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Raumspekulationen

2504_cFrizziKrellaDer aus Aberdeen stammende Künstler Colin Ardley hat sein Atelier seit 1992 in Hellerau. Nach der ersten Einzelausstellung 2004 folgt nun in der Werkstättengalerie der Deutschen Werkstätten eine zweite große Präsentation seiner abstrakten Kunst, die Räume anders erschließt als üblich. Zu sehen ist die Ausstellung bis 11. April 2025.

oben: Installation von Colin Ardley (Foto: Frizzi Krella)

Von den „Deutschen Werkstätten“ (DW) in Dresden-Hellerau gingen seit ihrer Gründung 1898 stets wichtige Impuls für die Entwicklung der Moderne aus. Ihre Produktionen sind mit dem Werk von Architekten und Kunsthandwerkern wie Richard Riemerschmid und Heinrich Tessenow ebenso verbunden wie nach 1945 mit den Möbelentwürfen von Franz Ehrlich und Selman Selmanagić. Seit 1991 liegt der Schwerpunkt der Produktion bei hochwertigen Innenausbauten von Jachten.

Experimentelle Raumerkundungen – Colin Ardley stellt im eigenen Atelier aus. (Bild: Jürgen Tietz)

Experimentelle Raumerkundungen – Colin Ardley stellt im eigenen Atelier aus. (Bild: Jürgen Tietz)

Auf einer Ausstellungsfläche mitten im Zentrum der DW kuratiert der gebürtige Schotte Colin Ardley seit über 30 Jahren Ausstellungen, die Raum für die unterschiedlichsten zeitgenössischen künstlerischen Positionen eröffnen. Nun ist er gleichsam bei sich selbst zu Gast und stellt unter dem Titel „Transition II“ in einer Retrospektive eine Auswahl seiner abstrakten Arbeiten aus, die seit den späten 1970er Jahren entstanden sind.
Ardley, der Malerei in Aberdeen und Manchester studiert hat, arbeitet an der Schnittstelle von Architektur, Skulptur und Malerei. Er schafft komplexe, dreidimensionale Raumgebilde, Archiskulpturen, die er zumeist aus Holz und Papier anfertigt und die wie vielschichtige Collagen aufgebaut sind. Dabei fügt Ardley unterschiedliche Flächen additiv an- und aufeinander, verschachtelt und versetzt sie, so dass ein ebenso fragil wie filigran anmutendes Gleichgewicht entsteht. Die meisten Arbeiten Ardleys sind an wenigen Punkten an der Wand befestigt, manche stehen auf Sockeln, nur wenige sind für eine Aufstellung auf dem Boden konzipiert. Allen gemein ist ihr organischer – freilich nicht amorpher – Charakter. Ihn gilt es in der Bewegung zu erkunden: In dem man sich Stück für Stück an den Arbeiten vorbei bewegt, verändert sich ihr Charakter, eröffnen sich neue Perspektiven. Die gegen- und miteinander gesetzten Flächen erzeugen komponierte Räume, die scheinbar die Geometrie des Euklid überwinden.

Installation von Colin Ardley (Foto: Atelier Ardley)

Installation von Colin Ardley (Foto: Atelier Ardley, Lothar Sprenger)

Neben farbigen Skulpturen, die er mit bunten Papieren überzieht, dominieren monochrome Arbeiten in Weiß sowie seit jüngstem in Schwarz. Dabei erzeugen die weiß lasierten Arbeiten im Wechsel des Lichts facettenreich schattierte Raumerfahrungen. Während der Coronazeit entstand eine schwarz gefasste Werkgruppe auf rundem Grundriss. Ardley hat sie nicht in den Raum hinaus entwickelt, sondern in die Tiefe geschichtet nach innen. Es entstehen Abgründe, Schwarze Löcher.

Deutliche Unterschiede kennzeichnen die Abmessungen seiner Werke. Während sich einige Arbeiten wie dreidimensionale Malereien über eine ganze Wand entwickeln, sind andere Arbeiten kompakt. Doch bei eingehender Betrachtung überraschen sie durch ihre innere Monumentalität, die ganz unabhängig von ihrer absoluten Größe (oder Kleinheit) ist.

Ardley versteht sich selbst als Konstruktivist. Seine Arbeit verortet er dichter an der Malerei als an der Skulptur. Manche seiner Archiskulpturen würde man sich als großformatige begehbare Architekturen wünschen. Doch das scheitert an den (statischen) Grenzen, die durch sein bevorzugtes Material Holz gesetzt werden. Gleichwohl hat Ardley in Zusammenarbeit mit dem Berliner Architekten Hermann Scheidt auch großformatige Arbeiten für den öffentlichen Raum gestaltet.

Das Atelier von Colin Ardley. (Bild: Atelier Ardley)

Das Atelier von Colin Ardley. (Bild: Atelier Ardley, Lothar Sprenger)

Wer die Werkhalle verlässt, der begegnet auf dem historischen Areal der Deutschen Werkstätten einer dieser Arbeiten: „Genius Loci“ von 2010. In Erinnerung an eine abgebrochene Brückenkonstruktion verbindet die Stahl-Aluminium-Skulptur zwei historische Bauteile miteinander. Schwebend leicht und viereinhalb Tonnen schwer, drückt sich in „Genius Loci“ die Vielsichtigkeit und sympathische Komplexität von Colin Ardleys Raumspekulationen aus, die sich aus der Ambivalenz von Spannung und Gleichgewicht speisen.


Ausstellung bis 11. April 2025 in den Deutschen Werkstätten Hellerau, Mo-Fr 9:00 – 16:00, nicht an Feier- und Brückentagen

https://www.dwh.de/veranstaltungen/ausstellung-colin-ardley-transition-ii