Ja, es gab Frauen am Bauhaus, das von Männern wie Walter Gropius, Hannes Meyer und anderen dominiert war. Im Bauhaus-Jubiläumsjahr rücken nun auch die Frauen am Bauhaus ins Rampenlicht: Gertrud Grunow – Ré Soupault – Ida Kerkovius – Otti Berger – Marianne Brandt – Dörte Helm – Benita Otte – Florence Henri – Gunta Stölzl – Lucia Moholy – Anni Albers – Lou Scheper-Berkenkamp – Gertrud Arndt – Marguerite Friedlaender-Wildenhain – Margarete Heymann-Loebenstein-Marks – Ilse Fehling – Friedl Dicker – Lilly Reich – Alma Siedhoff-Buscher – Grete Stern – Ise Gropius. Ein Fall für die Architekturgeschichtsschreibung?
Die Lesung der Autorin in Mannheim hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Es hatte etwas von „Kochen mit Ulrike“. Um so gespannter war man, was das in erweiterter Neuauflage als Großformat erschienene Buch lehren würde. Bleiben wir bei Äußerlichkeiten. Bei einigen Abbildungen wie den Wandteppichen mag diese Coffeetable-Größe angemessen sein, bei den alten Porträt-Fotos minderer Qualität ist sie entbehrlich. Aber dass deshalb der Text breitspaltig ohne Blindzeilen und Zwischenüberschriften als Bleiwüste daherkommt, macht die Lektüre nicht angenehm. Man kennt das von Thomas Bernhard, doch diese literarische Ambition sucht die Autorin wohl nicht.
Geb., 168 Seiten, 50 farb. Abb., Suhrkamp, 39,95 Euro
ISBN: 978-3-945543-57-3
Ulrike Müller hat mit Bienenfleiß gesammelt und die Lebensläufe ihrer Bauhaus-Frauen protokolliert, von der Taufe, über den Schulweg, das bisweilen armselige Wohnen, schließlich die Begeisterung, Ausbildung und das Wirken am Bauhaus, dazu Begegnungen, Freundschaften, Liebesbeziehungen und so weiter. Eine kritische Beurteilung ihrer Arbeiten gibt es jedoch nicht, man erfährt nicht erschöpfend, was und wie die Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Zeitgenossen tatsächlich gearbeitet haben mit Weberei, Keramik, Malen, Graphik, Plastik, Bühnenbau, Innenarchitektur, Design, Metallgestaltung, Fotografie, Journalistik. Es geht darum, die „Generation des weiblichen Aufbruchs“ zu würdigen, die sich immer hinter den Männern einreihte als Schülerinnen, Assistentinnen, anonyme Partnerinnen – oder Geliebte. Männer waren offenbar besser konditioniert, Karriere zu machen, Geld zu verdienen und namentlich als Verfasser ihrer Produkte bekannt zu werden, während bei Frauen der Gemeinsinn im Vordergrund stand. Zeit für eine Retourkutsche. Müllers Fazit lautet: „Das Bauhaus hat einen wesentlichen Teil seines radikalen ideellen Vermögens […] und seiner künstlerischen Leuchtkraft Frauen zu verdanken.“ Das nachzuholen ist sicher löblich, aber irgendwie aussichtslos, wenn man es so anstellt. Bei diesen hagiographischen Berichten klingelt die Frauenquote, das entwertet die gute Absicht.
Leider lässt sich nach hundert Jahren nicht mehr viel über die Bauhäuslerinnen und ihre Leistung rekonstruieren, das ist die Crux. Eben weil sie mit Nebenrollen abgespeist wurden, und wenn wir beim Begriff Bauhaus in erster Linie an Architektur denken, müssen wir uns an den gottgleichen Walter Gropius erinnern: „Gegen Ausbildung von Architektinnen sprechen wir uns grundsätzlich aus“, dekretierte er 1921 in einem Brief. Er fürchtete, dass sich die Sponsoren zurückziehen könnten, wenn eine weibliche Mitwirkung publik würde. Sein Bauhaus war „ein Ort, an dem Frauen bei allem öffentlichkeitswirksamen Emanzipationsgetue schnell in die Abteilungen für Textilien und Töpferei wegsortiert wurden“, schrieb Niklas Maak in der FAZ.
Nimmt man den Buchtitel allerdings wörtlich, hat die Autorin nicht zu viel versprochen. Es heißt nicht Architektinnen am Bauhaus, sondern Bauhaus-Frauen. Diesen Anspruch erfüllt die Publikation sehr gut.
Zur Dokumentation „Bauhausfrauen“ der ARD: verfügbar bis 9. Februar 2020 >>>
Es gibt ein zweites, dem Rezensenten noch nicht vorliegendes Buch zum Thema:
Patrick Rössler, Elizabeth Otto: Frauen am Bauhaus. Wegweisende Künstlerinnen der Moderne.
21,5 x 27,5 cm, gebunden, 192 Seiten mit 200 farbigen Abbildungen, übersetzt von Birgit van der Avoort