken, dass sie schließlich als Teil des Anneliese Brost Musikforum Ruhr erhalten bleiben konnte.
Zu den Seiten der Kirche schließt sich in der Breite des Hauptschiffes nach Süden der etwas mehr als 900 Zuhörer fassende Konzertsaal der Bochumer Symphoniker an, der ihnen bisher gefehlt hatte. Im Norden wurde ein flexibler Multifunktionssaal angefügt. Dank eingeschossiger Übergangsbereiche zwischen der Kirche und den Sälen tritt der Altbau gemäß seiner ursprünglichen Funktion eigenständig in Erscheinung.
Die Fassaden der neuen Bauten sind aus hell geschlämmten, eigens produzierten terrakottaroten Ziegeln. Sie zeigen das Neue an, ohne sich vollständig vom Alten zu distanzieren: Auch die Marienkirche ist aus Backstein. Die neuen Türen und Fensterrahmen aus patiniertem Kupfer, präzise in die überwiegend geschlossenen Fassaden gesetzt, fügen sich ausgezeichnet in diesen Dialog aus Alt und Neu.
Das Innere der Marienkirche bildet nun das Foyer des neuen Musikzentrums, das über den freistehenden Chor betreten werden kann. Der Kircheninnenraum ist in einem strahlenden Weiß neu inszeniert worden. Der Blick auf die Ziegelfassaden des Altbaus ist im Innern sowohl an dessen Westseite als auch in den Vorbereichen der Konzertsäle möglich, dort sind an den Wänden auch die neuen Ziegel wiederzufinden; die Korrespondenz zwischen Bestand und Erweiterung wird so ein weiteres Mal variiert.


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Bauherr: Stadt Bochum Zentrale Dienste, Bochum
Architekten: Bez+Kock Architekten Generalplaner Gesellschaft mbH, Stuttgart
Bauleitung Sanierung Kirche: Architekturbüro Bernhard Mensen, Münster
Bauleitung Musikforum:  Stein Architekten, Köln
Tragwerksplanung:  Mathes Beratende Ingenieure GmbH, Leipzig
TGA:  Ingenieurbüro für technische Gebäudeausrüstung Henne & Walter, Reutlingen
Elektroplanung:  GBI Gackstatter Beratende Ingenieure GmbH, Stuttgart
Akustik / Bauphysik / Szenografie:  Müller-BBM GmbH, Planegg mit Kahle Acoustics, Brüssel; The Space Factory, Lyon; itv, Berlin

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© Laurian Ghinitoiu, Berlin

Wohnhaus am Prenzlauer Berg

Im Inneren eines Wohnblocks im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg lässt seit 2016 ein außergewöhnliches Haus einen außergewöhnlichen Gestaltungswillen der Architekten vermuten. Doch die Wahrheit ist eine andere – das Haus mit zwei Maisonettewohnungen ist ein Ergebnis der geltenden Abstandsregeln. Die Architekten haben die Grenzen dessen, was die Vorschriften erlauben, genutzt, um die Form zu generieren. Über der Traufhöhe von 7,50 Metern steigt das Haus mit zwei Maisonettewohnunen über drei Geschosse mit einer Dachneigung von 70 Grad an und endet in etwa 18 Meter Höhe unterhalb der Traufe des Nachbarhauses, so dass dessen Brandwand präsent bleibt. Eine schmale, sich nach oben verbreiternde Schattenfuge setzt das Neue vom Bestand ab.
Die Ziegelbekleidung wurde über die gesamte Fläche gezogen. Sie wechselt ohne Überstände oder Rücksprünge die Richtung, verläuft über die Dachkante und bedeckt noch den Boden der Dachterrasse. Die Aluminiumfenster, unregelmäßig über die Fläche verteilt, sind flächenbündig in die Fassade gesetzt und verstärken damit den Eindruck des klar geschnittenen, geschlossenen Baukörpers.
Für die Fassade haben die Architekten die Farben der umliegenden Häuser aufgenommen und daraus eine Palette von sechs Tönen erstellt, in denen die Ziegel gebrannt wurden: weiße, gelbliche, orange, braune, rosafarbene und graue Steine wechseln einander ab. Gezielt wurden Brand- und Lagerspuren erzeugt und belassen. Eine aufgebrachte Schlämme vereinheitlicht den Fassadeneindruck wieder in Maßen. Für die geneigten Flächen wurden eigens angeschrägte Steine produziert, auch die Ecksteine sind Sonderanfertigungen.


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Bauherr: privat
Architekten: Barkow Leibinger, Berlin; Frank Barkow, Regine Leibinger; Andreas Lang (Projektleitung)
Bauleitung, Ausschreibungs- und Objektüberwachung: BAL Bauplanungs und Steuerungs GmbH, Berlin
Tragwerksplanung: HHT-Bauingenieure Ingeniurgemeinschaft für Tragwerksplanung + Baukonstruktion GbR, Berlin Klima- und Energiekonzept: Müller-BBM GmbH, Berlin
Haustechnik, Elektroplanung: HDH GmbH, Berlin
Fassadenplanung: Dipl.-Ing. (TU) Karl Hügerich GmbH, Berlin

DEU, Kusterdingen, Firstwald-Gymnasium, Klumpp+Klumpp Architekten , Fertigstellung: 2015 , DIGITAL 100 MB 8 Bit. - ©Zooey Braun; Veroeffentlichung nur gegen Honorar, Urhebervermerk und Beleg / permission required for reproduction, mention of copyright, complimentary copy, FUER WERBENUTZUNG RUECKSPRACHE ERFORDERLICH!/ PERMISSION REQUIRED FOR ADVERTISING!

