
Transport der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Süd-West-Afrika. Abfahrt des Dampfers „Alexandra Woermann“ von Hamburg nach dem Kriegsschauplatz. (Bundesarchiv, Bild 146-2008-0181 / Franz Spenker / CC-BY-SA 3.0)
Die Debatte um die Erinnerung an den Kolonialismus in Hamburg ist kontrovers und andauernd. Bislang gibt es jedoch keinen öffentlichen Gedenkort für diese Geschichte, obwohl der Hamburger Hafen die Drehscheibe kolonialer Kriegslogistik war. Wie könnte am Baakenhafen, der seit wenige Jahren neu bebaut wird, künftig ein würdiger Umgang mit diesem kolonialen Erbe aussehen?
Der Beitrag erschien zuerst auf Geschichte der Gegenwart. Wir danken für die Möglichkeit, ihn zu veröffentlichen. red
Denkmäler, Statuen, Straßennamen – sie sind nicht einfach nur historische Zeugnisse, sondern müssen auch als Formen der Herrschaft über den öffentlichen Raum verstanden werden. In den vergangenen Jahren entzündete sich an Denkmälern und Monumenten, die mit Rassismus, Sklaverei und Kolonialismus in Verbindung stehen, eine Debatte über öffentliches Gedenken sowie deren Kontinuitäten bis in die Gegenwart. Die Black Lives Matter-Bewegung äußerte sich in zahlreichen amerikanischen Städten nicht nur in Protesten gegen rassistische Polizeigewalt, sondern auch in Denkmalstürzen von Statuen konföderierter Generäle, die für das System der Sklaverei und der rassistischen Segregation stehen. Diese Entwicklungen fanden auch in Europa Resonanz. In Bristol stürzten im Sommer 2020 Demonstrant:innen die Statue des Sklavenhändlers Edward Colstons in die Docks. Das Ereignis löste in Großbritannien und weit darüber hinaus eine Diskussion darüber aus, wie eine postkoloniale Erinnerungskultur aussehen kann, die den lange ignorierten oder nostalgisch verklärten Kolonialismus auch im öffentlichen Raum kritisch hinterfragt. Diese Debatten markieren dabei auch ein wachsendes Bewusstsein für die historische Verantwortung von Städten, die eng mit der kolonialen Globalisierung verbunden waren. Gleichzeitig zeigen sich jedoch auch Tendenzen, die auf eine Abwehrhaltung gegenüber dieser kritischen Auseinandersetzung hindeuten.

Der Petersenkai im Baakenhafen, um 1900. (Bild: Wikimedia Commons, Franz Schmidt; Otto Kofahl)
Hamburg als bedeutende Hafen- und Handelsmetropole, als „Tor zur Welt“, das auch ein „Tor zur kolonialen Welt“ war, steht inmitten dieser Auseinandersetzungen. Bereits 2014 einigte sich die Hamburger Bürgerschaft, das Landesparlament, fraktionsübergreifend auf einen Neustart einer postkolonialen Erinnerungskultur und bekannte sich zur Aufarbeitung der Kolonialgeschichte. Doch trotz zahlreicher Bemühungen von Aktivist:innen und Zivilgesellschaft, trotz wissenschaftlicher Grundlagenforschung und öffentlicher Vermittlungsarbeit ist diese Geschichte im öffentlichen Raum der Hansestadt bislang nur marginal präsent.
Gerade an einem Ort wie dem Baakenhafen, der eine zentrale Rolle in der kolonialen Infrastruktur spielte, stellt sich die Frage, wie ein würdiger Umgang mit diesem kolonialen Erbe aussehen könnte und welche Rolle dieser Ort in der postkolonialen Erinnerungstopographie Hamburgs in Zukunft spielen wird.
Der Baakenhafen in Hamburg steht heute im Zentrum städtischer Entwicklungsprojekte und wird als moderner, „familienfreundlicher“ urbaner Raum in „doppelter Wasserlage“ beworben. Als Teil der HafenCity, einem neu entstandenen Stadtviertel auf ehemaligen Hafenflächen im Südosten des Hamburger Stadtzentrums, sollen dort in den nächsten Jahren weitere etwa 2.400 Wohneinheiten und über 2.000 Arbeitsplätze entstehen. Seit 2012 wird dort gebaut, etliche Wohngebäude stehen schon. Eine Schule, ein Park und ein Platz säumen bereits das Ufer. Allmählich wird es enger im Baakenhafen.
