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Bild: SAAI, Karlsruhe

 

Wie kaum ein anderer Architekt hat sich Lothar Götz darum gekümmert, das Leben und Werk Egon Eiermanns zu dokumentieren und der Nachwelt zu erhalten. Als Gründungsmitglied war er von 1997 bis 2002 der erste Vorsitzende der Egon Eiermann Gesellschaft. Wir erfuhren erst spät von seinem Tod dieses engagierten und vielseitigen Architekten. Ein persönlicher Nachruf


Lothar Götz wurde am 11. Juli 1925 in Karlsruhe geboren, wo er seine Schulbildung 1943 mit einem „Kriegsabitur“ vorläufig abschließt. 1943 bis 1945 leistet er den Wehrdienst bei der Fallschirmtruppe, er floh aus russischer Kriegsgefangenschaft.
1946 legt er das Abitur für Kriegsteilnehmer in Kiel ab und beginnt das Studium der Architektur an der Technischen Hochschule Karlsruhe, das er nach dem Vordiplom bei Egon Eiermann bei Otto Ernst Schweizer fortsetzt und 1950 mit der Diplomprüfung mit Auszeichnung abschließt.
1950 bis 1953 ist er Leiter der Bauabteilung für Südwestdeutschland der BP Benzin und Petroleum AG und baut filigrane, elegante Tankstellen mit einer speziellen Konstruktion eines Schwingendachs, eine Typenkonstruktion, die schrittweise den schnell sich ändernden Anforderungen des boomenden Autoverkehrs angepasst werden kann. Seine Tankstellenbauten sind interessante Beispiele der technischen Entwicklung in seiner Werkdokumentation, die jedoch spätere Modernisierungen nicht mehr überstanden.

1953 wird er mit dem damit erworbenen praktischen Erfahrungshintergrund Assistent bei Egon Eiermann, in einer Zeit, in der wohl das Büro noch in der Hochschule arbeitete: Fotos zeigen Lothar Götz im Gespräch mit Büromitarbeitern bei einer Projektbesprechung an der Hochschule. Bis 1961 bleibt Lothar Götz als Assistent bei Eiermann.

Lehrer und vielseitiger Architekt

Ab 1955 ist er mit einem eigenen Büro in Heidelberg tätig und wird 1963 Ordentlicher Professor an der Architekturfakultät der Universität Stuttgart als Direktor des Instituts für Baustofflehre, Bauphysik, Technischer Ausbau und Entwerfen. Bevor er 1993 emeritiert, übernimmt er alle üblichen Ämter der Hochschul-Organisation, wird in ministerielle Ausschüsse und Gremien berufen.
Er betreut selbst noch als Emeritus bis 2008 eine Vielzahl von Promotionen, erarbeitet Forschungs-Berichte für Bundesministerien und die DFG. Wird Mitglied im Forschungsbeirat der Bundesregierung und bearbeitet Feldstudien und Exkursionsberichte in Ländern der Dritten Welt.
1966 wird er 1. Vorsitzender des Deutschen Werkbunds Baden-Württemberg und bliebt dies bis 1970. 1968 bis 69 war er Vorsitzender der Fördergesellschaft der Hochschule für Gestaltung Ulm, die sich später in um die denkmalgerechte Sanierung in Zusammenarbeit mit der Docomomo (der Internationalen Vereinigung für die Dokumentation sowie den Erhalt von Bauwerken und städtebaulichen Ensembles im Stil der Moderne).

1967 bis 1999 führt er zusätzlich ein Architekturbüro in Stuttgart, 1970 bis 1991 mit Dipl.-Ing Klaus Unruh 1991 bis 1999 mit Dipl.-Ing Mario Hägele als Partner. Alle Projekte sind den Partnerschaften zugeordnet.
Er übernimmt mit seinem Büro Architekturprojekte eines breit gefächerten Aufgaben spektrums, viele davon im Raum Heidelberg: Wohnhäuser öffentliche und private Verwaltungen, Klinikbauten. Ein zentrales Aufgabenfeld von ihm ist aber die Stadtsanierung, die er mit seinem Büro, für Baden-Württemberg ungewöhnlich, als Sanierungsträger und das zum Teil sehr umfassend und prägend bearbeitet. In Buchen, in Schriesheim und am Ende sehr umfassend bis hin zum Stadtmobiliar und Gestaltungsvorgaben im Stadtteil Rohrbach in Heidelberg.

