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Der Mannheimer Kunstverein zeigt bis 12. Mai 2019 „Städtisches Werkzeug“ von Haus-Rucker-Co. Die Ausstellung widmet sich einem Ausschnitt aus dem vielfältigen Werk der Wiener Architektur- und Künstlerformation, realisierten und nicht verwirklichten städtebaulichen Interventionen.

Im Bild oben: Trichter als hängende Konstruktion für den Mannheimer Kunstverein; Holz, Rettungsfolie und Seil, Höhe und Durchmesser: 6 m (Bild: Eduardo Perez)

Wolf Prix, Prinzipal von Coop Himmelb(l)au, klagt gerne über den Verlust der Gefährten Haus-Rucker-Co, die sich „in vorauseilendem Gehorsam“ der Geradlinigkeit einer marktgängigen Architekturräson angeschlossen hätten. 1992 hatte sich die in verschiedenen Städten etablierte Künstlergruppe endgültig aufgelöst, zwei Partner widmen sich heute als Ortner & Ortner Baukunst konkreten Planungsaufgaben.

Skizze zur Trichter-Installation (Bild: Haus Rucker)

Skizze zur Trichter-Installation (Bild: Haus Rucker)

Stadt sichtbar machen

Wenn man die in den 70er und 80er Jahren entstandenen Projekte der Mannheimer Ausstellung betrachtet, muss man sich allerdings fragen, ob die damals nach Wien verschlagenen Oberösterreicher Haus-Rucker-Co nicht schon immer eine Neigung spürten, mit der städtebaulichen Ordnung pfleglich umzugehen und mit geradezu didaktischen Installationen ihre Blessuren künstlerisch zu markieren. 1983 erläuterten sie: „Stadt sichtbar zu machen, gehört heute zu den ersten Aufgaben des Architekten.“ Dies gilt noch immer, auch wenn inzwischen die pusselige Freiraummöblierung abgelöst wurde von der kompletten Wiederherstellung historischer Häuser und Quartiere, an die sich Zeitgenossen gar nicht mehr erinnern können.
Was Haus-Rucker-Co in ihren virulenten Jahren angeboten hatten, waren eben keine auf Ewigkeit gerichtete Artefakte, sondern „städtische Einrichtungsgegenstände“, experimentelle Superzeichen, die einer möglichen Architektur prüfend den Weg bereiten sollten. Diese konstruktiven Gerüste, Türme, maschinenartigen Fragmente hatten mit dem Ort und seiner Bedeutung zu schaffen, sie stellten sich als filigrane Requisiten in die städtischen Zwischenräume, ließen sich betrachten und besteigen, gaben aber auch den Nutzern Gelegenheit, nicht nur den Blick in die Umgebung zu prüfen, sondern sich selbst zu inszenieren. Sie dienten als Orthesen, um das wünschenswerte Städtische zu stabilisieren und korrigieren – noch bevor das leimsiederische Geplauder von Urbanität einsetzte. Eben keine Kunst am Bau, um mäßige Architektur zu dekorieren.

Virtuos, virtuell

Was in Mannheim zu sehen ist  – neben einem nun ja, etwas rätselhaften intellektuellem Aufwindkraftwerk,  einem sechs mal sechs Meter großen Zylinder aus Rettungsfolie, der als „Diffusor“ der Präsentation einen aktuellen Mittelpunkt gibt –, sind überwiegend wunderbare Bleistiftskizzen auf Transparentpapier, manchmal wie auf einem Einkaufszettel mit Kalkulationen und Ausführungshinweisen ergänzt, laut Gedachtes aus der Werkstatt der Architekten für Werkzeuge des Städtischen. Und statt schlüpfriger Renderings hängen handwerkliche Zeichnungen in Pastellkreide an den Wänden des Kunstverein-Pavillons. Manche Projekte wirken wie die ingenieurtechnische Verwandtschaft von Hansjörg Voths archaischen Feldzeichen.

Mit einer gewissen Ungeduld verlässt man die Ausstellung. Man möchte die Künstler und Architekten noch einmal aktivieren, ihnen die zahllosen Fehlstellen zeigen, wo etwas hingehört, wo ein städtisches Desiderat markiert werden muss. Es sind so viele.

1914_SK_HausRuckerHaus-Rucker-Co, „Städtisches Werkzeug“, bis 12. Mai im >>> Mannheimer Kunstverein