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Stromabwärts

Energiewende im kleinen Stil (Bild: Christian Holl)

Energiewende im kleinen Stil (Bild: Christian Holl)


Stilkritik (56) | Energieeinsparen berührt auf den ersten Blick auch eine ästhetische Kategorie. Es beginnt mit den unverträglich auf alten Dächern montierten Solaranlagen und endet mit der Kompaktleuchtstofflampe in der Bauernstube. Vor allem aber steckt dahinter ein Geschäft. 


Energetisch ertüchtigt, Symmetrie erhalten – Architektur futsch (Bild: Christian Holl)

Energetisch ertüchtigt, Symmetrie erhalten – Architektur futsch (Bild: Christian Holl)

Wir erinnern uns, wie lausig das aussah, wenn der Hausmeister in unserer Schule eine Leuchtstoffröhre ausgewechselt hat. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hatte sie eine andere Farbtemperatur und eine andere Helligkeit als die vorhandenen Röhren. Inzwischen wissen wir, dass es mit der übereinstimmenden Lichtfarbe nicht getan ist, sondern jeder Hersteller seine Produkte mit verwirrenden Attributen deklariert und die Verkäufer in Baumärkten … – aber das ist eine andere Geschichte.

Leuchtmittel statt Licht

Nur: Das war erst der Anfang. Inzwischen gibt es unter der Prämisse „Energieeinsparung“ ein endloses Angebot an Leuchtmitteln. Werden sie ausgetauscht, genügt es den Kunden schon, wenn die neue Lampe in die alte Fassung passt und als Zugabe weniger Verbrauch verspricht. Die Gastwirte haben es vorgemacht, als sie ihre rustikalen gelbglasigen Pendel und kugelbestückten Kronleuchter mit Energiesparlampen versahen. Das gab Licht wie im Luftschutzkeller, und es sah zum Fürchten aus. Mit Halogen- und LED-Technik hat sich das Problem vervielfacht. Gewissenhafte Hausbesitzer freuen sich inzwischen über jede defekte Glühbirne, die sich durch Leuchtdioden ersetzen lässt, denn alle intakten Lampen auf einmal in den Müll zu werfen, das entspricht gerade nicht dem Gebot der Nachhaltigkeit.

Nichts mehr zu retten ... (Bild: Christian Holl)

Nichts mehr zu retten … (Bild: Christian Holl)

Wohin mit dem ganzen Strom?

Es geht also ums Energiesparen. Fein, wenn deshalb der Strom vom eigenen Dach kommt und man den Kindern nicht einbläuen muss, immer das Licht auszuschalten, wenn sie ihr Zimmer verlassen. Mittlerweile werben einige Stadtwerke, ihren Abnehmern gegen eine moderate monatliche Gebühr eine Photovoltaikanlage kostenlos zu montieren. Man verspricht sich damit Kundenbindung, denn der Wechsel des Anbieters gehört heute zur Praxis kritischer Kunden.

Außerdem sind die Anlagen-Hersteller selbst aktiv und schicken ihre Handelsvertreter werbewochenweise übers Land. Fast hätten wir auch einen Beratungstermin bekommen. Aber dann hat der Außendienstler noch einmal angerufen. Er wollte wissen, wie hoch unser Stromverbrauch sei. Ließ sich – ungläubig – unsere Jahreskilowattsumme noch einmal wiederholen und prustete los: Was wir denn mit einer Solaranlage wollten? Bei dem Bisschen Verbrauch, das würde sich doch nie amortisieren. Und sagte den Termin ab.

1827_SK_Solar_5_chJetzt haben wir doch ein schlechtes Gewissen: Wir verweigern uns dem produktiven Energiesparen durch altmodische Einschränkung beim Verbrauch! Das ist unsozial, so kriegt man den technologischen Wandel nie in den Griff. Wenn wir schon nachts keinen Tesla aufladen, könnten wir wenigstens unser Haus anstrahlen und elektrisch heizen, damit sich das Energiesparen lohnt.

Auf jeden Fall muss es bei den Glühbirnen bleiben!