… der Bäcker hat gerufen! In Deidesheim gibt es die neue Kunstgalerie Backhaus. Sie ist Bodenstation in einem sanierten Haus in der Ortsmitte, in das wieder Leben eingezogen ist. Wenn sich wie bei der Eröffnung mit Fotografien von Hardy Müller die Besucher bei einem Glas Riesling auch noch über Treppen und Hof drängen, macht das strapazierte Wort „Event“ endlich einmal Sinn.
Natürlich wäre es uns als Bewohnern von Deidesheim lieb gewesen, ein paar Meter von unserem Haus entfernt eine Bäckerei zu wissen. Aber der Betrieb musste schon vor Jahren schließen, die Investitionskosten für eine zeitgemäße Warenproduktion waren den Eigentümern zu hoch gewesen. Dann sah man Baugerüste stehen und war zuversichtlich, hoffte, dass nicht noch eine Vinothek oder ein weiterer Kramladen einziehen würden. Glück gehabt. Die Mischung passt zu einem ambitionierten Weinort wie Deidesheim, wo leider schon einige innerstädtische Wohnhäuser seit Jahren leer stehen. Neben einer Kunstgalerie im Erdgeschoss werden hier eine Innenarchitekten und ein Lichtplaner (als neue Eigentümer) ihre Arbeitsräume haben, außerdem gibt es zwei Ferienwohnungen mit 75 und 55 Quadratmetern. Die größere verfügt über eine hinreißende Terrasse, ein innerstädtischer Balkon über dem vermutlich nach dem Krieg angebauten Verkaufsraum der ehemaligen Bäckerei. Das Haupthaus datiert 1844, hat einen soliden Sandsteinsockel, der im Hof bis zur Höhe der Erdgeschossdecke freigelegt wurde. Die freihändisch gebosselten Garagen und Gewerbezubauten wurden abgerissen, jetzt lassen ein paar Flecken Rollrasen sogar etwas Gartenanmutung entstehen.
Die Straßenfassade erhielt schlanke isolierverglaste Sprossenfenster, der ausgebesserte Putz wurde gestrichen, das gedämmte Dach mit den Ziegeln, die beim Einbau der Dachflächenfenster im Hinterhaus übrig blieben, ausgebessert. Blickfang ist das große Schaufenster, dahinter liegt das dunkel ausgemalte Entree, an das sich über eine gefaltete Stahltreppe zwei weitere Ausstellungsräume im alten Wohnhaus erschließen. Die strapazierten Holzdielen blieben erhalten oder wurden durch einen Zementestrich ersetzt, die Decken mit dem geretteten Plafond zeigen noch die Fragmente einer Bemalung. Raffinierte kleine Scheinwerfer der Firma ETC sorgen für eine randscharfe Ausleuchtung der Bilder. Die Inhaberin Christa Wassa hat einige leicht patinierte Möbelklassiker und originelle Klappstühle beigesteuert, die neben den Skulpturen selbst zu Exponaten werden.
Das Büro der Innenarchitektin Petra Harth wartet über der alten Backstube noch auf den Ausbau, fertig sind die beiden Wohnungen, die vom Hof erschlossen werden. Hier hat der Metallbauer Josef Wagner sensibles Handwerk geliefert. Ein flaches Stahlprofil, dessen Krümmung mit einem Kupferrohr ermittelt wurde, schwingt sich mustergültig an der Außenwand durch das verzogene Stiegenhaus und endet oben mit einer eleganten Konsole: eine Intarsie der Moderne in historischer Umgebung.
Die gemütlich verwinkelten Wohnungen geben sich farbenfroh, vorhandenes aufgearbeitetes Mobiliar, ein paar Trouvaillen und preiswerte Ergänzungen lassen eine ungenormte Umgebung entstehen. Das untere Appartement mit zwei Zimmern, Bad und Essküche (sowie der sagenhaften Terrasse!) besitzt noch knarrendes Eichenparkett und einen Hauch von Stuck. Die großen Polstermöbel stehen ein wenig sperrig im Raum, aber es gibt niedliche Details – die helle, kleinere Wohnung unterm Giebel bietet mehr räumliche Entdeckungen. In beide möchte man sofort einziehen. An der Fassade prangt noch das Leuchtschild Meister-Kaffee („die Exklusivmarke für Bäcker und Konditoren“). Auf die frischen Brötchen müssen wir verzichten, sind aber sehr gespannt, was man im neuen Backhaus aus dem Ofen holen wird.
Kunstgalerie Backhaus, Heumarktstraße 5, 67146 Deidesheim | http://backhaus-deidesheim.de
Architektin: Petra Harth, Neustadt an der Weinstraße | http://www.petraharth.de