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Blinkt grün, rattert komisch

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Marktgeschrei (15) | Wenn komfortable Technik ausfällt, haben wir ein Problem. Der Rat „Selbst ist der Mann“ ist so bedeutungslos geworden wie die volksmündliche Weisheit, die Axt im Hause ersetze den Zimmermann.

Bild: Wilfried Dechau

Geduld

„Du musst Geduld haben!“ – hieß es, wenn Kinder verzweifelten, weil das Gebastel mit Pappe, Balsaholz und Uhu nicht gelingen wollte. Es schien, als sei dieses unbefriedigende Kinderhandwerk nur dazu da, uns in der Tugend der Gelassenheit zu üben. Dabei wäre es so leicht gewesen, egal ab es sich um ein Schiffsmodell oder einen Segelflieger handelte: Man hätte nur besseres Werkzeug benötigt und eine genauere Anleitung. Dachten wir. Denn die Defizite ließen sich genau benennen: Was nicht ging, nicht passte, nicht taugte, warum es dann nicht funktionierte. Logisch. Später bosselten wir am Fahrrad herum, am Auto oder wenigstens an einem Ikea-Schrank. Bis man von seiner täglichen Arbeit so aufgefressen wurde, dass man lieber einen Handwerker bestellte, wenn der Wasserhahn tropfte.

So sieht kein Smart Home aus. Im Baubestand liegt alles offen. (Bild: Ursula Baus)

So sieht kein Smart Home aus. Im Baubestand liegt (fast) alles offen und kann notfalls repariert werden. (Bild: Ursula Baus)

Alles neu

Aber siehe da, die Monteure mit den blitzenden Werkzeugkästen, die alles zerlegen und neu zusammensetzen konnten, sind mittlerweile ausgestorben. Es wird nichts mehr repariert, es wird ausgetauscht. Schon wenn man an seinem Auto die Kühlerhaube öffnet, kommt darunter auch kein Motor mehr zum Vorschein, sondern rätselhafte schwarze Kunststoffdeckel, die fast fugenlos aneinander schließen. Sieht ein wenig nach Tupper-Party aus. Hier eine defekte Blinkerlampe auszuwechseln, ist so umständlich wie eine Darmspiegelung. Die 292-seitige Bedienungsanleitung im Handschuhfach empfiehlt deshalb dringend, eine Vertragswerkstatt aufzusuchen.

Noch hilfloser ist der Mensch, wenn sein Computer – gerne am Wochenende! – den Geist aufgibt, der garagentorgroße Fernsehempfänger mit den 400 Programmen schwarz bleibt oder sich die Tür des pyrolytisch selbstreinigenden Backofens nicht mehr öffnen lässt. Da geht Lebensqualität bestürzend schnell gegen Null, wenn am Samstagabend auch noch die Heizung ausfällt. Aus diesem Grund haben Firmen Hotlines eingerichtet, ein Notrufnetz, dem man nach der folgsamen Eingabe eines Zifferncodes eine Störung mitteilen kann: „Ja, das blinkt so grünlich und rattert, wenn man die Reset-Taste drückt. Aber nicht immer.“ Aha.

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Hier beginnt die Unübersichtlichkeit. Ein Mal falsch gestöpselt – rien ne va plus. (Bild: Wolfgang Bachmann)

Fortschritt? Nie und nimmer

Falls ein Handwerker im Laufe der Woche kommen muss, fallen zunächst einmal Fahrtkosten an, für die hätte man den Mann auch mit Chauffeur abholen können. Solche Servicetechniker werden bei firmeninternen Workshops laufend geschult, damit sie sich keine unnötigen Gedanken machen. Sie wissen welches Teil man mit einem Spezialwerkzeug auswechselt, aber weder, ob und warum es kaputt ist, noch was sich in dem kleinen grauen Metallgehäuse befindet, das jetzt durch ein neues Modell ersetzt werden muss. Das sei aber eindeutig stabiler, arbeite bei gleicher Leistung mit einer höheren Frequenz und sei vor allem zum US-Standard kompatibel. Ach, so.

Wer einmal auf einem Wertstoffhof in den Container „Elektronik“ geschaut und die sauber geordneten Berge von Rechnern, Bildschirmen, Druckern, Anrufbeantwortern, Staubsaugern, Heizlüftern, Mikrowellen, Küchenmaschinen und Bügelautomaten gesehen hat, zweifelt am Fortschrittsgedanken. Das wird alles entsorgt. Klingt wie ein medizinisches Förderprogramm. Vermutlich geht es mit EU-Subventionen nach Afrika.

Wie einfach war das noch, als wir keine Geduld hatten, aber wussten, warum etwas nicht funktioniert.