Unter dem Titel »Fotografenschelte am falschen Ort. Ein wahrlich problematischer Artikel« verschickte der BVAF am 8. Dezember 22 eine Pressemeldung zu meinem Beitrag »Geschichte ohne Bild«. In dieser Pressemeldung werden mir Fehler und Aussagen unterstellt, die nicht gerechtfertigt sind. Weil wir bei Marlowes immer für offene und faire Debatten sind, beziehe ich hier Stellung, zumal auch Herr Soenne vom BVAF darum bat.
Die Pressemeldung des BVAF zitiere ich hier nicht, sondern gebe sie vollständig wieder und kommentiere inline (Marlowes-blau).
Es geht um diesen Beitrag: https://www.marlowes.de/geschichte-ohne-bild/
_______________________________________
Die Ausgangslage: Marlowes benutzt ein Bild in einem Artikel und erhält eine Honorarforderung des Urhebers.
Zitat aus Marlowes, 22.11.2021: „Gegenstand des Streits war ein Foto einer Ausstellung, das die Pinakothek der Moderne 2017 als Pressefoto zur Verfügung gestellt hatte. (….) Anders als wir es seit Jahrzehnten kennen, galt die Pressefotonutzung nicht für immer, sondern nur für einen begrenzten Zeitraum: „3 Monate vor Ausstellungsbeginn und … über die Ausstellungslaufzeit hinaus 6 Wochen nach Ende der Ausstellung“.“
Bezogen wurde das Bild als Pressefoto vom Auftraggeber des Fotografen, der Pinakothek der Modernen in München. Leider beschreibt die Autorin nicht, in welchem Zusammenhang das Bild genutzt wurde. Gerade aus dem Zusammenhang ergeben sich im Zweifelsfall durchaus Ansprüche des Fotografen auf Honorar.
Dass wir im Falle Pinakothek eine Ausstellungsrezension veröffentlicht haben, ist evident. Um welches Bild es geht, tut nichts zur Sache. Dass die Ansprüche gerechtfertigt waren, steht in meinem Beitrag drin. Es steht auch drin, dass wir das Honorar bezahlt haben. Dass wir die Ansprüche anfechten, stimmt also nicht im geringsten. Hier wurde von Herrn Soenne (Verfasser der PR-Meldung) der Eindruck erweckt, wir zweifelten an der Rechtmäßgkeit des Verfahrens. Wir zweifeln an seiner Sinnhaftigkeit – das ist etwas ganz anderes.
Es ist nicht richtig zu behaupten, dass solche zweckbestimmten Fotografien nach Ablauf der Nutzungsfrist grundsätzlich aus publizierten Artikeln gelöscht werden müssten.
Doch, es ist richtig, denn wenn, wie ich beschrieben habe, das Honorar nicht bezahlt wird oder werden kann, sind die Veröffentlichenden gezwungen, das Bild zu entfernen.
Berichtete Marlowes über die Ausstellung, bezog sich der Beitrag auf die Ausstellung und wurde innerhalb der legitimierten Frist publiziert, darf der Artikel weiterhin mit dem kostenlos zur Verfügung gestellten Bild publik bleiben (§ 50 UrhG). Entscheidend ist der Zeitpunkt der Publikation. Wurde innerhalb der legitimierten Frist publiziert, darf der Artikel weiterhin mit dem kostenlos zur Verfügung gestellten Bild publik bleiben.
Genau das stimmt nicht oder ist zumindest strittig. Wir haben das Bild im legitimierten Zeitraum veröffentlicht und haben uns anwaltlich bestätigen lassen, dass wir dennoch das Honorar für eine Nutzung über diesen Zeitraum hinaus zu entrichten haben. Auch die Pinakothek hat bestätigt, dass eine Nutzung über den Zeitraum der Freigabe hinaus nicht ohne separate Vereinbarung mit der Bildrechteinhaberin möglich ist.
Wenn sich der BVAF so sicher ist: Sind Sie denn bereit, uns in vergleichbaren Fällen zukünftig jurstisch zu vertreten und das Kostenrisiko eines Verfahrens zu tragen? Eine Pressemitteilung eines Berufsverbands hilft uns leider wenig. Ein Intervenieren bei den Verursachern der Angelegenheit würde der Sache mehr dienen und der Aufgabe eines Berufsverbands angemessener sein, als sich öffentlich über die finanziell schwach ausgestatteten Opfer juristischer Grauzonen zu erheben.
Eine befristete Bildnutzung halte ich im Grundsatz für falsch und fasse am Ende dieses Beitrags nochmals zusammen, warum.
Auch die Nutzung als Erläuterung eines Inhalts in wissenschaftlichen Publikationen ist zulässig (§ 51 UrhG). Die geltende, großzügig ausgelegte Wissenschaftsschranke regelt per Gesetz die langfristige Nutzung solcher Publikationen.
Wenn dem so wäre, hätten wir als wissenschaftlich Kommentierende (und dafür auch schon Ausgezeichnete) keine Honorar-Nachforderung bekommen.
Es ist durchaus üblich, dass Fotografien für bestimmte (Presse-)Zwecke für einen limitierten Zeitraum unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden; dieses wird bei Lizenzvergabe entsprechend kommuniziert, wie es die Pinakothek der Modernen wohl auch getan hat. Die Pinakothek der Modernen hat sich korrekt und souverän verhalten, indem es auf die Rechte des Urhebers verwies.
Stimmt, nichts anderes habe ich geschrieben. Und mit der Pinakothek – und nach Rückfrage auch beim Architektur Zentrum Wien – sind wir völlig einig, dass daraus ein Problem entsteht, wie ich es im Beitrag dargelegt habe.
Werden so lizenzierte Bilder zu einem späteren Zeitpunkt als vereinbart publiziert, entsteht eine Lizenzgebühr, ebenso, wenn sie in anderem Zusammenhang eingesetzt werden. Der Nutzer unterliegt in der Folge einer Sorgfaltspflicht, er muss den Urheber kontaktieren und die neue Nutzung lizenzieren.
Das wissen wir, und deswegen ist jetzt alles geklärt. Aber die Praktikabilität dieser Sorgfaltspflicht habe ich zum Beispiel infragegestellt. Und tue es weiterhin.
Sinn des Urheberrechts ist es, dass Urheber ihren Lebensunterhalt mit Lizenzgebühren für ihre Werke bestreiten können. Es ist leider zur Normalität geraten, vor allem Fotografien ungefragt für jedwede Zwecke zu verwenden.
Das Portal Marlowes geht mit Urheberrechten überaus sorgfältig um, lesen Sie bitte auch unsere AGB und Fotorechtshinweise. Dass wir (»Normalität«) irgendwelche Fotos »ungefragt für jedwede Zwecke« verwenden würden, ist absurd.
Die eine Möglichkeit für Urheber, der Flut von nicht legitimierten Bildnutzungen Herr zu werden ist oft, spezialisierte Firmen zu beauftragen, nicht legitimierte Bildnutzungen aufzuspüren. Es obliegt allein dem Urheber abzuwägen, wie eine nicht legitimierte Nutzung gehandhabt wird. Den Nutzern werden in aller Regel Nachlizenzierungsangebote unterbreitet.
Ja, und?
Solche Firmen oder die Anwälte der Urheber sind mitnichten Zitat aus Marlowes, 22.11.2021: „fragwürdige bis kriminelle »Anwälte« sind allzuoft wie Wegelagerer im Internet unterwegs und möchten kassieren“ oder Institutionen mit kriminellen Absichten.
Genau das habe ich geschrieben. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren, aber wir sind oft genug Opfer der Kriminellen geworden.
Auch die Annahme Zitat aus Marlowes, 22.11.2021 „Was jeder Einzelne mit den von ihm gekauften Printprodukten – Zeitungen, Büchern – macht, ist einzig und allein seine Sache.“ stimmt im Zusammenhang mit Nutzungsrechten nicht. Für Reproduktionen aus Printprodukten und deren Nutzung in der Öffentlichkeit gelten die gleichen Regeln wie für Werke, die zuerst digital genutzt wurden.
Hätten Sie doch genau gelesen! Eingangs schrieb ich nämlich: »Denn man fragt sich, wie es zum Beispiel bei gedruckten Zeitschriften sein soll. Müssen diese 6 Wochen nach Ausstellungsende in den Reißwolf?«. Ich bezog mich genau darauf, und wenn ich von gekauften Printmedien schreibe, dann meine ich gekaufte Printmedien. Und nicht die Abbildungen darin, und nicht die Papiermenge, mit der man ein Haus anzünden könnte. Ich kann ein gekauftes Printmedium archivieren, verkaufen, zerreißen, schreddern – niemand zwingt mich, nach Ablauf der Fotohonorar-Frist die Zeitschrift zu vernichten. Oder ein nur befristet honoriertes Bild auszuschneiden oder zu schwärzen. Das ist der entscheidende Unterschied!
Die Schlussfolgerung, Beschränkungen des Nutzungszeitraums würden die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Bildern oder Architektur behindern, ist schlichtweg falsch.
Nein, ist es nicht. Denn wenn wir als Non-profit-Portal die Pressebild-Honorare nicht zahlen können, müssen wir die Bilder entfernen, wodurch die wissenschaftlich verwertbare Rezensionsaussage eingeschränkt wird – mal mehr, mal weniger. Das Bild gehört in seiner Aussage zur Rezension – darauf bezog sich mein Hinweis auf die wissenschaftliche Arbeit von Horst Bredekamp. Und in Printmedien bleibt das Bild eben beim Text – wieso online nicht?
Der Artikel macht den Eindruck, ohne die notwendige Kenntnis einiger differenziert zu betrachtender Rechtsgrundlagen verfasst worden zu sein. Bleibt zu hoffen, dass der Artikel eine Revision erfährt.
Sie unterstellen mir hier, wir hätten keine Ahnung vom Presserecht. Das ist dreist.
Und nochmals, wie angesprochen, meine Argumente gegen eine befristete Nutzung von Pressebildern im Internet:
- Die Kontrolle der Fristen ist faktisch sehr aufwendig und unpraktikabel.
- Die Kuratoren oder Museen fordern wir auf, nicht nur die nicht befristeten Print-Honorare zu zahlen, sondern auch die Online-Nutzungen für eine unbefristete Nutzung. Dieses Problem sehen auch die Pinakothek und das AZW, siehe oben.
- Fotografen fordere ich auf, in diesem Sinne den Kuratoren und/ oder Museen angemessene Foto-Honorare in Rechnung zu stellen.
Beim BVAF denkt man offenbar ausschließlich an die Honorierung der Fotos und nicht im geringsten darüber hinaus.
Die Reaktion des Verbands bestätigt die Dringlichkeit, mit der die befristete Pressebildnutzung abgeschafft werden sollte.