• Über Marlowes
  • Kontakt

 


Wohnraum ist vielerorts knapp. War beim Maler Carl Spitzweg der Dachraum noch Refugium armer Poeten, avanciert er heute oft zum Schönsten, was ein Haus zu bieten hat.


1838_Rez_Joch_BCH

Dachräume. Von Thomas Jocher und Ulrike Witzorreck. 320 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 23 x 29,7 cm, ISBN 978-3-95553-356-4, 59,90 Euro

Das Buch hätte mir schon als Bub gefallen, lange, bevor ich mich für Architektur interessiert habe. Einfach wegen der inhaltsträchtigen Aufmachung, der vielen instruktiven Zeichnungen, Schaubilder, Tabellen. Man kann das Buch durchblättern wie ein Memory-Spiel, es gibt Einblick in einen Planungsberuf, man möchte damit zu tun haben, mit dieser Materie, die sich so akkurat skizzieren lässt.
Architekten nehmen das Werk anders zur Hand. Sie wollen ein Haus mit Steildach bauen oder einen vorhandenen leeren Dachraum zur Wohnnutzung aufwerten. Wobei die Autoren sich in erster Linie auf den Neubau kaprizieren, ihr Buch ist also keine Anleitung, wie man zusätzlichen Wohnraum über den städtischen Traufen herstellt und den gestalterischen Wildwuchs auf ungestörten Ziegeldächern verhindert. Das Steildach gilt ihnen als Chance, das ganze Haus als räumliche Typologie zu betrachten und nicht nur gestapelte Grundrisse zu entwickeln. Das geneigte Dach birgt das atmosphärische Potenzial, zwischen der Geborgenheit für die Bewohner und der kulturellen Verbundenheit mit der Gemeinschaft einer städtischen Umgebung zu vermitteln. Dabei geht es nicht um betuliche Traditionslinien oder gar ein Plädoyer für eine Antimoderne, wie es von anderer Seite propagiert wird, das zeigt der weit gesteckte Rahmen an Beispielen aus ganz Europa.

1838_Dach_2

Bevor man aber zum Projektkatalog kommt, darf man sich in ein Konvolut an Planungsgrundlagen vertiefen. Das Schwarzbrot des Entwerfens wird hier aufgeschnitten, es geht um Typologien und Wohnfunktionen, schließlich um Konstruktion und Bauphysik, wie man es von einer Detail-Edition erwartet. Da die Anforderungen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich sind, rekurrieren die Autoren auf die deutsche Musterbauordnung und verweisen danach auf Landesbauordnungen, Fachregeln und DIN-Festlegungen. Bestimmend bei den mit Bienenfleiß zusammengetragenen Hinweisen sind die präzisen Zeichnungen. Natürlich gelten für eine Dachraumarchitektur keine anderen Vereinbarungen als für das übrige Haus. Deshalb findet man in dem Kompendium eine Fülle an Informationen, die auch an sonstigen Stellen verfügbar sind, bisweilen glaubt man den Neufert, Friedrich oder Schmitt für die Dachschräge vor sich zu haben. Aber das schadet überhaupt nichts. Wer mag sich schon für eine eindeutige Bauaufgabe mit einer ganzen Bibliothek wappnen? Dafür empfiehlt sich dieses famose Grundlagenbuch, das neugierig auf Architektur macht.

1838_Seite

Weitere Informationen >>>