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Ein Architekt, der die Brücke zwischen den beiden Deutschlands schlug wie kaum ein anderer seines Metiers: Peter Kulka starb überraschend und hinterlässt ein Werk, das mit einer noblen Moderne Ost und West verband.

Wir danken Hans-Christian Schink für die 1997 aufgenommenen Fotografien des Sächsischen Landtags und der Fotografenagentur PUNCTUM Leipzig für die Digitalisierung der Fotografien.

Peter Kulka (Courtesy MDR)

Peter Kulka (Courtesy MDR)

Der Inspirierende

Was konnte man sich mit diesem Mann herrlich streiten: mit Peter Kulka, der am 5. Februar in seinem Haus in Dresden sehr überraschend verstarb. Noch wenige Tage vorher arbeitete der 86-Jährige in seinem Büro. Er war einer der Architekten, die ihre Entwürfe auch durch Widerspruch schärfen, genauer machen. Ein Mann, der herzhaft und laut lachte, der auch gegen die giftete, die er als Aufschneider betrachtete. Nicht nur im kantigen Äußeren war er, nun ja, ein Charakterkopf – und also für seine Auftraggeber und Kollegen sicher nicht wenig anstrengend. Und diejenigen, die sich mit ihm stritten, konnten rote Köpfe kriegen. Aber er war eben auch inspirierend.

Sitzungssaal des Präsidiums im Sächsischen Landtag, Dresden (Bild: Hans-Christian Schink, Digitalisierung: Punctum, Leipzig)

Sitzungssaal des Präsidiums im Sächsischen Landtag, Dresden, 1997 (Bild: Hans-Christian Schink, Digitalisierung: PUNCTUM, Leipzig). Hans-Christian Schink begleitete als Fotograf das Schaffen von Peter Kulka.

Von Ost nach West

Bis Kulka 1991 sensationell den Wettbewerb für den neuen Landtag in Dresden gewann, war er eine im rheinischen und in katholischen Kreisen gut bekannte, aber nicht etwa national bedeutsame Kraft. Das änderte sich nun radikal. Das Parlament hatte sich nämlich vergleichbar sensationell entschieden, nicht wieder in den historischen Landtagsbau neben dem Schloss zu ziehen – immerhin ein Bau des Reichstags-Erstarchitekten Paul Wallot –, sondern neben dem gewaltigen Erlweinspeicher und einem eher banalen Bürobau der Nachkriegszeit den architektonischen Neuanfang zu wagen. Peter Kulka gab dieser Sehnsucht, für die wiedergewonnene Demokratie auch symbolisch angemessen zu bauen, ein Gesicht, mit einem luftigen, geradezu zarten Haus, gläsern und durchsichtig, mit einigen der freundlichsten Interieurs der deutschen Parlaments-Architekturgeschichte.

Die Nähe dieses Entwurfs zum gleichzeitig entstehenden, ebenfalls in Glasfronten schwelgenden Bonner Bundestagssaal von Günter Behnisch in Bonn ist offensichtlich. So wie Kulka überhaupt tief rheinisch geprägt wurde. Zwar war er 1937 in Dresden geboren. Und nach der Maurerlehre in Görlitz und Gera lernte er an den Baugewerksschulen das Architekturhandwerk, studierte an der Kunsthochschule in Berlin Weissensee genau in jenen wenigen Jahren um 1960, als diese sich von den Zwängen des stalinistischen Historismus befreien und den Anschluss an den kühlen International Style suchen durfte. Dennoch floh Peter Kulka 1965 aus dem tief verachteten Zwangssystem DDR. Dann arbeitete erst einmal im West-Berliner Büro von Hans Scharoun, genau als dieser den Wettbewerb für die sensationelle Neue Staatsbibliothek und das Kulturforum bearbeitete – jene künstlerische Komposition, die derzeit durch den Bau des Museums der Moderne vandalisiert wird.

1969 eröffnete Peter Kulka sein eigenes Büro, zog 1979 nach Köln, in das Zentrum der liberalen Kultur West-Deutschlands, wo gerade der Aufstieg der „Jungen Wilden“ begann. Seine mit Hans Schilling entworfenen Bauten für die Katholische Kirche spiegeln mit ihren weiten Höfen und festen, empfangenden, im weichen Ziegelrot schimmernden Mauern den Aufbruchsgeist der Konzilszeit. Aber sie zeigen auch die Forderung nach Klarheit – so wie dann der Landtag eben nicht verspielt ist wie seine Bonner Schwester, sondern klarer, strenger, angemessen einer Demokratie, die noch nach ihrem Weg suchte – und heute angesichts der Herausforderung durch die offen Rechtsradikalen in der AfD wieder um ihren Bestand kämpfen muss.

