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Mit CARL, Center for Ageing, Reliability and Lifetime Prediction of Electrochemical and Power Electronic Systems, ist Anfang Februar 2023 ein weltweit einmaliges Forschungszentrum feierlich eröffnet worden. Ziel sind gemeinschaftliche Forschungsergebnisse zu Fragen der Alterung, Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Batterien und Leistungselektronik. Im Auftrag des Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) hat das Kölner Büro kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH das Gebäude als neues Entrée für den Wissenschaftscampus Melaten geplant und in zweijähriger Bauzeit realisiert.

CARL gilt als sogenanntes „91b-Gebäude“, das steht laut Grundgesetz Art. 91b für ein Forschungsthema von überregionaler Bedeutung und wird von Bund und Land finanziert.

Städtebaulich baut der Entwurf von kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH (ksg) auf den restriktiven Vorgaben des Bebauungsplans auf. Das Forschungsgebäude folgt dynamisch dem Boulevard, einem Rundweg um den Campus. Um die schwungvolle Baulinie umzusetzen, wurde ein eigens hergestellter, ockerfarbener Ziegel gewählt, der darüber hinaus den nachhaltigen Aspekt der Forschung versinnbildlicht. Die Ziegelfassade ist, lt. Prof. Johannes Kister, in Farbe und Detaillierung eine Reminiszenz an den Pioniergeist in der Elektrifizierung, der an diesem Ort architektonisch fortgeschrieben werden soll.

C.A.R.L. Central Auditorium for Research and Learning | Aachen | by KSG Architekten

CARL Center for Ageing, Reliability and Lifetime Prediction of Electrochemical and Power Electronic Systems, Aachen, KSG Architekten

Die städtebaulich markante Position wird durch die spitze Nord-Ost-Ecke mit überhöhter Attika betont. Auf einer Nutzfläche von 5.000 Quadratmetern sind drei separate Gebäudeteile entstanden, in denen ca. 160 Mitarbeiter:innen in interdisziplinären Forschungsteams an der Umsetzung der Energie- und Verkehrswende arbeiten werden.

Die Funktion wird durch den Ort inspiriert

Die Herausforderung, die Funktion eines Laborgebäudes mit der städtebaulich vorgegebenen, gekrümmten Dreiecksform zu verbinden, ist zugleich Inspiration als auch formale Kennzeichnung des Projekts „CARL“.

Die Bewegung in der Formsprache zieht sich als erlebbarer roter Faden durch die gesamte Architektur: Der 6-geschossige Hauptbau am Campus Boulevard wird durch ein weißes, repräsentativ geschwungenes Haupttreppenhaus im Inneren erschlossen. Ein großes Oberlicht über dem Treppenauge holt das Tageslicht tief in das Gebäude herein. Auf allen Fluren befinden sich einladende Sitzbereiche als Treffpunkt für lebendigen Austausch und mit Ausblick, u. a. auf das angrenzende Naturschutzgebiet. Die rhythmisch in der Fassadenbiegung eingerückten großen Fenster unterstreichen die Dynamik des Ziegelbaus, ohne die Krümmungen auf das Glas zu übertragen.

 

Im dreigeschossigen Mittelteil befinden sich hochtechnisierte Speziallabore und Werkstätten, Klimakammern, Rein- und Trockenraum. Auch Prüfräume für Stresstests mit luftgefederten, schwingungsentkoppelten Fundamenten, die eigens für das Herzstück des Forschungszentrums installiert wurden: drei Mikroskopie-Räume im Untergeschoss. Sie beherbergen Mikroskope, die im Nanobereich messen. Eines davon gibt es weltweit nur zweimal. Konstruktiv und technisch wurden neben einer erschütterungsarmen Umgebung hohe Anforderung an Temperaturkonstanz und EMV-Abschirmung umgesetzt.

 

SCHNITT A–A © kister scheithauer gross architekten und stadtplaner gmbH

Schnitt

LAGEPLAN © kister scheithauer gross architekten und stadtplaner gmbH

Lageplan

Ergänzt wird das Ensemble von einer offenen Halle mit Container-Raumzellen für kritische Tests, die aufgrund des Gefährdungspotenzials aus dem Hauptgebäude ausgelagert sind. Im Schadensfall können einzelne Container ausgetauscht und umweltgerecht entsorgt werden. Das Hallendach ruht auf einer markanten Stahlkonstruktion, die in ihrem rautenförmigen Raster die Grundstücksform spiegelt. Die Fotovoltaikanlage darauf erhält nicht nur die optimale Ausrichtung zur Sonne, sondern präsentiert sich als besondere fünfte Fassade. Mit der Fotovoltaikanlage werden bis zu 100.000 Kilowattstunden grüner Strom pro Jahr produziert.

Werke des Kölner Künstlers Jan Hoeft sind an den Wänden der Raumzellen installiert und stellen die Prozesse der Lösungssuche in der Forschung plakativ dar. Seine ortsspezifische Kunst zeigt, dass Forschung auf vielen Wegen entstehen kann und nicht immer vorhersehbar verläuft, auch wenn die Richtung klar ist.


Standort: Campus-Boulevard 89 52074 Aachen
Bauherrschaft: BLB NRW (Bauherrschaft) RWTH Aachen (Betreiber:in) ISEA Institut für Stromrichtertechnik und elektrische Antriebe (Lehrstuhl)
Architektur/Generalplanung: kister scheithauer gross architekten und stadtplaner gmbh
Entwurfsleitender Gesellschafter: Prof. Johannes Kister
Projektteam ksg: Danijela Pilic (PL) Roxana Varga (stv. PL) Tanja Scharbert, Nicole Köllmann Dorothee Heidrich, Katharina Diedrichs Wett
Erweitertes Generalplanungsteam: Krawinkel Ingenieure GmbH IKM Ingenieurbüro Möller + Partner IDK Kleinjohann GmbH & Co. KG, Heinrichs Bauphysik, LAND Germany GmbH
Wettbewerb/Wettbewerbsverfahren: August 2017/ VgV
Bauzeit/offizielle Eröffnung: 2020-2022/ 03.02.2023
Fotografie: Yohan Zerdoun
Grundriss EG

Grundriss EG