Doch diese zunehmende Bebauung droht einen bedeutenden Erinnerungsort für den Krieg des Deutschen Reiches gegen die Herero und Nama und den an ihnen begangenen Völkermord (1904–08) im heutigen Namibia zu verdecken. Denn der Hamburger Hafen im Allgemeinen und der Baakenhafen im Besonderen waren Schlüsselorte der kolonialen Infrastruktur des Deutschen Reiches. Im Laufe des Krieges in Deutsch-Südwestafrika wurde der Baakenhafen zur logistischen Drehscheibe des kolonialen Völkermordes. Der Baakenhafen ist in der Erinnerungstopographie Hamburgs noch immer eine Leerstelle. Dies sollte nicht so bleiben. Eine aktive und nachhaltige Auseinandersetzung am historischen Ort ist erforderlich, um der „Entinnerung“ entgegenzutreten.
Der Hamburger Hafen als Drehscheibe kolonialer Kriegslogistik
Am Mittag des 20. Mai 1904 kam Generalleutnant Lothar von Trotha in Hamburg am Berliner Bahnhof an, wo ihn Adolph Woermann, der Chef der Woermann-Linie und Patriarch des Woermann-Konzerns, empfing und mit seinem Automobil zum Baakenhafen fuhr. Nur wenige Tage zuvor war von Trotha zum Kommandeur der sogenannten „Schutztruppen“, der kolonialen Armee, in Deutsch-Südwestafrika ernannt worden. Damit löste er den bisherigen Befehlshaber Theodor Leutwein im Krieg gegen die Herero ab, den das Deutsche Reich seit Januar 1904 führte und an den sich der Krieg gegen die Nama im Herbst desselben Jahres anschloss. Zwei Schiffe lagen am Petersenkai im Baakenhafen bereit für die Abfahrt: Die „Eleonore Woermann“ und die „Montevideo“. Beide waren bis in die Toppen beflaggt. Für die 655 Soldaten und über 400 Pferde, die mit diesen beiden Schiffen die fast 30-tägige Reise antreten sollten, war dies der letzte Aufenthalt auf europäischem Festland.

Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Süd-West-Afrika. Die letzte Ansprache und Verabschiedung auf heimatlichem Boden; 1905 (Bundesarchiv, Bild 146-2008-0178/ Franz Spenker / CC-BY-SA-3.0)
Am Kai angekommen, speisten von Trotha, sein Stab und Woermann gemeinsam im Salon an Bord der „Eleonore Woermann“, während die Soldaten und Mannschaften an den extra hergerichteten Tischen in den Schuppen am Kai zu Mittag aßen. Danach inspizierten von Trotha und Woermann die Schiffe und Vorrichtungen für die Transporte.
Anschließend begann der festliche Teil. Am Kai hatten sich hunderte Zuschauer:innen und Schaulustige versammelt. Es waren so viele, dass die Woermann-Linie kurzerhand begann, bei Transporten dieser Art Zutrittskarten auszugeben. Um kurz nach fünf Uhr nachmittags begann die Militärkapelle Musik zu spielen. Hochrangige Generäle hielten kurze Reden, ein Vertreter der Hamburger Regierung übergab den Soldaten sogenannte Liebesgaben, Zigarren, Etuis und Postkarten. Danach fuhren die Schiffe ab, während die Kapelle Lieder wie „Deutschland, Deutschland über alles“ und die „Wacht am Rhein“ spielte. Die Zuschauer:innen stimmten mit ein und unter großen „Hurra“-Rufen fuhren die beiden Schiffe davon. In einen Krieg, der zu einem Völkermord werden sollte.
Diese Szene – in den historischen Quellen dokumentiert – illustriert eine Verbindung von Militär, privatwirtschaftlicher Logistik und Hamburger Stadtgesellschaft, die im Verlauf des Konflikts zunehmend von strategischer Bedeutung wurde. Die symbolträchtige Abfahrt der „Eleonore Woermann“ und der „Montevideo“ mit hunderten Soldaten und Pferden war nicht nur ein logistischer Akt, sondern auch eine öffentliche Aufführung der Unterstützung Woermanns und der Hansestadt für den kolonialen Kriegseinsatz. In diesem Krieg wurden die Woermann-Linie und ihre Leitung zu Ermöglichern des Völkermordes.
Als der Krieg gegen die Herero im Januar 1904 begann, hatte der Woermann-Konzern bereits massiv in Deutsch-Südwestafrika investiert. Bereits 1891 hatte die Woermann-Linie einen regelmäßigen Schiffsverkehr zwischen dem Deutschen Reich und Namibia eingerichtet, maßgeblich gefördert durch Subventionen des Deutschen Reichs. Gemäß den Verträgen mit der Kolonialverwaltung bestand die Verpflichtung, den gesamten Nachschub für die Kolonialbehörden und die „Schutztruppe“ in Deutsch-Südwestafrika auf den Schiffen der Woermann-Linie zu transportieren: Pferde, Waffen, Ausrüstung und Proviant. Ein Monopol auf Truppentransporte, wie immer wieder behauptet wird, hatte Woermann nicht.
