Für die UEFA EURO 2024 haben asp Architekten ein weiteres Mal die MHP Arena in Stuttgart modernisiert. Durch die konsequente Weiterentwicklung und innovative Optimierung des Bestands ist eine der modernsten Arenen Europas entstanden, die ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit steht.
Sportbauten sind Wahrzeichen unserer Städte. Sie stiften Identifikation und fungieren als wichtige Erlebnisorte für Fans und Zuschauer:innen. Unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit betrachtet, verkörpern sie jedoch häufig das, wovon die Architektur längst abrücken sollte: Monofunktionale, großmaßstäbliche Neubauten auf grüner Wiese. Dass es auch anders geht, zeigt die MHP Arena. Anlässlich der UEFA EURO 2024 wurde sie nun bereits zum sechsten Mal modernisiert. Die Heimspielstätte des VfB Stuttgart steht damit im Bereich der Sportbauten beispielhaft für die Weiterentwicklung des Bestands als oberste Devise des nachhaltigen Bauens. Und dafür, dass eine der dienstältesten Arenen Deutschlands gleichzeitig auch eine der modernsten sein kann.
Was ist neu – ein Überblick
Die wohl größte Maßnahme wurde direkt am Herzen des Stadions vorgenommen – und das bei laufendem Betrieb. So wurde die in Teilbereichen inzwischen 50 Jahre alte Haupttribüne saniert und bis zu den Membrandachstützen erweitert. Dadurch konnte die Zahl der Businessplätze von 1.628 auf 2.545 erhöht werden. Die Loungeflächen vergrößerten sich von 2.150 auf 3.710 Quadratmeter und die Bar- sowie Essensausgabebereiche konnten von 336 auf 632 Quadratmeter fast verdoppelt werden. Durch das Fassungsvermögen der MHP Arena befindet sich der VfB Stuttgart in Besitz des drittgrößten Stadions der Fußball-Bundesliga – nach dem Signal-Iduna-Park von Borussia Dortmund und der Allianz-Arena des FC Bayern München.
Zudem wurden gemäß den UEFA-Anforderungen der EURO 2024 sowohl die Spieler- als auch die Pressebereiche neugestaltet und so deren Flächen ebenfalls mehr als verdoppelt. Zu den neuen Räumlichkeiten zählen Mannschaftskabinen, Funktionsräume, ein Mediencenter, ein VIP-Bereich sowie eine Produktionsküche. Das wohl größte Highlight unter den Neuerungen: Als exklusiver Businessbereich wurde Deutschlands erster Tunnelclub realisiert. Von hier aus erhalten die Besucher:innen einzigartige Einblicke hinter die Kulissen. Durch die umfangreichen Maßnahmen erfüllt die MHP Arena sämtliche UEFA-Anforderungen.
Höchste Ansprüche an Funktionalität und Exklusivität
Neben den Spieler- und Pressebereichen galt es natürlich auch, das Erlebnis für die Besucher:innen auf ein neues Niveau zu heben. An erster Stelle sei hier nochmals der Tunnelclub erwähnt. Der exklusive Businessbereich bietet den Besucher:innen einen einmaligen Einblick in das Spieltags-Geschehen. Hautnah können sie von dort aus beobachten, wie die Spieler von den Mannschaftskabinen auf das Spielfeld einlaufen oder nach dem Fußballspiel Interviews geben. Überhaupt wurde das exklusive Erlebnisangebot um ein Vielfaches vergrößert: So konnten im Zuge der Umbaumaßnahmen weitere 917 Businessplätze geschaffen werden. Abgerundet wird das Angebot durch die neue Großküche, in der aus regionalen Lebensmitteln vor Ort frisch gekocht wird.
Die neue Haupttribüne fungiert zugleich als ein Konferenz- und Veranstaltungszentrum und macht die MHP Arena nun auch fernab von Fußball- oder anderen Sportveranstaltungen zu einem besonderen Erlebnisort. Die Nutzungsintensität des Stadions wird dadurch enorm erhöht und verwandelt das Stadion in einen multifunktionalen Erlebnisort. Das Zentrum mit einer Piano-Bar und Lounge bietet völlig neue Aufenthaltsqualitäten – etwa für Konferenzen, Tagungen oder Messen. Die Räumlichkeiten mit Einzeln-Flächen zwischen 200 und 750 Quadratmeter sind so ausgelegt, dass zeitgleich bis zu acht Konferenzen stattfinden können.
Für die Besucher des bestehenden 2. Ranges wurden großzügige Freitreppen geschaffen, die Aufenthaltsfläche auf Ebene 3 wurde wesentlich vergrößert und das gastronomische Angebot deutlich verbessert.
Im Sinne der Nachhaltigkeit
Der wohl größte Beitrag zur Nachhaltigkeit besteht in der konsequenten Weiternutzung des Bestands, der Infrastruktur und damit im größtmöglichen Erhalt der bereits verbauten Grauen Energie. Ziel war es, auch bei dieser Modernisierung möglichst viele Materialien im Kreislauf zu halten und weiter- oder wiederzuverwenden. Im Falle der Haupttribüne ist es gelungen, nahezu 100 Prozent des abgebrochenen Betons wieder im Stadion zu verbauen. Hierbei wurde zusammen mit den Tragwerksplanern schlaich bergermann partner bereits die Planung und Ausschreibung des Rohbaus auf CO2-reduzierten Recyclingbeton ausgerichtet.
