Dieses Jahr wird Jürgen Habermas anlässlich seines 95. Geburtstages vielfältig geehrt – und vor allem wird an seine 1962 erschienene bahnbrechende Analyse zum „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ erinnert. Es ging ihm damals um die bürgerliche Öffentlichkeit. Bemerkenswert ist, dass sich nun im 2021 veröffentlichten Sammelband „Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit“ Habermas erneut zu Wort meldet, und zwar mit „Überlegungen und Hypothesen zu einem erneuten Strukturwandel der politischen Öffentlichkeit“. Eingedenk der aktuellen Demokratiekrisen gewinnt das Thema an Brisanz, denn wo ist noch eine als solche benennbare „Öffentlichkeit“ zu finden, wenn sich die MitbürgerInnen in Blasen bei Facebook, Instagram, Tiktok, X und wer weiß wo versammeln, um das Allermeiste außerhalb ihrer jeweiligen Blase zu ignorieren? In vier Abschnitten – Kommodifizierung, Globalisierung und Differenzierung, Digitalisierung, Öffentliche Sozialwissenschaften – wird das derzeitige Verhältnis von Öffentlichkeit und Demokratie ausgelotet: von kommunikationstechnischen, ideologisch-politischen über medientheoretischen bis hin zu methodisch-wissenschaftlichen Aspekten ist zu lesen. Die gegenwärtige „dysfunktionale Verfasstheit politischer Öffentlichkeit“ liegt allen Beiträgen zugrunde.
Das Dilemma ist tatsächlich, dass – wie schon Adorno formuliert habe – Öffentlichkeit und Demokratie „miteinander verklammert“ sind. Aber wie steht es um „Organisation und Funktionsweise“ der politischen Öffentlichkeiten?
Zur Entwicklung digitaler Kommunikationsweisen findet sich in dem Buch eine Fülle sorgfältiger Analysen, die die Parameter in den Vordergrund rücken, mit denen die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit(en) in Echokammern, Filterblasen gesteuert wird. Habermas resümiert zur Gegenwart: „Ein demokratisches System nimmt im ganzen Schaden, wenn die Infrastruktur der Öffentlichkeit die Aufmerksamkeit der Bürger nicht mehr auf die relevanten und entscheidungsbedürftigen Themen lenken und die Ausbildung konkurrierender öffentlicher, und das heißt: qualitativ gefilterter Meinungen, nicht mehr gewährleisten kann“. Es sei „ein verfassungsrechtliches Gebot, eine Medienstruktur aufrecht zu erhalten, die den inklusiven Charakter der Öffentlichkeit und den deliberativen Charakter der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung ermöglicht“. Ein paar Jahre später zeigt sich leider genau, dass den Demokratien der Boden entzogen wird, wenn eben dies unterbleibt.
2023 zeigte die Düsseldorfer Architekturgalerie Nidus eine Ausstellung, zu der nun die Dokumentation vorliegt: „Das Haus im Buch“ heißt es, es geht also nicht um das Buch, sondern um das Haus beziehungsweise die Häuser, die in einem Buch vorgestellt werden. 66 Beispiele kamen zusammen. Wer denn nun gefragt wurde, erschließt sich aus persönlichen Kontakten und Vorlieben der Herausgeber, dabei sind Regula Lüscher und Reiner Nagel, Marlene Taschen und Matteo Thun und viele andere. Von den Angefragten wurde auch eine kurze Begründung erbeten, die in der Dokumentation bildlich wiedergegeben ist, um mit der jeweiligen Handschrift etwas Authentizität des Urteils anzudeuten. Ganz überwiegend wählten die Gefragten Bücher, deren Inhalte beziehungsweise Themen sie wertschätzen. Scarpa, Zumthor, Moore, Hejduk und einzelne Häuser wie Corbusiers Haus am Genfer See für seine Eltern dominieren. Florian Nagler schaut zur Inspiration gern in Bernhard Rudofskys „Architektur ohne Architekten“, Tanizakis kryptisch-atmosphärischer Essay „In Praise of Shadows“ von 1933 ist gleich doppelt erwählt. Florian Illies entschied sich für Literatur von Herman Bang, Felix Krämer für Emile Zola – diese Wahl erinnert an „Architektur, wie sie im Buche steht“, einer Ausstellungsdokumentation von Winfried Nerdinger, der sich 2006 mit Architektur als Thema der Weltliteratur befasst hatte.
Ums schöne Buch an sich geht es auch hie und da – doch wie erwähnt überwiegt die Bewunderung für die Werke anderer ArchitektInnen, die durchweg als Architektur- oder Baukünstler in Erinnerung sind.
In den meisten Fällen ergänzen nur Titelabbildungen die Buchwahl, seltener eine mehr oder weniger typische Doppelseite aus dem erkorenen Buch. Alle Buchfreunden mag das Buch darüber hinwegtrösten, dass die Digitale Natives lieber auf den Bildschirm oder aufs Handy schauen als ein Buch aufzuschlagen. Die Reading Few und die Privatbibliotheksbesitzer dürften alles kennen, was hier zusammengetragen ist. Ein Abgesang fürs Gedruckte ist das Buch allerdings nicht, sondern eher eine kleine Aufmunterung.