Ermöglicher des Völkermordes
Dennoch entwickelte sich die Reederei während des Krieges zum wichtigsten Logistikunternehmen. Bis Mitte 1906 wurden insgesamt mindestens 19.000 Soldaten und Offiziere der Schutztruppe verschifft, die überwiegende Mehrheit mit Schiffen der Woermann-Linie und der zum Woermann-Konzern gehörigen Deutschen Ost-Afrika-Linie. Über 90 Prozent aller Abfahrten erfolgten vom 1,2 Kilometer langen Petersenkai im Baakenhafen, der exklusiv von der Woermann-Linie gemeinsam mit der Deutsch Ost-Afrika-Linie und der Levante-Linie gepachtet worden war.

Transport der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Süd-West-Afrika. Abfahrt des Dampfers „Ernst Woermann“ von Hamburg nach dem Kriegsschauplatz. (Bundesarchiv Bild 146-2008-0180, Hamburg, Abfahrt „Ernst Woermann“, CC BY-SA 3.0)
Die Woermann-Linie widmete einen großen Teil ihrer Energie der Kriegslogistik und engagierte sich weit über das vertraglich vereinbarte Maß hinaus für den reibungslosen Ablauf der Transporte. Dafür baute sie ihre Flotte massiv aus. Von Mitte 1904 bis Anfang 1905 kaufte oder baute sie insgesamt 11 Schiffe im Wert von etwa 18 Millionen Mark. Zudem wurden mindestens 50 Transporte auf über 27 zusätzlich von anderen Reedereien gecharterten Schiffen durchgeführt. Darüber hinaus war die Woermann-Linie nicht nur für die Verladung in Hamburg verantwortlich, sondern organisierte auch die Entladung in den Häfen Swakopmund und Lüderitzbucht. Die schwierige Landung erforderte zusätzliche Boote, Barkassen, Ladegeschirr und Arbeiter:innen.
Die „Arbeiterfrage“ wurde zentral im Kriegsverlauf. Im Mittelpunkt standen dabei die so genannten Krumen aus Liberia, die diese Arbeit an der gesamten westafrikanischen Küste übernahmen. Die Woermann-Linie, die über Jahrzehnte hinweg Seeleute aus Liberia beschäftigte, hatte bei der Anwerbung der Krumen einen deutlichen Vorteil gegenüber konkurrierenden Reedereien. Doch auch das Angebot an liberianischen Arbeitskräften versiegte mit der Zeit und konnte die Nachfrage nicht mehr decken. Die Woermann-Linie suchte nach Alternativen und die Kolonialregierung bot ihr einen Ausweg: den Einsatz von Kriegsgefangenen.
Die Woermann-Linie wurde 1905 zum Unternehmen im Bezirk Swakopmund, das sich am stärksten am System der „Arbeitergestellung“ beteiligte, bei dem Kriegsgefangene vom Kolonialgouvernement an Unternehmen und Privatpersonen zur Zwangsarbeit verliehen wurden. Ab 1905 war fast jeder zehnte der 1200 in Swakopmund beschäftigten Arbeiter der Woermann-Linie ein Kriegsgefangener. Die Zwangsarbeiter sollten die „niederen Arbeiten im Landungsbetrieb“ übernehmen, die bis zum Kriegsbeginn von Ovambo- und Herero-Vertragsarbeiter:innen verrichtet worden waren.
Die Existenzbedingungen für die zwangsbeschäftigten Afrikaner:innen bei der Woermann-Linie waren geprägt von karger Ernährung, harter Arbeit und körperlichen Strafen. Gerade die harten Landungsarbeiten im eiskalten Wasser führten zu Krankheits- und Todesfällen. Von 115 im April 1905 bei der Woermann-Linie in Swakopmund zwangsbeschäftigten Herero starben im Zeitraum von einem einzigen Monat sechs Zwangsarbeiter:innen. Das entspricht einer Sterblichkeitsrate von 5,2 Prozent. Damit lag die Sterblichkeitsrate der Zwangsarbeiter:innen im Konzentrationslager der Woermann-Linie zynischerweise deutlich höher als die der Pferde auf ihren Transporten von Hamburg nach Swakopmund. Diese lag bei nur 0,6 Prozent.