Das nachhaltige Moment der MHP Arena endet jedoch nicht mit den Baumaßnahmen. Auch im Betrieb sollen zukünftig Kreisläufe geschlossen werden. So wurde etwa die Abwärmenutzung von Kälteverbrauchern umgesetzt. Im Herbst 2024 wird darüber hinaus eine PV-Anlage installiert. Nicht zuletzt wurde das Flutlicht auf LED-Technik umgerüstet und eine Großküche eingebaut, in der mit regionalen Produkten gekocht wird.
Nicht einfach nur ein Fußballstadion
Zu den Alleinstellungsmerkmalen der MHP Arena zählt, dass nachträglich eine Mehrzweckhalle integriert wurde. Die SCHARRena befindet sich in der Untertürkheimer Kurve unter den Tribünen und wurde 2011 ebenfalls von asp Architekten realisiert. Sie ist auf internationale, nationale, regionale sowie lokale Sportveranstaltungen ausgelegt und bietet eine Kapazität für bis zu 2.250 Zuschauer:innen. Ein auskragender Baukörper und eine vollverglaste Erschließung verleihen ihr einen eigenständigen architektonischen Ausdruck.
Die MHP Arena im Wandel der Zeit
Die MHP Arena wurde seit ihrer Errichtung im Jahr 1933 vielfach umgebaut, modernisiert und erweitert. Seit vielen Jahrzehnten begleiten asp Architekten in guter Zusammenarbeit mit schlaich bergermann und partner die Entwicklung des Stadions – angefangen mit dem Bau der Haupttribüne im Jahr 1973 und des markanten Membrandachs 1993, seinerzeit das erste seiner Art in ganz Europa. Weitere Schritte waren die Erweiterung der Haupttribüne mit einem Businessbereich und dem zweiten Rang im Jahr 2000, der Neubau der Gegentribüne für die WM 2006 sowie der Umbau von der Leichtathletikarena zum reinen Fußballstadion im Jahr 2011. Auftraggeberin ist die 2008 gegründete Stadion NeckarPark GmbH & Co. KG als Tochter der Stadt Stuttgart. Zuvor war die Stadt Stuttgart selbst Bauherrin.
Zur Verbesserung der Zuschauerinfrastruktur in den Kurven wurde die Untertürkheimer- und Cannstatter Kurve neu erbaut und durch einen zusätzlichen zweiten Rang erweitert. In mehreren Bauabschnitten wurden in den Jahren 2009 bis 2011 die Untertürkheimer- und die Cannstatter Kurve und die vorhandenen Leichtathletikbahnen abgebrochen und das Spielfeld um 1,40 Meter abgesenkt. Die unteren Ränge wurden durch neue Reihen zum Spielfeld hin ergänzt, um die Haupt- und Gegentribünen näher an das Spielfeld zu rücken. Durch den Umbau in ein reines Fußballstadion wurde die Zuschauerkapazität auf 60.500 Zuschauerplätze bei Bundesligaspielen (Sitz- und Stehplätze) und auf 55.000 Sitzplätze bei internationalen Spielen erhöht.
In den vergangenen Jahren sind in unmittelbarer Nachbarschaft des Stadions weitere wichtige Trainings- und Begegnungsorte des Vereins hinzugekommen. So haben asp Architekten 2014 als Erweiterung des Angebots für die Jugendmannschaften und die U21-Mannschaft des VfB Stuttgart ein Nachwuchsleistungszentrum realisiert. Mit der neuen Athletikhalle ist 2023 ein weiterer architektonisch anspruchsvoller Baustein hinzukommen, der den Lizenzspielern des VfB Stuttgart auf 800 Quadratmetern neue Indoor-Trainingsflächen bietet.
In den nächsten Jahren wird das großflächige Areal des NeckarParks um ein Quartier erweitert, in dem einmal bis zu 2.000 Menschen leben und arbeiten sollen. Den Eingang markiert schon heute ein Quartiersparkhaus mit integrierter Energiezentrale, das 2022 ebenfalls von asp Architekten realisiert wurde.
MHP Arena, Stuttgart
Bauherr: Stadion NeckarPark GmbH & Co. KG
Architektur: asp Architekten
Fachplanungen: sbp schlaich bergermann partner (Tragwerk), IGH Stuttgart (TGA mechanische Gewerke), Ebert Ingenieure GmbH (TGA ELT/FMT), gla gessweinlandschaftsarchitekten (Freianlagen)
Projektteam:
Architektur: Angelika Babucke (Projektleitung), Irene Schweizer, Sonja Blessing, Claudia Maurer, Gema Diaz-Matthias, Nabil Salahat, Jens Maier, Meztli Orozco, Anika Schlosser
Innenarchitektur: Judith Kappes (Projektleitung), Vera Kohler, Sabine Kühn, Marie Rünzi, Luiza Bignardi, Kathrin Niehus, Alexandra Wittmann