Die Abkehr vom Dogma der autogerechten Stadt kann nur gelingen, wenn unter anderem der ÖPNV ausgebaut und aufgewertet werden. An Hamburgs U-Bahn-Station „Elbbrücken“ setzen die Lokalmatadoren gmp ein deutliches Zeichen in den öffentlichen Raum, in dem einer neuen Mobilität Vorrang eingeräumt wird.
Das neue Bauwerk der Hamburger Hochbahn für die U-Bahnlinie U4 an den Elbbrücken steht noch ein wenig verloren da und wartet auf ihr Pendant durch die S-Bahn, die Hamburgs südliche Stadtteile anbindet. Die neue Umsteigestation kann zu einem wichtigen Verkehrsknoten werden. Denn Hamburgs Hauptbahnhof platzt aus allen Nähten. Kein Wunder: Hier treffen sich alle U- und S-Bahnen. Alle Fern- und Regionalzüge, die Hamburg anfahren, halten mit wenigen Ausnahmen hier. 550000 Menschen benutzen den Hauptbahnhof täglich, das meldete unlängst ZEITonline.
Großhamburg
Dabei entspricht diese zentrale Verkehrsorganisation nicht dem eigentlich polyzentrischen Aufbau Hamburgs. Hamburg, Altona, Wandsbek und Harburg waren eigenständige Städte, bis sie 1937 zu Großhamburg zusammengefügt wurden. Von dem alten Kaiserbahnhof Dammtor einmal abgesehen, an dem die Züge einen meist nur kurzen Aufenthalt haben, befinden sich in Harburg und in Altona weitere Fernbahnhöfe. Letzteren wickelt die Deutsche Bahn gerade ab und eröffnet nordwestlich des alten Standortes einen neuen Haltepunkt, an dem die Züge wahrscheinlich ab 2023 nicht mehr in einem Sackbahnhof landen, sondern dort nur halten und zum Hauptbahnhof oder nach Norden durchfahren können. Das wird die Nutzungsfrequenz des Hauptbahnhofs weiter erhöhen, dabei ist er bereits der am höchsten frequentierte Bahnhof in Deutschland. Abhilfe könnte dagegen eine Stärkung der Stationen im Westen, also Altona, und Harburg im Süden bringen und den Fernverkehr entflechten. Aber das ist derzeit nicht in Sicht. Der neue Bahnhof Hamburg-Altona wird mit acht Gleisen (inklusive S-Bahn) höchst sparsam ausfallen. Bislang hatte er zwölf. Im Harburg ist kein Umbau geplant.
Verzögerungen im Betriebsablauf
Den Hamburger Hauptbahnhof sehen einige in der Stadt wegen seiner betrieblich bedingten Fülle an Reisenden schon vor einem Infarkt. Da kommen Beipässe gelegen: wie zum Beispiel der neue, im Dezember zum Teil eröffnete Umsteigebahnhof an den Elbbrücken. Bislang fährt hier nur die U-Bahn, aber mit dem nächsten Fahplanwechsel soll ein Umstieg auf die S-Bahn und diverse Buslinien möglich sein. Die Deutsche Bahn, Betreiberin der Hamburger S-Bahn, bemüht sich redlich, den Schwesterbahnhof fertigzustellen. Eine entsprechende Skywalkverbindung steht bereits. Zurzeit wird intensiv an den Bahnsteigen und an den Treppen gebaut. Eigentlich sollte alles schon fertig sein, aber bei der Deutschen Bahn gab es einmal mehr: Verzögerungen im Betriebsablauf. Nun gut, mit Verspätung steht also der Beipass in Aussicht, denn die neue Station erschließt nicht nur die östliche HafenCity und den Stadtteil Rothenburgsort, sie bietet über die Linie U4 auch eine attraktive Abkürzung für alle Verbindungen der Innenstadt nach Wilhelmsburg und Harburg und wertet damit die Station Jungfernstieg zum Umsteigebahnhof auf.
