Die Fotografin Candida Höfer erhielt am 13. September 2024 den Käthe-Kollwitz-Preis 2024 der Akademie der Künste in Berlin. Mit einer außerordentlichen Perfektion besticht ihr architekturfotografisches Werk in einer sehenswerten Ausstellung.
Am Rande eines Fototermins in Hamburg hatte ich gerade die vorzüglich kuratierte (leider inzwischen zu Ende gegangene) Henri Cartier-Bresson-Ausstellung angesehen und fuhr drei Tage später voller Erwartungen nach Berlin, zur Eröffnung der Candida-Höfer-Ausstellung. Unterschiedlicher können die Fotografie-Welten, unterschiedlicher die Personen kaum sein. Die Porträts der Fotografen vermitteln einen ersten Eindruck davon. Candida Höfer erkennt man nur schemenhaft hinter einem klar strukturierten Ornamentglas. Sie sucht mit der Kamera in der Hand nach der geeigneten Perspektive und wartet auf das perfekte Licht für das dann endgültig vom Stativ aus aufgenommene »Porträt eines Raumes« (sie benutzt dafür nicht das Wort Architekturfotografie). Sie selbst bleibt im Hintergrund, versteckt sich gleichsam hinter ihren ausgewogen komponierten Bildern. So war sie – ganz folgerichtig – auch bei der Pressekonferenz vor der Ausstellungseröffnung nur mittelbar präsent. Henri Cartier-Bresson hingegen wirkt im Porträt, als habe er immer den Finger am Auslöser gehabt, um den »entscheidenden Augenblick« (le moment décisif, the decisive moment) festzuhalten. Weltbekannt sein Foto, das den Sprung über, nein: in eine Pfütze eine entscheidende hundertstel Sekunde vor dem Aufplatschen festhält.

Die Berliner Nationalgalerie setzte Candida Höfer 2021, nach der Sanierung, nicht orthogonal ins Bild. (© Candida Höfer)
Am Beginn ihrer Karriere hat Candida Höfer auch Menschen fotografiert, zum Beispiel eine Serie über türkische Migranten in Deutschland, aber bekannt wurde sie erst mit Fotos, bei denen es nicht um den entscheidenden Augenblick, sondern um den entscheidenden Blick geht, mit ihren aufgeräumten, perfekt komponierten, oft unterkühlt wirkenden, auf jeden Fall menschenleeren Porträts von Räumen.
Ebenso perfekt wurde die aus wenigen, großformatigen Bildern bestehende Ausstellung in der Akademie der Künste komponiert, inszeniert. Das exakt über Eck aufgenommene Foto der Neuen Staatsgalerie wurde ebenso exakt in die Achse der Enfilade gehängt. Man wird nach dem Betreten des ersten Raumes förmlich hineingezogen. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass die Bilder entweder gar nicht oder aber entspiegelt verglast worden wären. Gehe ich, wie offenbar erwünscht, schnurstracks auf die Neue Staatsgalerie zu, sehe ich als erstes mich selbst – als Spiegelbild.
Das gilt analog auch für alle anderen Bilder. Ob gewollt oder nicht: So werden die auf den Bildern bewusst ausgeklammerten Menschen nachträglich wieder hineingezogen, als Schar der Betrachter. Oder dient das nicht entspiegelte Glas am Ende nur dem Kopierschutz? Denn sorgfältig frontal aufgenommene Ausstellungsbilder zeigen immer auch den mit dem Handy fotografierenden Betrachter.
Bei der Berliner Ausstellung werden Fotos gezeigt, die Candida Höfer in Berlin und Weimar aufgenommen hat, die Neue Nationalgalerie Berlin, das Neue Museum Weimar, das Goethe-Nationalmuseum Weimar und die Komische Oper Berlin.
»Candida Höfer«, Ausstellung zur Verleihung des Käthe-Kollwitz-Preises, Akademie der Künste, Berlin, bis 24. November 2024
»Henri Cartier-Bresson, Watch! Watch! Watch!«, Bucerius Kunstforum, Hamburg, 15.6.–22.9.2024
Zur Rezeptionsgeschichte von Ausstellungskonzepten empfehlen wir einen Vortrag von Walter Grasskamp: https://www.youtube.com/watch?v=n2KgRk4skXo