• Über Marlowes
  • Kontakt

Alles Schroeder oder was?


Nach der Realsatire „Alles Geier“ über einen „fiktiven“ Architekturbuchverlag und dem architekturaffinen Krimi  „Berührungspunkte“  hat uns Wolfgang Bachmann, der vorvorletzte Chefredakteur des Magazins „Baumeister“, nunmehr seinen dritten Roman vorgelegt. Dessen Titel „Schroeder schreibt. … fast ein Krimi“ klingt ebenso verheißungsvoll wie nichtssagend. Eines sei allerdings schon vorab verraten: Mit Architektur hat dieser Roman nur noch marginal zu tun.


Wolfgang Bachmann: Schröder schreibt. 196 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-928249-87-4, 12 Euro. (eBook 8,49 Euro). edition staub, 2021

Wolfgang Bachmann: Schroeder schreibt. 196 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-928249-87-4, 12 Euro. (eBook 8,49 Euro).
edition staub, 2021

Im Zentrum der überschaubaren Handlungsstränge steht ein gut betuchter Rentner namens Schroeder. Mit allen sprichwörtlichen Wassern beziehungsweise Rieslingen gewaschen und geistig wie körperlich erstaunlich fit geblieben, blickt er auf ein erfolgreiches Berufsleben als renommierter Lokalreporter zurück. Nach einer lang zurückliegenden Trennung von seiner besseren Hälfte hat er im ersten Stock oberhalb eines gut bestückten, alten Weinkellers für sich eine Eigentumswohnung im pfälzischen Dörfchen Gimmeldingen erworben.

Auf dem Balkon dieses Refugiums hoch über den Dächern thronend und im Verlauf der 195 Seiten gleich literweise edle Pfälzer Tropfen inkorporierend, hämmert er gleichsam zum Zeitvertreib immer mal wieder kleine Kabinettstücke in seinen Laptop. Beim Schreiben, das er lustvoll pflegt, führt er gleichsam Selbstgespräche mit sich und mit Gott und der Welt. Dabei träumt er von einem ganz großen Roman; seinem opus magnum, das er bislang aus Zeitgründen nie zu Papier bringen konnte, aber doch noch allzu gerne schreiben würde. Allein, das schlüssige Romankonzept, ganz zu schweigen von der Handlung, fehlt ihm bislang. Was ihn, den journalistischen Routinier, bisweilen mehr als depressiv macht.

Bei einem Kurzausflug zwecks Zerstreuung steuert der passionierte Radler Schröder einen Biergarten an, wo er auf einer langen Bank Platz nimmt. Ein paar Meter weiter sitzen bereits zwei blutjunge Mädels. Altmeister Schroeder, der sich eigentlich nichts aus jungen Kindfrauen macht, legt sein Notizbuch auf den Tisch und erhascht eher beiläufig zufällig wirkende Blickkontakte zu der hübscheren Älteren der beiden. Die attraktive Schöne erwidert seine Blicke. Als Schroeder nach einem Toilettengang an seinen Platz zurückkehrt, sind die jungen Damen verschwunden. In seinem Notizbuch findet er aber einen mit Herzchen versehen Eintrag: „ich finde Sie süß, Alma“. Eine Serviette mit dem Abdruck eines geschminkten Kussmundes liegt als verheißungsvolle Beilage daneben.

Tage später werden vor der Gimmeldinger Kirche zwei gelbe Säcke mit Leichenteilen entdeckt. Die örtliche Presse berichtet, dass es sich dabei um den Körper einer gewissen Alma handele; Tochter eines stadtbekannten Neonazis, die von einem unbekannten Täter mit einer Motorsäge zerteilt worden sei. Schroeder ist zunächst wie von Donner gerührt. Nach dem ersten Schock verfestigt sich bei ihm der Gedanke, die flüchtige Biergartenbegegnung mit der gleichsam vor seinen Augen ermordeten, blutjungen Alma könne zur Hauptfigur seines geplanten Romans werden. Vielleicht sogar zur Heldin eines Liebesromans. Er steigert sich so sehr in imaginierte Handlungsstränge hinein, dass er sich sogar eine Kettensäge des gleichen Fabrikats aus der beim Mord an Alma benutzten Serie kauft. Was später kurzzeitig die Kripo auf den Plan ruft.

Das Romanprojekt zehrt freilich an Schroeders Nerven und Kräften, weshalb er sich seiner gleichaltrigen, schönen Freundin Helen anvertraut. Letztere ist trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch immer ein äußerst attraktive Frau und talentierte, minimalistisch orientierte Innenarchitektin. Allerdings leidet sie an einer unheilbaren Krankheit, gegen die sie ständig Cortison nehmen muss. Schroeder liebt Helen. Aber „es hatte etwas von Altenpflege, ohne Erotik, ohne Begehrlichkeit“, lässt uns der Autor wissen.

Über das Romanprojekt und andere Umstände schliddert der topfitte Senior Schroeder, der faktisch ein unverbesserlicher Hypochonder ist, in eine existentielle Krise. Auch das Verfassen geschliffener Architekturkritiken verschafft ihm nur kurzzeitig Erleichterung. Dann nimmt der Roman plötzlich eine völlig unerwartete Wendung. Was das Leben seines Protagonisten endgültig auf den Kopf stellt. Der alte Einzelgänger, braucht auf einmal Trost. Rettung verspricht allein die bislang offene Beziehung zu seiner alten Jugendliebe Helen. Schroeder braucht zum Überleben erstmals in seinem Leben ihre körperliche Nähe. Helen stimmt zu, dass er, der Einzelgänger, dauerhaft zu ihr zieht. Sogar von Hochzeit der beiden Oldies ist alsbald die Rede. Für den ungeschriebenen Roman und seinen alten Autor rückt das Happy End somit in greifbare Nähe.

Tja, was soll man dazu sagen? Autobiografische Bezüge? Keine Ahnung, aber was soll’s auch. Ganz entfernt fühlt man sich ein wenig an „die Angst der Tormanns beim Elfmeter“ erinnert. Was unter dem Strich bleibt, das ist ein lesenswerter, mit Literaturzitaten und bildungsbürgerlichen Bezügen nur so gespickter und  geradezu genüsslich mit pfälzischem Lokalkolorit angereicherter Report über das Altwerden und die ungebrochene Kraft der Liebe. Ein humorvoller, empathischer Liebesroman der anderen Art also. Für all diejenigen, die eher bewusstlos in die Jahre gekommen sind. Oder das noch vor sich haben. Abgefasst im Bachmann-typischen Duktus, architekturfern – aber deliziös wie eine gute alte Flasche Pfälzer Weines.


Beiträge von Wolfgang Bachmann zu Architektur- und Stadtphänomenen:

2107_REZ_BCH_Titel_Kol

Kolumnen, die bei frei04 publizistik und hier bei Marlowes.de veröffentlicht worden sind.

Draußen. Das 164 Seiten umfassende Buch ist im Januar 2021 im Verlag Ille & Riemer GbR erschienen, ISBN 978-3-942090-29-2, gebunden, 20 Euro.

Drinnen. Das ebenfalls 164 Seiten dicke Buch (mit einem Vorwort von Harald Martenstein) erschien im Eisenhut Verlag, ISBN 978-3-942090-29-2, Paperback, 12,90 Euro.