Lothar Götz und die Egon Eiermann Gesellschaft

1997 ist er einer der Gründer der Egon Eiermann Gesellschaft (EEG) und deren erster Vorsitzende bis 2002. Im Austausch mit Klaus Zimmermann und Brigitte Eiermann bereitet er die Ausstellung zum 100. Geburtstag von Eiermann vor, die mit Ingeborg Flagge im DAM Frankfurt 2004 geplant ist. Eine Schlüsselrolle in den Vorbereitungen nahm Prof. Wulf Schirmer als damaliger Leiter des Instituts für Baugeschichte der Universität Karlsruhe ein. Als Schirmer krankheitsbedingt ausfällt und die Lehrstuhlvertretung von Annemarie Jaeggi aus Berlin übernommen wird, beansprucht das Land Baden-Württemberg die Verantwortung für die Ausstellung, setzt den Standort Karlsruhe durch und betraut gegen den Widerstand des Vorstands der EEG Frau Jaeggi und Prof. Naegeli aus der Architekturfakultät am KIT mit der Produktion der Ausstellung.

Die damit verbundenen Auseinandersetzungen führen fast zum Scheitern der Ausstellung und dem Auseinanderbrechen der EEG, sie hinterlassen Spuren der Verbitterung. 2002 ist der Vorsitz der EEG vakant. Jan Krieger, aus Ravensburg in Oberschwaben kommend, als Architekt in Partnerschaft mit Rainer Mielke in Berlin lebend und arbeitend, übernimmt 2003 unter der Bedingung den Vorsitz, dass die Ausstellung stattfinden müsse. Und sie fand statt. Auf die Raumvolumina in den Lichthöfen des ZKM zugeschnitten, ist sie vor Ort in Karlsruhe mit 25.000 Besuchern ein großer Erfolg; auch wenn die damals vom Vorstand der EEG organisierten Exkursionen nicht so öffentlichkeitswirksam wurden, wie erhofft.
Ich habe damals die Exkursion nach Buchen, Hettingen und Rinschheim vorbereitet und erste Kontakte zu Zeitzeugen in der Siedlung Hettingen geknüpft. Lothar Götz hat sich mir gegenüber immer sehr freundschaftlich verhalten, sich für das Engagement für Hettingen bedankt und seiner Überraschung Ausdruck verliehen, dass die EEG einen Weg in die Zukunft gefunden hatte, wo er selbst doch eher ein sanftes „Einschlafen“ erwartet hatte. 2008 würdigt die Egon Eiermann Gesellschaft anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens die herausragende Bedeutung von Lothar Götz mit der Ehrung als Ehrenmitglied.

Lothar Götz hat wie kein anderer der Schüler Egon Eiermanns dessen Weg als Hochschul-Lehrer und Ausbilder von Architekten dokumentiert. Das beginnt mit dem Symposium 19. Oktober 1994 an der Stuttgarter Universität. Mit seinem Beitrag: “Egon Eiermann – Architekt, Lehrer und Leitbild“ hat er seine Erfahrungen und Eindrücke über Egon Eiermann in der Lehre an der Hochschule der TH, später der Universität Karlsruhe, dargestellt. Das wird nochmals unterstrichen in einem Interview, das Andreas Denk mit Lothar Götz anlässlich der Ausstellung 2004 in Karlsruhe „Die Kontinuität der Moderne“ führte. („Der Mann war einfach glaubwürdig – Egon Eiermann als Lehrer“ – in: Der Architekt 7-8/2004 S. 53-55)

