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Stilkritik (96) | Wachablösung beim Baumeister. Jetzt weiß man zumindest, wer die Stafette von Alexander Gutzmer übernommen hat. Die Rolle für Fachzeitschriften ist auch in Boomzeiten der Fakenews nicht zu unterschätzen. Chefs kommen und gehen, die Redaktionen sorgen derweil für Kontinuität. Der Autor wirft einen Blick auf den „Baumeister“, den er einmal als Chefredakteur leitete.

oben: Im aktuellen Baumeister wird auch der Zirmerhof in Südtirol vorgestellt. (Bild: Baumeister, Max Rommel)

Die November-Ausgabe des "Baumeister" ist dem Bauen mit Holz gewidmet.

Die November-Ausgabe des „Baumeister“ ist dem Bauen mit Holz gewidmet.

Es gilt wohl als unumstößliche Gesetzmäßigkeit: Jeder ehemalige Chefredakteur betrachtet seinen Nachfolger als Taugenichts, als ahnungslosen, oberflächlichen Zeitgenossen, der von den ernsthaften Herausforderungen des Berufs keine Ahnung hat, der nicht mal schreiben kann und besser als Tierstimmenimitator sein Brot verdienen sollte. Ich weiß, worum es geht, ich habe bei der Bauwelt und beim Baumeister diese Häutungen aus nächster Nähe erlebt.

Projektübersicht im aktuellen Baumeister (Bild: Marlowes)

Projektübersicht im aktuellen Baumeister (Bild: Marlowes)

Aber zunächst ist diese tiefe Abneigung gar nicht unsympathisch. Ein/e Journalist/in in solcher Verantwortung füllt nicht belanglos Druckseiten, sondern engagiert sich über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus persönlich und mit ganzer Kraft für „seine / ihre“ Zeitschrift, die mit verbriefter „redaktioneller Verantwortung“ entsteht. Und da sich kreative Individuen nur sehr zufällig ähnlich sind, führt so ein Stabwechsel oft zu einer völlig anderen Zeitschrift. Das ist meist gravierender als ein unter Marketinggesichtspunkten etwa alle sieben Jahre absolvierter Relaunch.

Nun ist es beim Baumeister wieder soweit. Im 2020er April-Heft verabschiedete sich Alexander Gutzmer. Wer sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin wird, hat er nicht verraten. Auch die Redaktion ließ man im Ungewissen. Sollte die Chefredakteurs-Position eventuell eingespart werden? Mit dem Mai-Heft hatte der Verleger selbst den Job übernommen. Er brachte vermutlich keine schlechteren Voraussetzungen mit als guz, der inzwischen Marketing für den Immobilienvestor „Euroboden“ macht. Und er schien sich wieselflink in das Architekturmetier eingearbeitet zu haben.

Allerdings: Im Januar war eine rätselhafte Verlags-Anzeige für einen m/w/d-Redakteur „insbesondere der Marke BAUMEISTER“ aufgefallen. Gesucht wurde ein Mitwirkender für den „Content Hub Architecture, City, Landscape“. Der Ausschreibungstext sprühte vor Unsinn. Gesucht wurde kein Fachredakteur, der Ahnung von und Leidenschaft für Architektur mitbringt, sondern ein vielseitig verwendbarer, hipper Medienfuzzy. „Ausgefallene Texte gehen dir locker von der Hand“, hieß es da salopp. Es sah so aus, als würde damit ein Personalkarussell angeschoben, aus dem man später den künftigen editorial director aussortieren wollte. Fast hätte ich mich beworben, allein um zu erleben, ob man schon beim Vorstellungsgespräch das in der Anzeige gepflegte IKEA-Du gegenüber seinem künftigen Arbeitgeber anwenden darf.

Editorial des Bauimeister 11/2020 von Sabine Schneider

Editorial des Baumeister 11/2020 von Sabine Schneider

Nun ist seit zwei Monaten ein neuer Name unauffällig ins Impressum geschlüpft, Dr. Fabian Peters – weder verwandt, noch verschwägert mit Paulhans Peters, der 1965 bis 1991 Chefredakteur vom Baumeister gewesen ist. So wichtig scheint dem Verlag die Position allerdings nicht zu sein, einen neuen Hausmeister hätte man den Lesern ja auch nicht angekündigt. Peters II. gibt also den neuen Chefredakteur und hat sich in der obligatorischen Probezeit zunächst einmal mit Produktinformationen eingearbeitet. Dies ist natürlich eine Strategie. Der Chef sucht die Nähe zu den Anzeigenkunden und steht der Redaktion bei ihrem architekturkritischen Tagesgeschäft nicht im Weg.

Ohnehin sorgt sich Sabine Schneider seit Jahrzehnten mittlerweile „unter“ dem vierten Chefredakteur verlässlich um den Inhalt der Zeitschrift und beweist mit der aktuellen Holz-Trilogie, dass Architekturkonzepte auf das Bauen von Häusern hinauslaufen und nur mediale Mutmaßungen nicht zielführend sind. Da ist es nicht so schlimm, wenn der Nachfolge-Chef alles, was der Vorgänger produziert hat, für ausgemachten Blödsinn hält.