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Letzte Paradiese – Frische in feiner Architektur

En gros und en detail: In den Verkaufshäusern von „Frischeparadies“ läuft Freunden gesunder, weil frischer Lebensmittel das Wasser im Mund zusammen. Über Jahre festigten die Architekten von ROBERTNEUN™ den Anspruch der Lebensmittel-Anbieter mit hochwertiger Architektur.


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Zementwerk und mehr: Keine Umgebung ist so schlimm, als dass sie nichts Besseres verdiente (Bild: Ursula Baus)

Anfang und Ende

1994 wurde der Lebensmittel-Lieferant „Frischeparadies“ mit einem Angebot gegründet, das den Namen rechtfertigt: frischem Fisch. Mehr und mehr wurden die Sortimente erweitert – so spricht man inzwischen gern von „Feinkost“, die auch von Restaurant-Köchen hoch geschätzt wird. Und man findet hier das Eifeler Ur-Lamm, das Tiroler Milchkalb, die Krusten- und Schalentiere von der bretonischen Atlantikküste genauso wir frisches Gemüse aus der Region.
Zuletzt war die Oetker-Gruppe Eigentümerin der Frischeparadiese,  2015 verkaufte sie an die schweizerische Transgourmet Holding, ihrerseits Tochter von Coop. Und das war’s. In Stuttgart-Gaisburg wurde das letzte eigenständige Frischeparadies gebaut.

Sorgfältig konstruiert und detailliert: Holz nimmt Druck-, Stahl die Zugkräfte der Dachkonstrukion auf (Bild: Ursula Baus)

Sorgfältig konstruiert und detailliert: Holz nimmt Druck-, Stahl die Zugkräfte der Dachkonstrukion auf (Bild: Ursula Baus)

Verorten

Für jeden Standort der Frischeparadiese hatten die Architekten einen ortsspezifischen Entwurfsgedanken entwickelt – wie beispielsweise in Berlin-Pankow (Lindenberg) oder Köln Zündorf-Hürth. Auch wenn die Lebensmittelkaufhäuser meistens in so genannten „Wildschweingebieten“ entstanden, gaben die Architekten ihren gestalterischen Anspruch eben nie auf. Auch in Stuttgarts Stadtteil Gaisburg, in der Nachbarschaft eines aus Sichtbeton gebauten Zementwerks, eines quietschgelben Malermeister-Betriebs, eines Kraftwerks und manch anderen Wildschweins kapitulierten sie nicht.

Seitenfront des Stuttgarter Frischeparadieses: Architektur vom Feinsten (Bild: Erco, Frieder Blickle)

Vier aneinander gefügte, stützenfreie Hallen, die in diesem Feinkostsegment den unterschiedlichen Temperaturbedürfnissen und hygienischen Vorschriften entsprechen und sich auch funktional unterscheiden müssen, bilden die große Gebäudeeinheit des Stuttgarter Projektes. Sollte das Frischeparadies eines Tages ausziehen – was bitter zu beklagen wäre –, ließe sich die Architektur gewiss gut umnutzen – man darf hier den zerschundenen Begriff „Nachhaltigkeit“ mit Fug und Recht in die Argumentation einflechten.

Explosionszeichnung der raumbildenden Abschnitte (Bild: ROBERTNEUN™)

Explosionszeichnung der raumbildenden Abschnitte  (Bild:

Markt und Halle

Im Verkaufsraum stellt sich dank offen liegender Konstruktion, eingestellter Lagerboxen und Regale sofort die Assoziation der Markthalle ein. Die Regale sind niedrig genug, um stets den Blick in die gesamte Halle frei zu lassen. Auch kennzeichnen große Schriftzüge die jeweiligen Sortimente, so dass man schnell am Ziel ist. Dafür ist man dankbar, denn man wird nicht – wie in so vielen Einzelhandelsgeschäften – zwingend durch einen Irrgarten an vielen Auslagen vorbei geführt, bis man denn ein kleines Fläschchen Soyasoße oder ein kleines Glas Safran gefunden hat. In der großen Markthalle ist es kühl, aber nicht kalt – eiskalt ist es an der Fischtheke und in der Gemüseabteilung. So muss es sein, wenn Delikates angeboten wird.

Übersichtlich, praktisch und nicht eng an eng: die Markthalle des Frischeparadieses ist auch gut ausgeleuchtet. (Bild: Erco, Frieder Blickle)

Übersichtlich, praktisch und nicht eng an eng: die Markthalle des Frischeparadieses ist auch gut ausgeleuchtet. (Bild: Erco, Frieder Blickle)

Kalte Umgebung, warmes Licht: Gemüse- und Obstabteilung (Bild: Erco, Frieder Blickle)

Last but not least

Zurück zu Umgebung, in der sich eine Bananenreifhalle – ja, so etwas gibt es – mit Sheddach findet. Sie bot im gewerbetypischen Kontext immerhin einen Anhaltspunkt für den Entwurf, so dass sich à la longue eine Art Kontinuität im Stuttgart-Gaisburger Terrain bilden könnte. Mit dem Ende der unabhängigen Frischeparadiese wäre also wenigstens dadurch auch ein Anfang verbunden – ein Anfang nachhaltiger Entwicklung in einem Gewerbe- beziehungsweise Industriegebiet nahe des Neckar, dessen Uferregionen eines Tages vielleicht auch für Wohnungsbau zu nutzen sein werden.


Frischeparadies Stuttgart | Ulmer Straße 159 | http://www.frischeparadies.de/frischeparadies-maerkte/stuttgart.html

Architekten: ROBERTNEUN™, Berlin | http://www.robertneun.de/#home