Noch geht es auf den Bahnsteigen U-Bahnstation Elbbrücken gemächlich zu. Viel Menschen kommen nur um die Aussicht auf die Elbe, die HafenCity und das Gelände auf dem Kleinen Grasbrook zu genießen, das ehedem zu einem Olympiapark hätte werden sollen – mit Stadion, Schwimm- und Sporthallen, aber auch mit Wohnungen. Der frühere Oberbaudirektor Jörn Walter hatte sich daraus eine Initialzündung für die Entwicklung dieses Areals zu einem neuen Stadtteil erhofft, der ein weiterer Meilenstein für das Konzept „Sprung über die Elbe“ werden soll. Mit der Aussicht auf die Norderelbe lässt sich also auch die Hoffnung auf einen Fortschritt in der Entwicklung der Stadt verbinden. Denn die U-Bahn soll über die Elbe hinaus dorthin verlängert werden.
Hommage an die Pioniere der Ingenieurbaukunst
Dann gesellte sich zu den legendären technischen Bauwerken der ersten festen Elbquerung zumindest über die Norderelbe eine weitere Brücke. An den historischen Ingenieurbauten richten die Architekten von gmp, insbesondere Volkwin Marg, und die Ingenieure von sbp (schlaich bergermann partner) ihre Entwürfe aus. Ein von einem Netz aus einmal gekrümmten Stahlträgern getragenes Glasdach überwölbt Gleise, Bahnsteige und die Treppenanlage für den Übergang zur S-Bahnstation, die mit einer ähnlichen, aber doch unterschiedlichen Konstruktion überdacht werden soll. Ein Blick aus der Halle auf die westliche Elbbrücke führt die Korrespondenz der Bauwerke deutlich vor Augen. Derzeit wird allerdings um die alte Brücke gekämpft. Ihr Erhalt erscheint unrentabel, und Denkmal- oder Identifikationswert wiegen dies offenbar nicht auf. 1 Vielleicht haben sich Architekten und Ingenieur dann vergeblich um den Bezug auf die heroische Vergangenheit bemüht.
Aber die Architektur der neuen Station hat schon jetzt eine signifikante Erscheinung. Sie kann Beides: sich in den Kontext einfügen, aber auch selbst Zeichen setzen. Architekten, Ingenieure, Baufirmen und Bauherr haben hier ganze Arbeit geleistet: Sie sind termingerecht fertig geworden, blieben mit 145 Mio Euro Baukosten etwa 30 Mio unter der veranschlagten Bausumme und haben ein öffentliches Gebäude geschaffen, dass auch halbfertig großen Zuspruch in der Bevölkerung hat.
Außerdem steht ein – wenn auch grobschlächtiges – Abbild der U-Bahnstation bereits im Miniatur Wunderland in der Speicherstadt. Eine populäre Adelung, die dort mehr Touristen sehen als König Ludwigs II. Burg Neuschwanstein in Bayern. Na, wenn das nichts ist!
1 siehe dazu Sven Bardua, in: Bauwelt 20.2018 >>>
Architekten / Entwurf: Volkwin Marg und Jürgen Hillmer mit Stephanie Joebsch
Projektleitung Wettbewerb: Stephanie Joebsch
Mitarbeiter Wettbewerb: Bernd Kottsieper, Achim Wangler, Katja Mezger
Projektleitung Ausführung: Stephanie Joebsch
Stellvertretende Projektleitung Ausführung: Bernd Kottsieper
Mitarbeiter Ausführung: Hendrik Winter, Renata Dipper, Bendix Fulda, Nicola Jeppel
Baumanagement: Raimund Kinski, Christian Kleiner, Andreas Schulz, Torsten Hinz, Katja Poschmann
Tragwerksplanung: schlaich bergermann partner (sbp)
Lichtplanung: Conceptlicht
Bauherr: Hamburger Hochbahn AG
Wettbewerb 2013: 1. Preis
Bauzeit 2016–2018
BGF 3.750 m²
Länge/Breite/Höhe Dach: ca. 136 m / ca. 32 m / ca. 16.25 m
Dachfläche: ca. 5.985m²