Bild: ©Zooey Braun

Firstwald-Gymnasium in Kusterdingen

Als ein „sichtbares Zeichen für nachhaltiges Bauen“ verstehen die Architekten den neuen Schulbau in Kusterdingen, einer kleinen Ortschaft zwischen Reutlingen und Tübingen. Der Baustoff Ziegel prägt das Äußere und ist in diesem Sinne als ein tradtionelles wie wertbeständiges Material verwendet. Als Außenstelle des Mössinger Gymnsiums ist das Schulhaus errichtet worden, es erweitert den bestehenden Campus am Ortsrand, der als eine offene Komposition angelegt wurde, die sich sowohl zur Landschaft als auch zur angrenzenden Wohnbebauung öffnete. Mit dem markanten Volumen wird diese Konzeption nicht grundsätzlich aufgegeben, doch die Räume zwischen den Schulgebäuden präziser artikuliert.
Das Gymnasium wurde als dreigeschossiger Bau mit einem über die ganze Gebäudehöhe offenen Atrium konzipiert. Dieses Atrium ist gemeinsames Zentrum im Schulalltag, kann aber ebensogut für Aufführungen und Gemeinschaftsveranstaltungen genutzt werden. Im Erdgeschoss liegen entsprechend dieser Konzeption die Räume der Mensa, Bücherei und der Musiksaal, im 1. Obergeschoss Klassen- und Gruppenräume, darüber die Fachräume, der Lehrerbereich sowie die Verwaltung.
In das klare Volumen sind Eingänge und überdachte Bereiche eingeschnitten, die teilweise wie asymmetrische Trichter ins Innere führen beziehungsweise vom Inneren auf das Außen öffnen. Die Materialeien wurden an jeder Stelle in höchster Sorgfalt und Präzision ausgewählt, eingesetzt, detailliert und verarbeitet: Sichtbetonflächen und Holzoberflächen, ein Kautschukboden in Terrakottaton innen, Ziegel und Holzfenster außen. Die hellrot eingefärbten Fugen wie verputzte Fensterbänder sind, passend zum Stein, in einem einheitlichen Ton gehalten. Die Verblendziegel im Normalformat sind mit einer werkseitig aufgebrachten hellen Engobe versehen, was den erdigen Charakter der Fassade verstärkt. Im Erdgeschoss ist die Fassade mit horizontalem Relief versehen.


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Bauherr: Schulstiftung der Ev. Landeskirche in Württemberg, vertreten durch Daniel Wágner, Stuttgart
Architekten: KLUMPP + KLUMPP Architekten, Prof. Hans Klumpp, Julia Klumpp, Stuttgart
BGF: 3.810,00 Quadratmeter
BRI: 19.200,00 Kubikmeter
Baukosten (KG 100-700, brutto): 9.539.000,00 €

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Bild: ©Lisa Farkas

Oskar Residence in Frankfurt

Direkt am Nordufer des Mains, zwischen Innenstadt und Hafen, stand bis vor wenigen Jahren das „Sudfass“, ein Bordell, das einen mindestens stadtweiten Ruf genoss. Der Bau der EZB im Osten Frankfurts ist der signifikanteste, aber beileibe nicht einzige Ausdruck für den Wandel, der sich im Umfeld des Sudfasses vollzog. Vor wenigen Jahren entschloss sich der Besitzer zum Verkauf, 2013 wurde der Bestand aus den 1950er Jahren abgerissen, um neuem Wohnbau Platz zu schaffen. In einem konkurrierenden Gutachterverfahren hat sich das Büro Stefan Forster Architekten unter anderem wegen der gelungenen Fassadengliederung und der Qualität der Grundrisse durchgesetzt. Die Ecke markiert nun ein von rotem Klinkerstein bekleideter, zehngeschossiger Turm mit 70 Service-Appartments, Kurzzeitwohnungen für Menschen, die nur vorübergehend in der Stadt wohnen. Die sachliche, dezent ornamentierte und gegliederte Fassade nimmt Bezug auf die Industriebebauung des Frankfurter Ostends und verweist auf Wohntypen der 1920er Jahre, korrespondiert zudem mit dem Turm am anderen Ufer. Die kräftige Farbe gibt dem Neubau zusätzlich zur Höhe Präsenz, eine unmittelbare, fast rohe, materialbetonte Direktheit; dies umso mehr, als die weiteren Fassadenelemente dem roten Ziegelton angepasst sind und die Fugen rot eingefärbt wurden. Die Hauptgliederung durch die großen, liegenden Öffnungen sind in einer zweiten Ebene durch Fenster und Loggien ergänzt, so dass sich eine ebenso klare wie abwechslungsreiche Komposition ergibt.
Ein niedrigerer Zwischenbau vermittelt zum anschließenden Wohnungsbau, in dem sich 20 Eigentumswohnungen befinden und der durch einen hellen Ziegel vom roten Turm abgesetzt wurde. Mit zurückgesetztem Dachgeschoss, stehenden Fensterformate und symmetrischem Mittelrisalit mit Loggien wirkt er eigenständiger, als es die Entstehungsgeschichte vermuten lässt, entspricht aber im Habitus sicher der wohlhabenden Klientel, die nun hier wohnt.


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Bauherr: Oskar Grundbesitz GmbH & Co. KG
Architekten: Stefan Forster Architekten Frankfurt am Main; Projektleitung Axel Hess
Wohnfläche: 6.730 Quadratmeter
BGF: 8.810 Quadratmeter
BRI: 26.700 Kubikmeter