Neue Bücher, die „Theorie“ im Titel tragen: Der an der FH Erfurt lehrende Günther Fischer widmet seine „Architekturtheorie für Architekten“ Vitruv. In seinem neuen Buch geht es in einer Art Parforceritt durch die Fachgeschichte, außerdem durch Geschichte und Gegenwart des Berufsbildes von Architekt(inn)en, ihrer Arbeitsfelder und Aufgaben. Letztlich macht der Autor Architektur an ihrer Gestaltqualität fest – „Tiefpunkte der Baukultur“, die gebaute Umwelt und gestalterisch belangloses Bauen gehören für ihn einfach nicht zur Architektur dazu und also auch nicht in das komplexe Gefüge eines Architekturdiskurses und damit zur Architekturtheorie. So sehr diese Schwäche des Buches zu beklagen ist, so sehr darf man es als ergänzende Einführung in die Berufsgeschichte empfehlen, deren Gegenwart jedoch nur angerissen wird. Themen wie Partizipation und Globalisierung fehlen beispielsweise. Fischer macht es sich schließlich etwas einfach, wenn er auch die Ökonomisierung des Bauens unter „Verwässerung des Architekturbegriffs“ abtut. Denn die „Auswüchse der ungebremst vor sich hin wuchernden Bauwirtschaft“ gehören schon deshalb zur Architekturtheorie, weil diese Auswüchse samt und sonders als Tätigkeitsergebnisse von Architekt(inn)en sorgfältig analysiert werden müssen. Die Zeiten der Idealisierung von Architektur als einer Variante des Guten und Schönen sind – leider – passé.
Günther Fischer: Architekturtheorie für Architekten. Die theoretischen Grundlagen des Faches Architektur. Bauwelt Fundamente Bd. 152. 218 Seiten, 30 Abbildungen, Format 14 x 19 cm, Basel, Birkhäuser, 2014, 24,95 Euro. ISBN 978-3-03821-505-9
Wie heiter und kontrovers, kenntnisreich und polemisch es derweil in den Zusammenkünften zugeht, in denen über Architekturtheorie und -praxis nachgedacht und geredet wird, läßt sich in einer jüngst erschienenen Tagungsdokumentation nachlesen. 2012 war Fritz Neumeyer, der das Fach Architekturtheorie an der TU Berlin unterrichtet hatte, emeritiert worden. Aus diesem Anlass fand eine Tagung in Berlin statt,aus der hier „Fünf Positionen zum Bauen und Denken“ zusammengetragen sind.
Werner Oechslin fragt nach der „Zielsetzung der Theorie“, Fritz Neumeyer erweist sich als optimistischer Moderator zwischen Theorie und Praxis, Arno Lederer unterhält als nachdenklicher, auch etwas frustrierter Praktiker, Hans Kollhoff lässt seinem Hass gegen die Architektur-Feuilletonisten freien Lauf – besonders möchte ich allerdings die Überlegungen des Philosophen Günter Abel zur Lektüre empfehlen: Abel plädiert dafür, eine Wissensforschung, weg von der Axiomatik, in der Architekturtheorie voranzutreiben. Statt das Verhältnis von Praxis und Theorie zu überfordern, gelte es, das Zusammenspiel unterschiedlicher Wissensformen zu analysieren. Hört sich nach Meta-Theorie an, ist es auch, aber es lohnt sich, Abels Thesen zu durchdenken.
Die oft falschen Gegensatzpositionen mancher Architekten, die Praxiserkenntnisse und Meinungen non-chalant zu einem Theoriegebäude fügen, wirken erschöpft.
Dieter Eckert (Hrsg.): Die Architektur der Theorie. Fünf Positionen zum Bauen und Denken. Band 29 der Reihe Grundlagen. Format 210 × 230 mm, 120 Seiten, 25 Abbildungen, Softcover. Berlin, DOM pub-lishers, 2014, 28 Euro. ISBN 978-3-86922-263-9
Ute Poerschke untersucht in einer Art Begriffs- und Rezeptionsgeschichte die Facetten der „Funktion“ seit der Antike, architekturbezogen seit Carlo Lodoli (1690-1761) bis hin zu den Algorithmen der Gegenwart. Die Autorin weist auf drei Aspekte des Begriffs in der Architektur: das Ganze einer Architekturaufgabe, die wichtigen Teile und das Zusammenwirken von Teilen und Ganzem. Mithin wird die „Funktion“ von Architektur aber auch im Sinn der Instrumentalisierung für architekturfremde Zwecke deutlich.
Für die Gegenwartsarchitektur erkennt Poerschke eine Gefahr: „Während … der Funktionsbegriff in allen Wissenschaften weiterentwickelt wurde, lastet ihm im Architekturdiskurs eine reduktive, schematisch-utilitaristische Bedeutung an“ (Seite 256). Manuel Castells habe eindrücklich gezeigt, wie unterschiedlich der funktionsorientierte Raum der Netzwerke, in dem Energie, Materie und Informationen fließen, und der formorientierte Raum gebauter Orte sei; und dass dieser Unterschied uns zu gespaltenen Persönlichkeiten mache, weil wir an beiden Räumen teilhaben.
Ute Poerschke: Funktionen und Formen. Architekturtheorie der
Moderne. 282 Seiten, zahlreiche Abbildungen, kartoniert. Bielefeld, transcript Verlag, 2014, 34,99 Euro. ISBN 978-3-8376-2315-4
Last but not least: Candide, die „Zeitschrift für Architekturwissen“, widmet sich in ihrer 8. Ausgabe vier Wegen des Forschens: der ethnografischen Feldforschung, der Rezeptionsgeschichte, der analytischen Begriffsbestimmung und dem fiktionalen Szenario. Die Spurensuche führt u. a. nach Japan, wo traditionelle Wohnformen verschwinden. Außerdem zu Mies van der Rohe, dessen Bauten immer wieder provozieren, und zu anregender Beschäftigung mit Werken und Worten von Hermann Czech.
Candide No. 8: Stuttgart, Hatje Cantz Verlag, 2014, 134 Seiten, 58 Abbildungen, Format 17,2 x 24,2 cm, Broschur, 19,80 Euro. ISBN 978-3-7757-3654-1