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Eine Farce


1910_REZ_GeierUnser Kolumnenautor Wolfgang Bachmann hat einen Roman über Architektur und Publizistik geschrieben. Frank R. Werner hat es gelesen und sah sich unter anderem an die Band Geier Sturzflug erinnert, die 1983 sang: „Ja jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. Wir steigern das Bruttosozialprodukt“.

Wolfgang Bachmann: Alles Geier. Eine Farce über Architektur, eine Zeitschrift und einen Verlag
avedition Stuttgart
160 Seiten, Hardcover.
ISBN 978-3-89986-300-0
19 €

Eine Buchbesprechung sollte nie mit dem Wort „ich“ anfangen. Gleichwohl hatte ich mich diebisch darauf gefreut, ihm bei der Rezension des neuesten Buches mit der gleichen spitzfedrigen leichtfüßigen Ironie zu begegnen, die seine Texte so unvergleichlich macht. Wolfgang Bachmanns neues Buch trägt den Titel „Alles Geier! – Eine Farce über Architektur, eine Zeitschrift und einen Verlag“. Es ist ein typischer Bachmann. Und gleichzeitig ein literarisches Kammerspiel, weil es auf den Leser räumlich begrenzt ein regelrechtes Gewitter aus ironietriefenden Handlungen und Slapsticks, verbunden mit subversiven Beobachtungen und Anmerkungen zur Profession des Chefredakteurs des Fachjournals BauWerk herunter prasseln lässt.
Aber schon nach wenigen Seiten Lektüre beschleicht den kundigen Leser eine zunehmende Beklemmung, bleibt ihm das Lachen buchstäblich im Halse stecken. Denn Bachmann beschreibt einen renommierten Fachverlag in Familienbesitz. Nach dem Tod des alten Patriarchen übernimmt dessen unfähiger Sprössling die Verlagsleitung. Und  weiß nichts Besseres zu tun, als die Chefredakteure der verlagseigenen Fachblätter wie BauWerk und FreiRaum mit renditebedingten Repressionen, endlosen PowerPoint-Präsentationen, nutzerorientierten Marketing-Workshops und aus dem Ruder laufenden Umerziehungscamps zu kujonieren.
Dabei haben der Verlagsyoungster der Familie Cadenbach und sein unterwürfiger Abteilungsleiter Kübler vor allem Jasper Hartmann auf dem Kieker, den aufmüpfigen Chefredakteur ihrer renommierten Fachzeitschrift BauWerk. Und Jasper alias Wolfgang rechnet mittels einer grotesken Reality-Soap gnadenlos mit einem fiktiven Arbeitgeber ab.
Wer meint, es handele sich bei dem Geschilderten um einen maßlos übertriebenen Einzelfall, der sei nur auf den Contrafin Verlag im oberschwäbischen Ächzerdingen verwiesen, bei dem es nach dem Ausscheiden des Seniorchefs fast spiegelgleich zu noch heftigeren Verwerfungen gekommen ist.
„Merke: An Architekturkritik haben die Architekten so viel Interesse wie Vögel an der Ornithologie. Im Grunde dichten wir Redakteure nur für uns selbst“. Diese deprimierende Selbsterkenntnis hält Jasper freilich nicht von einer Wertschätzung der Architekten ab. So heißt es gegen Ende des Buches: “Nur Architekten verstanden die Welt, die sichtbare und die unsichtbare, davon war Jasper überzeugt. Sie konnten sie erleben, erklären und verändern… Aber Kübler ist ein Arschloch.“
Fazit: für architekturinteressierte Laien ein höchst amüsanter Einblick in perfide und groteske Verlagsstrategien, für Insider hingegen trotz beißender Ironie Betroffenheit frei nach Jasper-Bachmanns Motto „Schwarz ohne Zucker“.