Koproduktion und Governance
Es klingt ja sehr schön: In der koproduzierten Stadt beteiligen sich Jede und Jeder über formalisierte, also bürokratisierte Modelle hinaus – im Umfeld, im Quartier, in der Stadt. Alle sind glücklich und zufrieden. Wie das gehen kann, steht in den Sternen, denn gerade in Deutschland sind die Verfahrensstrukturen zu bürokratischen, auch politisch intransparenten Monstern mutiert, die den Bürgern das Gemeinwesen betrüblich entfremden und üblen Populisten das Feld ebnen. Derweil argumentiert die Wissenschafts- und Polit-Community gern mit Anglizismen, um aus dem Sumpf des Konkreten erst einmal gedanklich frisch hinauszukommen. Diskutiert wird also beispielsweise über Governance – damit ist der Umstand gemeint, dass am Neu-, Um- und Weiterbau von Städten nicht mehr nur Regierende (Government), sondern viele Andere mit sehr eigenen Interessen in individueller oder kollektiver Organisation mitmischen. Dieser Umstand ist allgemein bekannt, aber der Begriff Governance noch nicht.
Der in Aachen lehrende Planungstheoretiker Klaus Selle erdete gleich zu Beginn des 4. IBA-LAB (so nennt die IBA Heidelberg manche ihrer Veranstaltungen) die Tagungsgemeinde. Genauer: Er räumte mit sozialromantischen Ideen im Kontext von Governance-Diskussionen auf, denn niemand, der sich in einem Planungsprozess engagiere, tue dies gemeinwohlorientiert. Und weil im Zusammenspiel von Eigeninteressen diejenigen, die Macht, Geld oder beides haben, mehr Einfluss auf die Planung haben als Andere, dürfe man die „Asymmetrien“ nicht vernachlässigen. Da fügte es sich gut, dass der erst sieben Tage zuvor ins Amt eingeführte Baubürgermeister Heidelbergs, Jürgen Odszuck, klipp und klar davon sprach, dass es in vielen Planungsstrukturen „ungerecht“ zugehe. Und dass es nicht so bleiben dürfe.
Prozesse und Personen
Die gesellschaftspolitische Entwicklung sorgt ja nicht erst, seit Menschen aus bitterer, wer weiß wo entstandener Not ins Land kommen, für Schieflagen, die Menschen aus allen Gesellschaftskreisen auf den Plan rufen. Wutwürger, Mutbürger – man kennt es. So wächst die Einsicht, dass ungerechten Entwicklungen entgegengewirkt werden müsse. Man ist angewiesen auf die „vom Gängigen abweichenden Qualitäten“ in der Planung (Selle), um nicht zuletzt den sozialen Frieden zu sichern. Es sollen die öffentlichen Räume sicher, die Arbeit hinreichend und das Zusammenleben von Allen – aber wirklich Allen – eine Freude sein. In Städten, die aufgrund wirtschaftlichen Wohlstands besonders unter Druck stehen, sollen obendrein die Wohnungen bezahlbar, die Luft sauber, die Autoblechlawinen außen vor bleiben. Allüberall soll man sich mit seiner Lebensumgebung identifizieren – aber auch komfortabel und schnell von zuhause in alle Welt kommen. Nichts leichter als das?
Eine Strategie, die derzeit Konjunktur in den Planerköpfen hat, bezieht sich auf transparente Prozesse und Beteiligungsszenarien – keineswegs zum ersten Mal, denn als in den späten 1960er Jahren nicht die frustrierte Bürgerschaft, sondern die aufmüpfige Jugend auf der Straße rebellierte, ging es um ähnliche Themen. In gewiss noch finstereren, aber nicht so weitreichenden Strukturen wie heute. Damals ging es um den Muff unter den Talaren – heute um Missstände wie bürokratische Fesseln, eine abgehobene Politik und eine weltweit unfassbare Kluft zwischen Arm und Reich. Bruno Latour, ein Provokateur der französischen Philosopie und Soziologie, nimmt dazu kein Blatt vor den Mund: „Die Institutionen haben keine andere Rechtfertigung, als die Werte zu sammeln; ohne unterhaltene und geschätzte Institutionen kann nur der Fundamentalismus triumphieren“.2)2) Bruno Latour: Enquete sur les Modes d’Existence. Paris 2012. Dt.: Existenzweisen. Eine Anthropologie der Modernen. Berlin 2014
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4) siehe BBSR >>>