Das Büro Tabanlioǧlu Architekten aus Istanbul ist international aktiv. Es plant und baut nicht nur in der Türkei oder den „Turkstaaten“, wie Aserbaijan, Turkmenstan oder Kasachstan, sondern auch in Quatar, im Senegal, Japan, den USA – für ein Türkisches Architekturbüro ungewöhnlich, denn die Märkte in der Türkei, auch der des Bauens, waren lange Zeit auf das Land selbst bezogen.
Mittlerweile ist Murat Tabanlioǧlu ein weit gereister Mann und ein international engagierter Architekt. Er hat es sich zu einem Prinzip gemacht, seinen Zielort genauestens zu studieren und seine Erkenntnisse über den Ort, an dem er ein Projekt plant, in die Entwürfe seines Büros einfließen zu lassen. Davon erzählt die Ausstellung „Stage_0 Travelogue“ in der Architekturgalerie München.
Längst hat der Fotoapparat den Skizzenblock abgelöst und das Smartphone ersetzt wiederum immer mehr die Kamera. Aus der Minutenskizze ist ein Sekundenklick und das Skizzieren auf Reisen ist zu einer luxuriösen Muße geworden. Murat Tabanlioǧlu berichtet in der Ausstellung von langen Spaziergängen, die er an ihm fremden Orten meist direkt nach seiner Ankunft (ob am Tag oder in der Nacht) unternimmt, um sich vertraut zu machen. Seine Eindrücke hält er in einem visuellen Reisetagebuch fest, für das er gerne sein Smartphone benutzt.
Die Ausstellung zeigt diesen Entwurfsprozess mit den Fotos aus dem Reisetagebuch in einer abstrahierten Weltkarte. Sie präsentiert Arbeitsmodelle sowie die Dokumentationen der weltweit realisierten Projekte, die den Geist des Ortes in den Mittelpunkt des Entwerfens stellen. Sei dies nun ein Wohnhochhaus in New York (USA), ein Kongresszentrum in Dakkar (Senegal), Hochhäuser mit gemischter Nutzung in Teheran (Iran) oder in Lusail (Quatar), ein Bahnhof in Astana (Kasachstan) ein Stadion in Tokyo (Japan) oder Bauten in Istanbul oder Ankara.
Diese Arbeiten sind bei aller Ortsbezogenheit allerdings weit von folkloristischen Architektur entfernt. Sie interpretieren den Ort, an dem sie entstehen, auf moderne, zeitgemäße Weise. Damit stehen sie in einer Tradition der türkischen Architektur im 20. Jahrhundert, in der Bezüge zur eigenen Geschichte betont und gleichzeitig Einflüsse aus internationalen Architekturtendenzen aufgenommen werden. Besonders die türkische Republik lud ab den 1920er-Jahren internationale Architekten dazu ein, an der Entwicklung der Baukultur im Land mitzuwirken. Auch dafür steht das Büro Tabanlioǧlu Architekten exemplarisch: Vater Hayatti Tabanlioǧlu studierte bei Paul Bonatz und Gustav Oelsner in Istanbul und schloss dann ein Auslandsstudium in Deutschland bei Gerhard Graubner in Hannover an. Murat Tabanlioǧlu studierte in Wien und setzte später die internationale Orientierung seines Vaters auf eigene Art um. Seinen Reisen um den Globus folgten globale Projekte.
Und sie alle folgen Murat Tabanlioǧlus in der Türkei entwickeltem Prinzip lokaler Verbundenheit und globaler Orientierung. Ein Deutsches Sprichwort sagt: „Wer eine Reise tut, hat viel zu erzählen.“ „Çok gezen, çok bılır!” heißt es im Türkischen, übersetzt: „Wer viel reist, der weiß viel!“
Ausstellung bis 11. November in der Architekturgalerie München.
Zur Finissage am 10.November ab 17 Uhr sind Architekt, Autor und Suha Özkan, der Gründer der World Architecture Community, anwesend.