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Shades of white

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Mit neuem Geist will es im Baugewerbe noch nicht so recht klappen. Symbolbild. (Foto: Christian Holl)

Stilkritik (119) | Dass sich das Baugewerbe verändern muss, könnte man inzwischen wissen. Es verändert sich dennoch nur sehr langsam, so langsam, dass man denkt, es ändert sich überhaupt nichts. Es dominieren die alten Routinen. Manchmal wünschte man sich, man könnte Zurückgebliebenen einfach dort sitzen lassen, wo sie sind. Das funktioniert leider nur selten. Aber immerhin.

Manche Schlagworte veralten schneller als das Phänomen, das sie beschreiben. »Alte weiße Männer« zum Beispiel. Sie sind immer noch ein Phänomen. Ach was, sie sind nach wie vor ein echtes Problem. Klar, es war immer auch ungerecht, von ihnen zu reden. Denn es gibt die alten weißen Männer, die unter alten weißen Männern leiden. Die sich nicht in die Schmollecke zu anderen beleidigten Leberwürsten setzen, wenn von alten weißen Männern die Rede ist. Die es nicht fassen, wenn eine Moderatorin in rotem Kleid Reinhard Quast, den Präsidenten des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, den roten Teppich ausrollen möchte und er sie fragt, ob sie sich ausziehen wolle. Gut, inzwischen hat Quast sich dafür entschuldigt. Das war nötig, hilft aber wenig, denn das Problem ist nicht allein, was er ausgesprochen hat, sondern dass die Zote offensichtlich keiner in diesem Zentralverband problemastisch fand. Nicht nach dem Auftritt am 23. November. Nicht ein oder zwei Tage später. Sondern erst quälend lange, nachdem das Video dieser Szene in den Sozialen Medien geteilt wurde und sich dort die Empörung artikulierte – am 9. Dezember. Und dann wurde auch nicht mehr gemacht als unbedingt nötig. Die Verfasser:innen eines Offenen Briefs in dieser Sache hatten sich mehr erhofft.

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Die immer gleichen Klischees vom Erfolg. Mit den Vorstellungen sehr vieler Menschen von einer Zukunft des Zusammenlebens hat das herzlich wenig zu tun. Wie mit dem Fahrradweg umgegangen wird, sagt schon alles. (Foto: Christian Holl)

Diesen Brief haben auch Männer unterschrieben, vornehmlich weiße, und bestimmt sind nicht nur junge darunter. Man könnte also im Umkehrschluss sagen: Der alte weiße Mann ist nicht in erster Linie männlich, hat eine weiße Hautfarbe und ist, sagen wir einmal über 65, sondern er zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er nur eingeschränkt empathiefähig ist, nicht von der eigenen Person abstrahieren kann und Privilegien für selbstverständlich hält. Er hat schon lange aufgehört, sich und seine Sicht auf die Welt zu reflektieren. Er hat aufgehört, jüngeren Menschen zuzuhören und sie zu verstehen zu versuchen, denn er weiß schon seit Langem, was richtig ist. Alterweißermann zu sein ist eine Haltung, man könnte auch sagen, es heißt gerade, keine Haltung zu haben, aber das sieht der ein oder andere alte weiße Mann wahrscheinlich anders, weil er sich zum ersten Mal im Leben einbildet zu wissen, was es heißt, diskriminiert zu werden, einer Minderheit anzugehören. Er ist stolz darauf, dass er dennoch unbeugsam an seinen Ansichten festhält, denn er hält es für eine Qualität, seine Meinung nicht zu ändern. Alterweißermann ist ein »erst« 52-jähriger Verkehrsminister, der immer weiter Autobahnen bauen lassen will, ohne zu wissen, wie man die alten in Schuss hält. Der bei Verkehr ohnehin zuerst und vor allem an den MIV denkt und von der Wochenzeitung »Die Zeit« der Klimaschutzvermeider genannt wird. Alterweißermann ist auch eine Julia Klöckner, die höchst unsensibel gegen Aufklärung für trans Kinder und Jugendliche agitiert. Dass sie dabei kritisiert, was sie selbst mitzuverantworten hat, scheint sie nicht zu jucken.

