Starter-Kit für den Democratic Umbrella
Nutzungs- und Umbaukonzept für Multihalle Mannheim beauftragt
Für ein Herzensprojekt von Wilkhahn ist die Zukunft gesichert: Die nach Plänen von Frei Otto und Carlfried Mutschler vor bald 45 Jahren – zur Bundesgartenschau 1975 – errichtete Multihalle in Mannheim wird saniert. Die „größte freitragende Holzgitterkonstruktion der Welt“ soll bis zur nächsten Mannheimer Bundesgartenschau im Jahr 2023 wieder hergerichtet sein. Wilkhahn hatte im Jahr 2018 ein hochkarätig besetztes Symposium unter dem Titel „Die Zukunft gestalten – Frei Ottos ideelles Erbe“ veranstaltet. Anlass war der „30. Geburtstag“ der von Frei Otto entworfenen Produktionshallen am Wilkhahn-Unternehmensstandort in Bad Münder. Sämtliche Referentenhonorare und Teilnehmerbeiträge des Symposiums waren als Spende an den Verein zum Erhalt der Multihalle in Mannheim, Multihalle e.V., geflossen. Die Halle war 2018 noch vom Abriss bedroht gewesen, erst dem Engagement des Vereins und einer Ausstellung auf der Venedig-Biennale 2018 ist es zu verdanken, dass der Bund 2019 rund 4,7 Millionen Euro aus dem Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ dafür bereitgestellt und die Stadt weitere 9,2 Millionen Euro zugesagt hatte.
Nun kann die Baukulturreferentin der Stadt Mannheim, Tatjana Dürr, einen weiteren Schritt zur Weiternutzung der ursprünglich lediglich als temporäre Hülle konzipierten Halle vermelden: Die niederländische Architektengemeinschaft COFO+Peña wird mit den Leistungsphasen 1-3 einer ganzjährig nutzbaren „Erstausstattung“ der Halle („Starter-Kit“) beauftragt. COFO+Peña (Rotterdam) waren im März 2019 als eines von drei Architekturbüros mit einem ersten Preis im Ideenwettbewerb zur Weiternutzung der Multihalle ausgezeichnet worden. Im Sommer 2019 waren die drei erstplatzierten Entwürfe von den Architekt/innen in einem Workshopverfahren weiterentwickelt worden. Schließlich hatte im Herbst 2019 eine Jury unter Leitung von DAM-Direktor Peter Cachola Schmal aus den drei überarbeiteten Konzepten jenes von COFO+Peña als das „mit dem größten Entwicklungspotenzial und der höchsten architektonischen Qualität“ ausgewählt (Jury).
Die niederländischen Architekt/innen schlagen ein mehrstufiges, modulares Konzept unter dem klingenden Titel „Hallen Allee“ vor. „Herzschlagader“ des Entwurfs ist eine zentrale Allee („urban ribbon“) vom Stadtzentrum durch den Herzogenriedpark führend („metropolitan garden“), die ein breites Feld unterschiedlicher Stationen und Aktivitäten („democratic umbrellas“) aufnimmt. Für die Multihalle selbst werden vier Elemente zu den „Hauptkatalysatoren“ urbanen Lebens: „Zelt / Platz“, „Plattform / Tribüne“, „Platte / Atrium“ sowie „Dach / Bühne“. Durch die klimatische Öffnung der Halle, die größtenteils nur noch offene Wind- und Witterungsschutzhülle sein wird, entsteht eine dichtere Verwebung von Außen- und Innenräumen. Lediglich das vorhandene Restaurant, die unter der derzeitigen halbkreisförmigen Tribüne liegenden Büros sowie der Raum unter der künftigen Bühne werden beheizbare Innenräume sein. Gleichzeitig soll der schrittweise Ausbau der Halle über mehrere Jahre eine langfristige Aneignungsphase für die Stadtbewohner ermöglichen. Dabei sind Eingriffe und bauliche Elemente so entworfen, dass eine große funktionale Offenheit und Bandbreite an möglichen Aktivitäten entsteht – von Festivals und Aufführungen über Konferenzen und Workshops bis zu Ausstellungen – und zwar das ganze Jahr über.
Der Innenausbau ist dabei als Mindestausstattung konzipiert, die bei Bedarf erweitert werden kann; dies vor dem Hintergrund, dass erst dann der partizipative Prozess zur Aneignung beginnen kann. Ziel ist die Umsetzung der Maßnahme parallel zur Sanierung des Daches bis zur BUGA 2023.
Die Stadt Mannheim hat zudem Anfang Februar 2020 am World Urban Forum teilgenommen. Die Multihalle war hier mit dem Kurzfilm „Erwachen einer schlafenden Schönheit – die Transformation der Mannheimer Multihalle“ vertreten.
Die Wiederentdeckung der Multihalle und die partizipative Entwicklung eines Nutzungskonzeptes waren eindrucksvolle Beispiele für das Hauptthema des World Urban Forum: „Wie können Veränderungsprozesse in Städten mittels Kultur und Innovation gestaltet werden?“
Links:
„Die Zukunft zurückholen“ – Nachbericht zum Wilkhahn-Architektur-Symposium 2018
„Die Zukunft gestalten – Frei Ottos ideelles Erbe“ Ankündigung zum Wilkhahn-Architektur-Symposium 2018
„Sleeping Beauty“ – Wilkhahn unterstützt Ausstellung zur Multihalle Mannheim auf der Architekturbiennale Venedig 2018
Image-Film der Stadt Mannheim zur Multihalle für das World Urban Forum 2020: