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Hans-Eberhard Hess war Mitbegründer des Europäischen Architekturfotografie-Preises, mit dem das Genre Architekturfotografie endlich aus dem Bereich der schönfärberischen Fotografen-Dienstleistung für Architekten befreit worden ist. Mit seiner ganz und gar offenen, die individuelle und fotokünstlerische Arbeit wertschätzenden Art beeinflusste er die weite Spanne des Blicks auf Architektur maßgeblich. Nicht zuletzt seine fotokünstlerische Perspektive ist es, die uns die Rubrik „Foto-Essay“ für unser Magazin so wichtig erscheinen lässt.

Je vier Fotos gehören zwingend zu den Serien, die beim Europäischen Architekturfotografie-Preis eingereicht werden können.(Foto: Andreas Meichsner)

Hans-Eberhard Hees und Manfred Sack (Architekturkritiker der ZEIT, rechts), gemeinsam in der architekturbild-Jury 2001 (Bild: Wilfried Dechau)

Hans-Eberhard Hess und Manfred Sack (1928-2014, damals Architekturkritiker der ZEIT, rechts), gemeinsam in der architekturbild-Jury 2001 (Bild: Wilfried Dechau)

Besonnen, vermittelnd und genau

Als wir uns das erste Mal trafen, gehörten wir zu den Jüngsten einer Branche, die im Jahr 1979 ihre goldenen Zeiten erlebte: Hans-Eberhard Hess war Redakteur einer Fotozeitschrift, ich der Ko-Kurator einer großen Fotoausstellung im Münchner Stadtmuseum, und bei der Pressekonferenz wurde fleißig geraucht, getrunken und Brezeln gegessen; rund dreißig bis vierzig Leute waren dabei. So ging es weiter: Man traf sich, redete kurz miteinander, versicherte sich der gegenseitigen Wertschätzung, hatte aber sonst nicht viel miteinander zu tun. Ohnehin war er immer der ruhige Part in allen Kommunikationen, hörte zu und begann erst spät mit eigenen Statements, die dann aber immer ebenso profund wie präzise formuliert wurden.

Den 1. Preis beim Europäischen Architekturfotografiepreis erhielt 2003 Susanne Wegele.

Den 1. Preis beim Europäischen Architekturfotografie-Preis erhielt 2003 Susanne Wegele. Thema war „Urbane Räume | Urban Spaces“.

Hans-Eberhard Hess als Juror beim Europäischen Architekturfotografie-Preis (Bild: Wilfried Dechau)

Hans-Eberhard Hess als Juror beim Europäischen Architekturfotografie-Preis (Bild: Wilfried Dechau)

Bahnbrechend: europäische Architekturfotografie

1995 hat Wilfried Dechau die Ummünzung eines bestehenden, britischen Fotowettbewerbs in den Europäischen Architekturfotopreis beschlossen und brauchte dafür einen passenden Partner in der Fotopublizistik, und da gab es einfach niemand Besseren als Hans-Eberhard Hess; ich war auch recht früh dabei. Hans-Eberhard Hess hatte soeben auch den Verlag der Zeitschrift Photo International übernommen, die er schon zehn Jahre lang geleitet hatte, und er hatte mindestens ebenso viele Erfahrungen im Jury-Geschäft wie wir. Und als 2002 die Trägerschaft des EAP (European Architectural Photography Prize) in den privaten Trägerverein architekturbild e.v. überführt wurde, war auch er dabei, ganz selbstverständlich und ohne viele Worte mit großem, auch ökonomischem Engagement.
Da hatte er inzwischen noch den jährlichen Preis des Pressefoto Bayern für den Bayerischen Journalisten-Verband eingerichtet, den er bis zuletzt mit großem Interesse und immer aktuell betrieb – das letzte Siegerfoto unter seiner Regie war einem COVID-19-Patienten gewidmet. In den dortigen Juries stelle ich ihn mir genauso vor wie bei denen des EAP, die ich bis 2009 miterleben durfte: Ganz ruhig stand er da, nahm gelegentlich die Brille ab und setzte sie wieder auf, als ob ihm ein Gedanke gekommen wäre, sagte dann aber erst einmal weiterhin gar nichts, sondern wartete ab, bis wir anderen uns geäußert hatten – und legte dann aber gern mit einer längeren Erörterung los, die zwischen weit auseinanderliegenden Polen zu vermitteln vermochte. Sein Votum galt, und ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals überstimmt worden wäre.

Dirk Härle gewann 2019 den 1. Preis beim Thema "Joyful Architecture"

Dirk Härle gewann 2019 den 1. Preis beim Thema „Joyful Architecture“

Mehr, viel mehr als Dienstleitung für Architekten

So hat Hans-Eberhard Hess in seiner stillen Art großen Einfluss auf die Entwicklung der Architekturfotografie im letzten Vierteljahrhundert genommen, wahrscheinlich sogar mehr als viele Andere, denn er hat immer umgehend die Siegerfotos und andere Serien, die ihm bemerkenswert erschienen, in seiner Zeitschrift Photo International veröffentlicht. Auch diese Zeitschrift gehörte zu den Stillen im Lande, was aber keinen Zweifel an ihrer Qualität ließ: Immer wurde ebenso für eine hohe Druckqualität wie für eine ausgeglichene Sicht auf die kulturellen Ereignisse und technischen Neuerungen der Branche gesorgt, alles in einer soliden, vollkommen unaufgeregten Grafik. Das letzte Mal, das wir uns gesehen haben, ist auch schon wieder fünf Jahre her, 2016 bei einer Pressekonferenz auf der photokina in Köln. Vorher und nachher haben wir uns, wie man so sagt, aus den Augen verloren. Das ändert aber nichts daran, dass mit ihm der fotografischen Szene ein ebenso unerschütterlicher wie engagierter Begleiter verloren gegangen ist, wieder einer von den Guten.