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Alterweißermann-Architektur. (Foto: Christian Holl)

AWM-Architektur und ein Alterspräsident

Man könnte also auch sagen, viel von dem, was heutzutage gebaut wird, ist so unglaublich Alterweißermann-Architektur. Ohne das in Frage zu stellen, was man jahrezehntelang gebaut hat, ohne Privilegien wie Förderungen, Begünstigungen in Frage zu stellen, ohne zu reflektieren, ob das, was da gebaut wird, noch richtig ist. Ohne zuzuhören, wie junge Menschen über das Bauen denken. Ohne die Strukturen des Gewerbes in Frage zu stellen. Und und und. Für die Architekten ist Wolf D. Prix strahlendes Vorbild. Alterpräsident der weißen Architekten gewissermaßen. Das Interview, das er kürzlich im Standard gegeben hat, ist so voller verquerer Äußerungen, dass man das Interview für einen Zusammenschnitt aller verqueren Zitate von Prix hält, so wie bei fingierten Interviews mit toten Menschen, die man aus deren überlieferten Zitaten zusammenstellt. Anlass für das Interview war der 80. Geburtstag von Prix. Darin sagt er, dass der CO2-Ausstoß seiner Kulturbauten auf der Krim mit denen im Ukraine-Krieg verglichen werden müssten. Gibt es etwas, das er anders machen würde? Nichts. Dass es nicht drauf ankomme, wo und für wen man baue, sondern was. Dass es keinen Unterschied mache, ob man für Autokraten oder für Turbokapitalisten baut. Und so weiter. In einem fort werden Äpfel mit Birnen verglichen, Alternativen aufgemacht, die keine sind, damit keine Alternativen diskutiert werden müssen. Als ob es nur Autokraten und Turbokapitalisten gäbe. Darüber nachzudenken, wie die Arbeit in Abhängigkeiten verwoben ist, die geändert werden müssten, damit auch Architekt:innen verantwortungsvoll handeln könnten, kommt Prix nicht in den Sinn. Das autonome Kunstwerk, von dem er zu träumen scheint, war Architektur ohnehin noch nie.

Das Interview könnte auch eine klug lancierte Kampagne sein, die nochmal vor Augen führt, mit welch abgedroschenen Phrasen heute verteidigt wird, was irgendwann mal, vorgestern vielleicht, en vogue war. Damit man versteht, wie absurd es ist, die Architektur von »Stararchitekten« unabhängig von der ganzen Misere zu sehen, die sich Tag für Tag vor unseren Augen abspielt. Damit sich die Architekt:innen von heute noch entschiedener andere Wege suchen und sich für eine andere Politik einsetzen. Dafür hätte es ein solches Interview aber nicht bedurft. Der Stararchitekt ist auch so ein Auslaufmodell. Junge Architekt:innen denken und reden anders über Architektur und sind sich der Konflikte, die mit ihrer Arbeit verbunden sind, bewusst. Prix wird man nicht mehr ändern und das Interview ist letztlich nur das Zeugnis einer Berufsauffassung, die museumsreif geworden ist. Man musste dafür nichts klug lancieren und auch keine alten Zitate zusammenschneiden. Man kann nochmal müde lächeln und sagen, dass die Zeit von Prix irgendwann demnächst eh vorbei sein wird und dass er eben immer noch versucht, eine Rolle zu spielen, nur dass sie nicht mehr so recht gefragt ist. Fast möchte man ihn trösten.

Aber dafür ist keine Zeit. Denn es gibt weiterhin sehr sehr viel zu tun. Wer wissen will, was, darf sich gerne »Schwarzer Rolli, Hornbrille« von Karin Hartmann zu Gemüte führen. Wer dafür erst an Weihnachten Zeit hat, kann sich zur Einstimmung auch vorab schonmal das Foto des neuen Präsidiums des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe anschauen.