Drei Publikationen rufen die Kontinuität im Zusammenwirken von Architekten und Ingenieuren ins Gedächtnis. Unterschiedliche Leserkreise im Blick, spannen sie einerseits die Bandbreite der literarischen Vermittlung und andererseits die Vielfalt des Themas auf – Neues und Bekanntes zu Breuer und Nervi, Hermkes und Finsterwalder, Schinkel und Beuth.
Marcel Breuer
Das Ansehen von Marcel Breuer (1902-1981) verblasste nach seinem Tod rasch. Inzwischen ist aber nicht nur seinen puristischen Möbeln, sondern auch seiner Architektur Aufmerksamkeit zuteil und Anerkennung gezollt worden, so zum Beispiel in den Monografien von Isabell Hyman und Robert McCarter.1) Voraussetzung für das jetzt vorliegende Buch war jetzt unter anderem, dass das > Marcel Breuer Archiv der Universität Syrakus digitalisiert und zugänglich ist.
Vor allem die großen Bauten – die UNESCO in Paris (1958) oder die Saint John’s Abbey in Collegeville/ Minnesota (1962) – charakterisiert der Architekturhistoriker Bergdoll in ihrer eigenwilligen „heavy lightness“, die Breuer für Großbauten prädestinierten. Andere Autoren heben die Bedeutung von Elementen Breuers „anticillary strategy“ hervor, mit der er – etwa beim Vordach des UNESCO-Gebäudes – im Sinne von Venturis „dekorierten Schuppen“ agiert habe. War Breuer gar ein Formalist? Bemerkenswert sind methodische Ansätze der AutorInnen, wenn beispielsweise die Rolle der Bürokratie im internationalen Architekturgeschäft hervorgehoben wird. Als Tragwerksplaner hatte Marcel Breuer Pier Luigi Nervi zur Seite, doch bezweifelt der Autor – der Tragwerksplaner Guy Nordenson –, ob Breuer Nervis Konstruktionsverständnis begriffen habe. Im reich illustrierten Buch springt ins Auge, wie vielfältig und expressiv Breuer seine Großbauten gestaltet hat – Brutalismus in seinen schönsten Anfängen.
Bernhard Hermkes
Bernhard Hermkes (1903-1995) war Zeitgenosse Breuers, internationale Bekanntheit hat er allerdings bislang nicht erreicht, erst 2003 wies eine Ausstellung mit dem Titel „Facetten eines Lebens“ mit Katalog erstmals auf sein Gesamtwerk.2) Das jüngste Buch nutzt zwar wichtige Archive3), wegen der stark von Hermkes selbst zensierten Archiv-Bestände ist nun die schlüssige Monographie besonders hervorzuheben.
Bernhard Hermkes war in Simmern (Hunsrück) geboren, lebte ab dem fünften Lebensjahr als Bruder von zwei Schwestern in Remscheid und studierte Architektur in München (Theodor Fischer), Berlin (Hans Poelzig) und in Stuttgart (Paul Bonatz). 1924-25 arbeitete er in seiner Wahlheimat Hamburg bei Bensel & Kamps, wechselte 1926-35 aber nach Frankfurt am Main, wo Adolf Meyer das Industriebauamt leitete. Wie andere Architekten seiner Generation landete er, der nie in der NSDAP war und für jüdische Bauherren gebaut hatte, während des Nationalsozialismus in der „Nische des Industriebaus“, war 1939 wieder in Hamburg und baute das MAN-Motorenwerk am Hafen. Nach 1945 arbeitete Hermkes beim Wiederaufbau mit, wobei sein Oeuvre vom Siedlungsbau Volksparksiedlung Köln über die Doppelhaussiedlung Karl-Jacob-Straße (Hamburg) bis zu Großbauten wie der Großmarkthalle in Hamburg (mit Gerhart Becker und Ulrich Finsterwalder) oder den TU-Bauten am Berliner Ernst-Reuter-Platz reichte.
Bernhard Hermkes gelang, was selten ist, eine hochwertige, exzellente Architektur im Großen wie im Kleinen und wohnte auch in einem selbst gebauten, modernen Haus.
