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Es sind die „Bretter, die die Welt bedeuten“. Der Wert des Theaters, der Oper, des Musicals an einem Ort, an dem Menschen unmittelbar zusammenkommen, ändert sich immer wieder – die Gesellschaft lässt sich dies etwas kosten. Steigen die Kosten für die Sanierung der Stuttgarter Oper von Max Littmann doch gerade von 1 Milliarde auf 1,5 bis 2 Milliarden Euro. Ein Rückblick: Die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert markiert einen Umbruch in der Theaterbau-Ästhetik, der nun in einer Ausstellung nachzuvollziehen ist.


Quer durch die künstlerischen Disziplinen werden die Stimmen nach einer Reform der Bühnenkunst lauter. Der rasante Wandel um 1900 verändert Sehgewohnheiten und Raumerfahrung. Der Anspruch einer exakten Nachbildung der Wirklichkeit auf der Bühne entspricht nicht mehr dem Zeitgeist.

Optisch empfängt den Besucher die Enfilade einer Guckkastenbühne als Auftakt und Stichwortgeber. Der Bummel durch die vielgestaltigen Aufführungsorte kann beginnen. Dabei werden themengerecht alle verfügbaren Mittel der Darstellung wie Text, Zeichnung, Malerei, Fotografie und Modell bis zur virtuellen Rekonstruktion eingesetzt. Anregungen zur aktiven Beschäftigung der Besucher mit der Materie haptisch wie elektronisch beleben die Sinne.
Das Prinzregententheater, von 1900 bis 1901 von Max Littmann errichtet, nimmt die Idee des 1865 von Gottfried Semper für München entworfenen aber nicht gebauten Festspielhauses auf. Richard Wagner liefert dabei mit seinen Opern die funktionalen und technischen Vorgaben. Die stilistische Einordnung bereitet der Kunstgeschichte bis heute Probleme. Im vorliegenden Kontext kann man auch von vereinzelten Elementen des Jugendstils sprechen. Dass parallel zur Großbaumaßnahme des Prinzregententheaters vom gleichen Architekten in einer Hinterhofsituation das intime Schauspielhaus in lupenreinem Jugendstil realisiert wird mag im ersten Moment verblüffen. Die gestalterische Mitwirkung von Richard Riemerschmid liefert die Erklärung. Zudem war der Wunsch nach einem intimen Aufführungsraum für experimentelles und avantgardistisches Theater maß- und maßstabgebend. Hier konnten Autoren wie Henrik Ibsen, August Strindberg und Frank Wedekind ihre Stücke bei physischer Nähe von Publikum und Darstellern voll zur Geltung bringen.

Links: Querschnitt Max Littmann; links: Skizze

Max Littmann (1862-1931): Schauspielhaus, Querschnitt, 1900; Innenraumstudie, Buntstift, Ölkreide, Aquarell (Nachlass Littmann)

Weitere Themen der Ausstellung haben die Überschriften Trance und Tanz, Gesellschaftskritik und Satire, Licht und Schatten, Welt der Träume oder Kunstzensur und sind nicht immer zwangsläufig mit baulichen Neuschöpfungen verbunden.

Ansicht desa Künstlertheaters, um 1908 (Nachlass Littmann)

Ansicht des Künstlertheaters, um 1908 (Nachlass Littmann)

Am Künstlertheater der Ausstellung von 1908 auf der Theresienhöhe hatte Max Littmann als ausgewiesener Theaterarchitekt allerdings einen weiteren Höhepunkt gesetzt. Das aus seinem Atelier erhaltene Arbeits- und Präsentationsmodell ist ein Highlight der Schau. Die mit allen Beteiligten neu entwickelte sogenannte Reliefbühne löste hier die Guckkastenbühne ab.

Innenraum Künstlertheater, Schnittmodel, um 1908 (Nachlass Littmann)

Innenraum Künstlertheater, Schnittmodel, um 1908 (Nachlass Littmann)

Man mag es kaum glauben, dass das Experiment Reliefbühne nach acht Premieren in sechs Monaten schon wieder zu Ende war. Der Zuspruch des Publikums blieb hinter der Anerkennung in der Fachwelt weit zurück. Das ist schade, war das temporär konzipierte Gesamtkunstwerk doch mit diversen technischen Finessen ausgestattet. Über eine Deckengleisanlage konnte man die Dekorationselemente zur Seite in ein Magazin ein- und ausschieben. Der durch Projektion oder Malerei gestaltete Prospekt funktionierte auch als Wandelprospekt, der sich von einer zur anderen Seite abrollen ließ. Alle Beleuchtungselemente waren sorgfältig detailliert und auf hohem handwerklichen Niveau ausgeführt.

Licht und Beleuchtung spielen im Theaterbau eine Hauptrolle. (Fotos: Karl J. Habermann)

Licht und Beleuchtung spielen im Theaterbau eine Hauptrolle. (Fotos: Karl J. Habermann)

Auf folgende Details sollte noch hingewiesen werden: Lichtempfindliche Originalmaterialien zu ausgewählten Theaterstücken in Schubladen vertiefen die Informationen in die Arbeit von Autoren, Regisseuren und Bühnenbildnern. Auch akustische Zugaben fehlen nicht. Meine Wertsschätzung der Werke von Riemerschmid, Littmann und ihres Umfeldes hat mit dem Besuch dieser Ausstellung noch einmal richtig Fahrt aufgenommen.

Deutsches Theatermuseum | Galeriestraße 4a, München | Ausstellung bis 23. März 2025
https://www.deutschestheatermuseum.de/de/ausstellungen/kunst-und-buehne


Weitere Informationen und Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzregententheater

https://municharttogo.zikg.eu/items/show/178?tour=15&index=12

https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnchner_Kammerspiele

https://municharttogo.zikg.eu/items/show/181?tour=15&index=18

https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnchner_K%C3%BCnstlertheater

https://municharttogo.zikg.eu/items/show/176?tour=15&index=15

https://municharttogo.zikg.eu/items/show/179?tour=15&index=13

https://municharttogo.zikg.eu/items/show/181

https://my.dimension3.de/de/tour/mk-schauspielhaus?play=1