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Wer bestimmt, wie die Alltagsarchitektur aussieht? Die Geldwirtschaft, Lobbyisten, Netzwerkknüpfer und „erfolgreiche“ Architekten wissen, wie sie ihre Pfründe zu verteidigen haben. Dass die Baukultur davon profitiert, glaube, wer will. Lobbyismus ruiniert die Baukultur in Deutschland.

August Wilhelm Ahlborn: Blick ins Griechenlands Blüte / nach Schinkels Original, 1836 (Bild: Wiki Commons; Alte Nationalgalerie)


Nichts erinnert mehr an das „Hoffnungsbild“, das Karl Friedrich Schinkel uns mit dem „Blick in Griechenlands Blüte“ (Wilhelm Ahlborn nach Schinkel aus dem Buch von Adolf Max Vogt, 1985, oben ein Ausschnitt) hinterließ, denn wo einst die Wiege abendländischer Kultur stand, geht es in Griechenland heute drunter und drüber: Ein Staatssekretär stürzte sich aus dem Fenster, ein regierungsnaher Anwalt warf sich vor einen Lastwagen – und wie so oft geht es um verwerfliche, aber verbreitete Korruption. Politiker hätten, so lesen wir in der FAZ vom 16.01.2008, unter anderem „eine recht laxe Hand bei der Ausweisung begehrten Baulands“, das eigentlich mit guten Gründen kein Bauland werden soll.

Protektion und Profit

Nun entrüsten solche Skandale brave Bürger immer und überall, doch sie sind nichts Besonderes in einem Machtsystem, das – in welcher Staatsform auch immer – Protektion und Profit, aber nicht die Baukultur fördert. In diesem unserem Lande ist es nicht anders. Solche Skandale sind symptomatisch für die Fehler des Systems, denn auch die legale Einflussnahme auf das Bauen ist von Interessen geleitet, die nichts mit Baukultur im Sinn haben. Dementsprechend sieht unsere gebaute Republik aus. Eins zu eins bildet sich das Desaster in den Medien ab: Den „Alltag“ finden wir üppig mit Renditezahlen bestückt im Immobilienteil der Tageszeitungen, aber was den Namen Baukultur verdient, in der Regel nur selten, im Feuilleton. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Fragen, die sich im Architektenalltag stellen, wiederholen sich: Wie kommt denn der an den Auftrag? Wieso kriegt ausgerechnet der einen Hochschulposten? Wie kommt es bloß, dass nach einem Wettbewerb gar nicht selten der zweite, dritte oder vierte Preis statt des ersten gebaut wird? Warum wird überhaupt wer zu welchem Wettbewerb eingeladen? Wer hat denn diese Katastrophe genehmigt? Wieso darf einer da bauen? Wieso wurde denn dort ein Einfamilienhausgebiet ausgewiesen? Was soll denn ein Gewerbegebiet an dieser Stelle? Wieso wurde hier kein Wettbewerb ausgelobt? Ja, darf denn hier jeder machen, was er will?

Erfolg – aber nicht fürs Gebaute

Nur kein Neid, bitte! Manche haben eben Erfolg, andere nicht. Aber was ist denn eigentlich „Erfolg“? Wenn es um Erfolg geht, ist leider generell der wirtschaftliche Erfolg gemeint. Manche hervorragenden Architekten haben in diesem Sinne leider wenig Erfolg – wer allerdings wirtschaftlich erfolgreich baut, ist natürlich noch lange kein guter Architekt.

Im „Spiegel“ erfahren wir mehr und lesen, was ein erfolgreicher Architekt wie Albert Speer jr., der heute in Riad, morgen in Moskau, übermorgen in Peking unterwegs ist, so anstellt für seinen zweifellos großen Erfolg. Er sei ein „engagierter Netzwerker“ und überzeugt davon, „dass ein gutes Netzwerk genauso wichtig ist wie eine gute Idee, ein guter Entwurf“. Er habe nur deshalb einen engen Kontakt zum Moskauer Bürgermeister gefunden, weil er sich ihm auf einem Empfang habe vorstellen lassen, ihm danach einen Brief geschrieben und seinen Besuch angekündigt habe. So einfach ist das, und dass Netzwerkeln und Erfolg einander herzlich zugetan sind, leuchtet sehr hübsch ein und ist ja eigentlich auch nicht neu. Aber was hat es mit Qualifikation und unserer vor allem im Alltag brachliegenden Baukultur zu tun?

Dass die Bekanntschaft des Moskauer Bürgermeisters die Qualifikation eines Architekten steigert, glaubt man kaum, aber die Aussichten auf einen profitablen Auftrag durchaus. PR-Agenten von selbstverständlich erfolgreichen Architekten raten denn auch eindringlich zum Networking. Das liege im Trend und sei eine ökonomische Größe, man könne sich einen Informationsvorsprung erwerben, sein Image aufwerten, Kontakte knüpfen, Geschäfte machen, Clubs wie Rotary und so weiter seien auch ganz gut. Der Adel sei ein geschlossenes Netzwerk. Na so ein Pech.

Netzwerke, Seilschaften

Nun gibt es leider Anlass genug, in Netzwerken Seilschaften zu erkennen, an den Hochschulen nennt man das Phänomen Flaschenzug – eine Flasche zieht die andere. Vitamin B ist daneben eine medizinisch gefärbte, edel klingende Umschreibung der Tatsache, dass unabhängig von einer sachlichen Qualifikation ein Pöstchen vergeben wird. Wo es sich den politischen Entscheidungsträgern zu nähern gilt, robben die Lobbyisten in Scharen herbei – sie sind alles, aber nicht selbstlos. Wo die Grenze zwischen legaler Interessensvertretung und krimineller Einflussnahme verläuft, weiß man nicht immer – in diesen Zonen ist vieles weder schwarz noch weiß, sondern entsetzlich grau. Als Günter Grass vor kurzem meinte, die deutsche Demokratie sei nicht durch Extremismus von rechts oder links gefährdet, sondern durch Lobbyisten – da konnte man ihm sofort beipflichten und sich mit seiner Idee anfreunden, mit einem großen Besen alle Lobbyisten aus den Parlamenten zu fegen. Übrigens lässt sich Lobbyismus lernen – zum Beispiel in der Hertie School of Governance im ehemaligen Staatsratgebäude mitten in Berlin, das für einen einzigen symbolischen Euro an die deutsche Wirtschaft verscherbelt wurde; diese School ist Mitglied im „Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland“, einem Interessenverbund auf europäischer Ebene. Man kennt sich und netzwerkelt…

Karl Ganser kann man kaum hoch genug anrechnen, dass er die Architektur, von ihren Lobbyisten befreit, als kulturelle Disziplin voranbringen wollte – sei es bei der IBA Emscher Park oder im Vorfeld der Bundesstiftung Baukultur. Da eifern wir ihm nach und begeben uns als Magazinredaktion auf unsere allwöchentliche Suche nach guter Architektur – keine Sorge: Wir fragen niemanden, ob der gedient, im BDA, in der Kammer, im Wohltätigkeitsverband oder im Schützenverein aktiv mitgewirkt hat. Liebe Architekten: Baut lieber um als neu, aber baut vor allem gut und schön.

Wir schütten ansonsten das Kind nicht mit dem Bade aus, wenn wir dazu auffordern, Seilschaften zu zerschneiden, Flaschenzüge auszuhebeln, Lobbyisten aus jenen Institutionen und Gremien und Stiftungen zu jagen, die einzig und allein der gesamten Gesellschaft, den Interessen aller ihrer Mitglieder zu dienen haben und dem Gemeinwesen verpflichtet sind.