Als Mensch, so wenig lässt sich sagen, war er wohl unangenehm, ein schwieriger Charakter. Ehrgeizig, egozentrisch – wobei es dem Autor unmöglich war, Kontakt zur Familie aufzunehmen. Als Inhaber des Lehrstuhls für Baukonstruktion an der TU Berlin hatte Hermkes auch einen Ingenieur – Hans-Joachim Stegemann – als Dozent. Hermkes schätzte die Konstruktion als Teil der Architektur sehr hoch – der Untertitel des Buchs, „Konstruktion der Form“, suggeriert allerdings die Priorität der Form. In der Hermkes-Textsammlung, die dem Buch beigegeben ist, wird allerdings deutlich, dass Architekt und Ingenieur und auch Bauherrschaft von Hermkes in gleicher Bedeutsamkeit sah.
Das Buch breitet ein Panorama des Bauens im 21. Jahrhundert aus, das in nachkriegsmoderner Zeit gerade bei Bernhard Hermkes eine konstruktionsschlüssige Formenvielfalt besonderer Qualität aufweist und ihn in die Reihe mit Hans Scharoun (1893-1972) und Egon Eiermann (1904-1970) rückt.
Karl Friedrich Schinkel und
Christian Peter Wilhelm Beuth
Die zum zweiten Mal aufgelegte Publikation ist eher ein Heftchen als ein Büchlein, aber auch hier geht es um Architekt und einen Vertreter einer anderen, fürs Bauen wichtigen Disziplin. Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) und Christian Peter Wilhelm Beuth (1981-1853) verband eine lebenslange berufliche und private Freundschaft, und dem Autor gelingt es hervorragend, diese Freundschaft in ein wirtschafts- und kulturwissenschaftliches Panorama einzubetten. Schinkel und Beuth lernten sich früh, vor den beruflichen Aufstiegen kennen, und der Kunsthistoriker Gustav Friedrich Waagen (1794-1868), der Schinkel auf eine Italien-Reise begleitet hatte, charakterisierte sie so: „Schinkel sei der Idealist und schöpferische Geist, Beuth der Realist und Geschäftsmann gewesen“.
Reinhard Wahren rückt zumindest Beuths Kennzeichnung zurecht, der dessen Kenntnisse und Tatkraft für die Entstehung von Schinkels Bauten und vor allem sein Wirken als Direktor des von ihm gegründeten Gewerbeinstituts deutlich höher bewertet. Beuth und Schinkel reisten viel gemeinsam und bewirkten in Staatsdiensten einen Schub vor allem im Bereich der Industrialisierung. Das alles liest sich in diesem kleinen, elegant geschriebenen Band sehr gut, eine Berlin-Karte mit verzeichneten Schinkel-Bauten verleiht ihm auch eine praktische Funktion.
Beuths Antisemistismus
Zu Beuth ist anzumerken, dass ihm in neueren Forschungen ausgeprägter Antisemitismus vorgeworfen wird. Am 23. Januar 2020 haben die Mitglieder der Akademischen Versammlung deswegen für eine Umbenennung der Beuth Hochschule für Technik Berlin gestimmt. Zum Stand der Beuth-Bewertung und neuen Namensgebung informiert die > Website der Hochschule.
1) Isabelle Hyman’s Marcel Breuer, Architect: The Career and the Buildings (2001) and Robert McCarter’s Breuer (2016)
2) Inken Baller, Gisela Schmidt-Krayer: Facetten eines Lebens, 1903-1995. Zum 100. Geburtstag von Bernhard Hermkes BTU Cottbus 2003.
In zahlreichen Veröffentlichungen befassten sich unter anderen Olaf Bartels und Ulrich Höhns mit Hermkes und seiner Rolle in der Nachkriegsmoderne.
3) 1991 überließ Hermkes sein Archiv der Akademie der Künste Berlin, er hatte es zuvor „persönlich geordnet“. Er hatte Werke eliminiert oder mit wenigen Bildern dokumentiert, außerdem die gesamte Korrespondenz zu den Projekten vernichtet.