Berlin hat viele Museen, aber auch unter dieser Vielfalt ist es eine Rarität: Das Buchstabenmuseum verfügt über eine einzigartige Sammlung von dreidimensionalen Schriftzügen, Leuchtreklamen und Buchstaben. Stadt-, Architektur- und Designgeschichte finden hier zusammen. Im Oktober muss das Museum schließen. Für die Zukunft der Sammlung aber besteht noch Hoffnung.
Bis zum 5. Oktober 2025 zeigt eines der kleineren Museen Berlins eine Ausstellung mit dem Titel „Final Sale – vom Kaufhaus ins Museum“ mit Schriftzügen ehemaliger Kaufhäuser von 1980 bis heute. Horten, Quelle, Hertie, Kaufhof und Karstadt – mit dem Verschwinden der analogen Präsenz im Stadtraum gehen auch die markanten Schriftzüge der Waren- und Kaufhausketten verloren. „Final Sale“ erzählt die typografischen und stadthistorischen Geschichten der Buchstaben und zeigt die einstige Bedeutung der Waren- und Kaufhäuser mit ihrer Architektur.
Blick in die aktuelle – und letzte – Ausstellung des Buchstabenmuseums. (Beide Bilder: Nik Stohn)
Teil jeder Biografie
Der Titel ist allerdings doppeldeutig. Denn am 5. Oktober endet nicht nur diese Ausstellung – das Buchstabenmuseum selbst muss schließen. Was mit der privaten Sammlung von Barbara Dechant begann – die sich im Wesentlichen aus abgeschraubten Schriftzügen aufgegebener Läden speiste – wurde 2005 als Museum institutionalisiert, getragen von einem Verein, gegründet von Barbara Dechant und Anja Schulze. Seit 2019 ist das Buchstabenmuseum im historischen S-Bahnbogen im Hansaviertel heimisch. Hier wird seither Typografie aus dem öffentlichen Raum gesammelt und als Teil der Stadtgeschichte präsentiert, hier werden gebaute Buchstaben und Fassaden-Schriftzüge mit ihren Hintergrundgeschichten sowie Erläuterungen zur Entstehung und Herstellungstechnik bewahrt und dokumentiert. Das Buchstabenmuseum hat sogar eine Werkstätte zum Erlernen der Neonkunst eingerichtet, eine der letzten funktionierenden Neonglasbläsereien.
Blick in die Sammlung des Buchstabenmuseums. (Beide Bilder: Buchstabenmusem)
Im Kern geht es aber hier nicht nur um Neonschrift oder Reklametafeln, sondern um dreidimensionale Buchstaben jeder Art. Das Buchstabenmuseum ist damit das erste Museum weltweit, das Typografie aus dem öffentlichen Raum sammelt und als Teil der Stadtgeschichte präsentiert. Design- und Stadtgeschichte kreuzen sich in diesen Schriftzügen, die Begeisterung für die beleuchtbare Schrift, Moden wie typografische Neuerungen der jeweiligen Zeit finden hier zusammen. Und wenn sie auch nach wie vor präsent sind, wenn sich auch immer noch Schriftzüge in den Städten finden, die mehrere Jahrzehnte überstanden haben, so lässt sich die in einem schleichenden Prozess vollziehende Veränderung vor allem und am besten im Museum vergegenwärtigen. Der ein oder die Andere wird dabei in Erinnerungen schwelgen und in die eigene Vergangenheit zurückversetzt werden: Denn in dieser Schnittmenge aus Design-, Architektur- und Stadtgeschichte erzählt auch ein Stück Alltag, ein Alltag von Sehnsüchten und Träumen, vom Reisebüro bis zum Zierfischfachgeschäft, vom Möbelhaus und Kino bis zu Hotels, die es nicht mehr gibt.
Zusammenhalten
So schön die Geschichte klingt, sie wird bald zu Ende sein, ausgerechnet im Jubiläumsjahr. Die Besucherzahlen haben sich seit der Corona-Pandemie bis heute nicht wieder vollständig erholt, es fehlen öffentliche oder private Geldgeber, der weitere Betrieb lässt sich nicht mehr aufrecht erhalten. Auch die Zukunft der Sammlung ist offen. Für sie wird eine Nachfolgeverwendung oder ein Lagerort gesucht. Es droht ein fahrlässig hingenommener Verlust. Die Exponate haben eine integrale Bedeutung für die Schriftkultur, die Architektur, Skulptur, Grafik, Reklame, Mode, Konsumgeschichte, Zeitgeschichte und Identitätsbildung im öffentlichen Raum. Sie sind ebenso bedeutend wie die monumentalen Inschriften der römischen Antike. Damit das über viele Jahre großteils ehrenamtliche Engagement nicht vergeblich war, wäre es nicht nur für alle, die dem Museum die Treue gehalten haben, das Beste, die Sammlung würde nicht auseinandergerissen und in Einzelheiten veräußert werden. Noch ist offen, was mit den Exponaten des Museums passiert. Die Hoffnung besteht, sie als Ganzes der Sammlung eines Museums oder an eine andere Institution, kulturelle Einrichtung oder ein Unternehmen übergeben zu können – die dafür über genügend Raum und ein Budget verfügen, um die Sammlung zu pflegen und zugänglich zu machen. Deswegen ist das Buchstabenmusem weiterhin für Unterstützung dankbar. Hinweise dazu finden sich unter www.buchstabenmuseum.de