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Zu neuen Ufern


2015_REZ_Burgard_BCHDas Who-is-who der seinerzeitigen Architekten ist am Frankfurter Museumsufer versammelt: Meier, Ungers, Peichl, Behnisch und andere. Doch vor allem war das so genannte Museumsufer ein Stadtsanierungsprojekt, politisch initiiert, couragiert realisiert und von einer kompetenten Verwaltung begleitet. Roland Burgard blickt als Beteiligter zurück.

Roland Burgard: Das Museumsufer Frankfurt. Architekten und Bauten. 176 Seiten, 28 x 22 cm, über 300 Abbildungen, Birkhäuser, 34,95.
ISBN 978-3-0356-1896-9

Berlin hat eine Museumsinsel, Wien ein Museumsquartier und Frankfurt eben ein Museumsufer, wobei sich die Kulturmeile nur in Sachsenhausen, wo man ehemalige Bürgervillen arrondieren konnte, in Sichtweite des Mains entwickelte, während die Kulturbastionen gegenüber eher mit dem Geflecht der Innenstadt verwoben sind. Aber der einprägsame Begriff hat sich dennoch etabliert und dient deshalb als Buchtitel. Der Autor, Roland Burgard, ist mit den Architekten und Bauten der Frankfurter Museen bestens vertraut. Er bekleidete verschiedene Positionen im Hochbauamt der Stadt, in den 1990er Jahren als dessen Leiter, bevor er 1998 einem Ruf an die „Angewandte“ nach Wien folgte.

Burgard erzählt sine ira et studio die „Entstehung des Museumsufers“ seit dem 19. Jahrhundert. Wer diese Genese in der jüngsten Gegenwart miterlebt und mitbeschrieben hat, wird an viele Details erinnert, an denen sich einmal hitzige Debatten entzündet haben. Man musste in den achtziger Jahren nur das Wort „Postmoderne“ aussprechen, um unter Kollegen einen Bekenntnisstreit loszutreten. Jetzt kann der Autor, ohne die Animositäten völlig zu unterschlagen, bei der Erläuterung der zwölf Museumsbauten als elder statesman die Baugeschichte und ihre maßgebenden Akteure an sich vorüberziehen lassen. Wir jungschen Schreiber hatten seinerzeit mit glühenden Backen versucht, uns mit originellen Kritiken zu übertreffen – das braucht Burgard nicht. Er erklärt die Gebäude leidenschaftslos, muss dazu keine Metaphern quälen, sondern liefert Erkenntnisse, die einem mitunter gar nicht aufgefallen waren. Vor allem hat er den Abstand, die Voraussetzungen und Folgen des Planens sowie den Städtebau zu berücksichtigen, was wir eilige Journalisten nicht leisten konnten. Burgard meldet sich aus der Architekturvermittlung, nicht aus dem kritischen Feuilleton.

Roland Burgard sprach bereits 2005 mit Oswalt Mathias Ungers, dem Architekten des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt. (Bild: aus dem Buch)

Roland Burgard sprach bereits 2005 mit Oswalt Mathias Ungers, dem Architekten des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt. (Bild: aus dem Buch)

Zu jedem vorgestellten Museumsgebäude folgt ein Interview mit den verantwortlichen Architekten. Bei den inzwischen verstorbenen Kollegen liegen die Begegnungen länger zurück, die meisten fanden aber in den letzten drei Jahren statt, sogar Richard Meier wurde in New York besucht. Dabei geht es vor allem um die Persönlichkeit, um die Haltung und Arbeitsweise der Architekten, nicht um eine Rechtfertigung für die konkrete Bauaufgabe in Frankfurt. Eigentlich sind es keine Interviews, es handelt sich um Gespräche, bei denen der Fragesteller nicht weniger mitzuteilen hat als der Befragte. Burgard ist kein Journalist, er stellt keine Fallen, belästigt nicht mit Nachhaken, führt keinen vor. Und dennoch setzen sich unangestrengt Porträts zusammen, man erfährt, welch unterschiedlicher Schatz an Wissen, Bildung und Talent in den Architekten ruht.

Es folgt ein kurzer Abriss über weitere Frankfurter Museen, Häuser und Einrichtungen, von denen man zum Teil noch nie gehört hat. Und schließlich unternimmt der achtundsiebzigjährige Roland Burgard noch einen Ausblick zu Aufgaben, Typologie und Orten für künftige Museen. Chapeau!

 

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