Um beidseitig einer Straße gelegene Werksgelände miteinander zu verbinden, ließ das Ditzinger Unternehmen Trumpf Lasertechnik einen Fußgängersteg bauen. schlaich bergermann partner wurden mit einem entsprechenden, experimentellen Entwurf beauftragt, in dem auch das Knowhow des Weltmarktführers zur Geltung kommt.
»Stell Dir vor, man schlägt von einem Widerlager zum anderen einen Bogen in der Breite eines Steges, legt dann einen Nylonstrumpf darüber und zieht ihn an vier Ecken stramm. Dann hast Du die Abbildung der Form, die ich mir für die Brücke vorstelle. Das Ganze natürlich nicht aus Nylon, sondern aus Edelstahl, zwanzig Millimeter dick – entlang der Spannungstrajektorien von Löchern so durchsiebt, dass als Tragwerk eine netzartige Schale übrigbleibt.«
Damit schließt sich der Kreis zum Bauherrn Trumpf, denn die Löcher wurden nicht etwa gesägt oder gebohrt, sondern mit Lasertechnik geschnitten – also mit einer Technik, mit der die Firma längst zum Weltmarktführer avancierte.
Gestaltfindung und -werdung
Mike Schlaichs plastische Erläuterungen zur Gestaltfindung machten neugierig auf die Gestaltwerdung. Ich hatte die Chance, mit der Kamera bei der Entstehung dieses ungewöhnlichen, aufregend schönen Bauwerks dabei sein zu können.
Das Laserschneiden erfolgte im niederländischen Aalten und in Dinklage. Natürlich an einzelnen, noch gut handhabbaren und transportablen Blech-»Flicken«, die in Stralsund erst in Form gebracht, das heißt, gebogen und dann miteinander zu vier Brücken-Vierteln verschweißt wurden – gerade eben noch klein genug, um auf die Baustelle nach Ditzingen transportiert werden zu können.
Dort wurden sie im Schutz eines Baustellen-Zeltes zusammen mit den Blechen des Laufbereichs zum vierbeinigen Tragwerk verschweißt. Anschließend konnten die 14300 etwa flaschenhalsgroßen Löcher im Laufbereich in Gedulds- und Fleißarbeit mit Glasstopfen versehen werden, die zunächst etwas hervorlugten, um dann mit der später aufgebrachten Beschichtung eine Ebene zu bilden.
Am 26. Mai war es so weit. Ein riesiger Autokran stand bereit, um die fertige Brücke in ihre endgültige Lage zu hieven.
Die Fundamente für die kugelförmigen Lager der vier Schalen-»Beine« und die beiden Endauflager für die Lauffläche standen bereit. Maßarbeit! Mittags hing die Schale noch in der Luft, am Nachmittag konnte man bereits über die Brücke gehen. Allerdings noch ohne die Glasgeländer. Die wurden erst in der darauf folgenden Woche montiert.
Die Brücke verbindet zwei durch eine Ortszufahrtsstraße voneinander getrennte Bereiche des Trumpf-Werksgeländes. Sie ist nicht öffentlich. Ihre Benutzung ist den Werksangehörigen vorbehalten. Öffentlich kann man nur ihren Anblick genießen – vom Auto aus, wenn man nicht gar zu schnell fährt, mit etwas mehr Muße vom Fahrrad aus oder als Fußgänger. Unter der Brücke hat man einen atemberaubend schönen Blick auf die kunstvoll durchlöcherte Schale. Doch der allerschönste Blick ist leider nicht öffentlich:
Abends, in der blauen Stunde, beginnt die Lauffläche der Brücke, von unten angestrahlt, wie ein Sternenhimmel zu leuchten. Das ist wirklich fantastisch. Und das ist auch der Grund, weshalb die Brücke, als Zweit- oder Dritt-Version, zum Beispiel als Teil einer Gartenbauausstellung, eine große Öffentlichkeit verdient.
Fußgängerbrücke
Ditzingen,
Bauingenieure
schlaich bergermann partner, Stuttgart
Mike Schlaich, Mathias Nier, Frank Schächner, Christiane Sander, Stephanie Thurath, Ria Dierichen, Ron Behnke
Architektonische Beratung
Barkow Leibinger, Berlin
Ausführung
Franz Prebeck