Peter Kulka mit Peter Eisenman bei der Präsentation der Stadt Leipzig für die Olympia-Bewerbung am 19.11.2002. Wolfgang Tiefensee war damals OB von Leipzig. (Bilder: Hans-Christian Schink, Digitalisierung: Punctum, Leipzig)

Peter Kulka mit Peter Eisenman bei der Präsentation der Stadt Leipzig für die Olympia-Bewerbung am 19.11.2002. Wolfgang Tiefensee war damals OB von Leipzig. (Bilder: Bertram Kober, Digitalisierung: PUNCTUM, Leipzig)

Vom Rheinland nach Dresden

Peter Kulka ging unmittelbar nach der Vereinigung der beiden Deutschlands wieder zurück nach Dresden. Er war sicherlich ein heimatverbundener Mann. Und doch wurde er auch zum Kämpfer für ein anderes Sachsenbild als das der meist völlig unkritisch glorifizierten Wettiner-Monarchen oder des kaum weniger unkritischen Elbtal-Partikularismus. Seit 1995 war er Mitglied der Kunstkommission Dresdens, 1996 gründete er mit die Sächsische Akademie der Künste und wurde zudem Mitglied der Berliner Akademie. Und er ließ nicht ab, zu mahnen, zu streiten. Sein Hauptwerk aus dieser Sicht ist sicherlich der Wiederaufbau des Dresdner Residenzschlosses. Zwar gelang es selbst Kulka nicht, den etwa im Fall der Schlosskapelle durchaus antihistorischen Historismus der sächsischen Denkmalpflege vollständig zu bremsen. Aber mit dem Kunstgriff, gegen ihren massiven Widerstand den kleinen Schlosshof zu überdachen und damit zum Verteilerfoyer machen zu können, vor allem aber mit der Gestaltung des Riesensaals zu einer herrlichen Ausstellung der Rüstkammer-Bestände und der neu begründeten „Türkenkammer“ für die osmanisch-orientalischen Sammlungen, gelangen ihm Meisterwerke einer neuen Museumsästhetik.

Scheitern in Potsdam

Sein schwarzes Glashaus für den MDR neben dem Leipziger Uni-Hochhaus demonstrierte, wie eine Architektur öffentlicher Institutionen in der Demokratie auch aussehen kann. Seine vielen Büro-, Geschäftshaus- und vor allem Wohnhäuser zeigen, was eine noble, aus dem Ort gewonnene, aber gänzlich undogmatische Moderne auch städtebaulich zu leisten vermag. Umso dramatischer das Scheitern an der zweiten großen Aufgabe für die demokratische Selbstdarstellung in Ostdeutschland – am Potsdamer Landtag. Hier herrscht nämlich im Gegensatz zu Dresden das Ängstliche: Wir brauchen die alte Geschichte, den Mantel der Monarchen, um in der neuen Bundesrepublik zu bestehen. Umgeben wurde der Neubau also auf Wunsch des Landtags und auf Kosten privatee Mäzene vom Nachbau des 1961 ruchlos im Auftrag der SED gesprengten Stadtschlosses: übrigens ein einzigartiger Skandal der deutschen Parlaments-Architekturgeschichte, dass Abgeordnete sich schlichtweg weigern, die Ansicht des eigenen Hauses und damit deren architektonische Botschaft zu finanzieren! Jedenfalls, Kulka übernahm den Auftrag als Fachmann, begradigte und verschob allerdings ganze Fassadenteile, setzte sogar (der Landtag wollte geizig auch den Dachraum nutzen) Fenster in das korinthische Gebälk. Für jeden Kenner klassischer Architekturordnungen und ihrer differenzierten Sprache ein Graus. Für den Pragmatiker Kulka eine Nebensache. Er war in Grenzen durchaus geschmeidig, was Wünsche der Bauherren anging. Doch im „Landtagsschloss“ musste er auf Wunsch der Abgeordneten seine Raumkunst kastrieren, es herrscht banalste Sparkassenatmosphäre. Selbst der Versuch, wenigstens dem Plenarsaal mehr als eine Funktionswürde zu geben, scheiterte letztlich. Als das Haus eröffnet wurde, drückte er im Gespräch die Hoffnung aus, dass künftig die künstlerische Ausstattung „es richten“ werde. Und wandte sich neuen Aufgaben zu.
Bis jetzt, ins Jahr 2024.