Vergleichbar hat er in mehreren Beiträgen, so 2007 in der EEG Mitgliederversammlung in Potsdam, den eigenständigen Weg des Architekten Egon Eiermanns in Abgrenzung zur Entwicklung des Bauhauses dargestellt. Im Rahmen des Symposiums „Egon Eiermann und das Bauhaus“ am 13. Juni 2009 im „Eiermann-Bau Apolda“ hat er in seinem Beitrag „Bauhaus 90, Egon Eiermann 105 Jahre – war da was?“ dieses Thema erneut aufgegriffen – parallel zu Sonja Hildebrand (Zürich), die die frühen Berliner Bauten Egon Eiermanns in Berlin dokumentiert und interpretiert hat. Lothar Götz hat dabei die Eigenständigkeit des Werkes von Egon Eiermann bekräftigt und betont, und vertrat die Auffassung, dass es eher einen Bezug von Eiermann zu Mies van der Rohe gebe als den zur Entwicklung des Bauhauses.

Wenn Werner Durth im „Betonprisma 2/ 2019“ dennoch den Eiermann-Bau in Apolda als Teil der „Bauhaus-Moderne“ versteht, so lässt sich das mit dem sozialen Anspruch von Egon Eiermann erklären. Seinem Bauherrn Foerstner konnte er bei der Umnutzung der alten Weberei in die Fabrikationsstätte der „Total Feuerlöschgerätewerke Apolda“ überzeugen. „Wenn Arbeiter einen großen Teil des Jahres in der Dunkelheit zur Arbeit kommen und erst in der Dunkelheit nach Hause zurückkehren, müsse die Kantine nicht im Keller, sondern auf dem Dach angeordnet und mit entsprechenden Erholungs- und Sozialeinrichtungen (wie Umkleiden) versehen werden“. Damit wird ein Bezug zur Moderne und ihren sozialen Belangen hergestellt – unabhängig von der architektonischen Ausrichtung des Bauhauses.

Die Familie – und eine Leidenschaft

1950, nach dem Diplom heiratet Lothar Götz seine Jugendliebe Hannelore Grab, 1952 wird der Sohn Matthias, 1962 die Tochter Magdalena geboren. Stolz und Vaterliebe demonstrieren die eher ungewöhnlichen Links zu den Webseiten der inzwischen erfolgreichen Kinder: Matthias Götz ist Professor an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Magdalena Götz Professorin für Molekularbiologie an der TU München.  Hannelore Götz stirbt nach 64 Ehejahren nach längerer Krankheit 2014. Lothar Götz trauert sehr innig.

Als ich 2010 den Vorsitz übernommen der EEG übernommen hatte, lud mich Lothar Götz nach Heidelberg in das Wohn- und Bürohaus an der Handschuhsheimer Landstraße 16 ein, um Akten seiner Vorstandstätigkeit für die EEG übernehmen und sie an das saai in Karlsruhe übergeben. Bei dieser Gelegenheit lernte ich die besondere Leidenschaft des Ehepaars kennen: In der Anwohner-Parkzone in der Gabelsberger Straße standen zwei identische Porsche Carrera. Eine seiner letzten Fahrten zum „Eiermannbau Apolda“ hat er bewusst mit dem Porsche seiner Frau absolviert, wie er mir vertraulich sagte, „weil die Bremsen noch griffiger waren“. Den letzten Transport seines Werk-Nachlasses in das saai hat er mit dem Porsche in der ihm eigenen Fahrweise, die nicht alle Mitfahrer schätzten, souverän absolviert.

Ich gehe davon aus, Lothar Götz hat sich auf seinen Tod sehr intensiv vorbereitet und ganz bewusst eine private Trauerfeier angeregte. Das hat dazu geführte, dass die EEG von seinem Tod nur indirekt über den Eintrag und die Todesanzeige, die in Wikipedia eingestellt wurde, von seinem Tod erfahren hat. Er starb am 17. April 2018 in Heidelberg. Er hat sein Arbeitsleben in einer professionell klar gegliederten, eleganten Website dokumentieren lassen, die seiner sehr gezielten und rationalen Arbeitsweise entsprochen hat.

Juni 2019


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