Für den Woermann-Konzern war der deutsche Kolonialismus kein Verlustgeschäft, als das er bis heute in der öffentlichen Debatte bezeichnet wird. Im Gegenteil: Die umfangreichen Truppen- und Gütertransporte ermöglichten hohe Profite. Insgesamt konnte die Woermann-Linie kriegsbedingte Mehreinnahmen in Höhe von bis zu 26,5 Millionen Mark verbuchen. Während die Gewinne privatisiert wurden, wurden die finanziellen Kosten der deutschen Kolonialherrschaft sozialisiert. Die mit dem Krieg in Deutsch-Südwestafrika verbundenen Kosten von knapp 600 Millionen Mark führten – auch weil der Reichstag über das Budgetrecht verfügte – zu einer intensiven Debatte und zu massiver öffentlicher Kritik an der Woermann-Linie und an Adolph Woermann persönlich. So warf der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger der Woermann-Linie vor, sie habe aufgrund von überhöhten Fracht- und Passagepreisen „einen Überverdienst von drei Millionen Mark“ verbucht und damit das Deutsche Reich übervorteilt.

Der Baakenhafen 2022. (Bild: Wikimedia Commons, Uwe Rohwedder, CC BY-SA 4.0)
Erinnerungspolitische Leerstellen
Heute erinnert vor Ort nichts an die bedeutende Rolle des Hamburger Hafens im Kolonialkrieg und den Völkermord an den Herero und Nama durch das Deutsche Reich. Dabei ist die historische Bedeutung des Hamburger Hafens im Allgemeinen und des Baakenhafens im Besonderen für die Kolonialgeschichte schon seit einigen Jahren aufgearbeitet worden, zuletzt durch die Arbeiten Jan Kawlaths zu den kolonialen Inszenierungen im Baakenhafen und in meiner Forschungsarbeit zum Woermann-Konzern und dessen Rolle im Völkermord an den Herero und Nama. Der Baakenhafen ist in der Erinnerungstopographie Hamburgs noch immer eine Leerstelle. Ein blinder Fleck, der symptomatisch scheint für Jahrzehnte kollektiver Nicht-Erinnerung oder nostalgischer Verklärung der deutschen Kolonialgeschichte in Deutschland selbst. Der Historiker Jürgen Zimmerer sprach in diesem Zusammenhang von „kolonialer Amnesie“, der Kulturwissenschaftler Kien Nghi Ha in einem anderen von „Entinnerung“. Gegen diesen Mantel des Schweigens setzen sich Herero und Nama, Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen aus aller Welt seit Jahren ein. Und allmählich ändert sich etwas. 2018 etwa fand der Zweite Transnationale Herero- und Nama-Kongress in Hamburg statt. Der Kultursenator Carsten Brosda entschuldigte sich in diesem Rahmen bei einem Senatsempfang im Namen der Stadt für die herausragende Rolle Hamburgs im Völkermord. Doch ein offizielles Gedenken im öffentlichen Raum findet bisher nicht statt.
Gegen die neuesten Bebauungspläne haben Jürgen Zimmerer und ich im Mai 2024 daher offiziell Einspruch eingelegt. Doch was würde es bedeuten, wenn durch die geplante Bebauung Fakten geschaffen würden, die ein Gedenken vor Ort unmöglich machen? Würde dadurch nicht eine Chance vertan, einen Ort zu schaffen, der einer würdigen Erinnerung an die Opfer des Kolonialkriegs und an die Rolle Hamburgs im Völkermord gerecht wird? Die Fragen, an wen und was erinnert wird, wie wir erinnern, wer in die Erinnerungskultur eingeschlossen und wem diese Anerkennung verweigert wird, sind von zentraler Bedeutung für eine an Aufklärung und Gerechtigkeit interessierte demokratische Gesellschaft. Wie kann eine Geschichtskultur gestaltet werden, die auch die Würde derjenigen anerkennt, deren Geschichte und Leid bisher marginalisiert oder ignoriert wurde? Im Kern dieser Auseinandersetzung geht es um das Recht der damaligen Kolonisierten und ihrer Nachfahren, dass die Erfahrungen und Perspektiven der Betroffenen Teil der offiziellen Gedenkkultur der ehemaligen Kolonialmächte werden.
Dies ist umso bedeutender, als dass es gegenläufige Tendenzen gibt und geschichtsrevisionistische Kolonialapologie aus rechten Kreisen auf eine zunehmende Skandalisierung postkolonialer Ansätze und eine allgemeine Ignoranz der historischen Verantwortung trifft. So wurde etwa in Thüringen die erst 2021 geschaffene wissenschaftliche Koordinierungsstelle „Koloniales Erbe“ nicht verlängert, während in Bremen die versprochene Aufarbeitung nie umgesetzt und institutionell verankert wurde. Zudem soll die Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ in ihrer derzeitigen Form abgewickelt werden. Das von der Bundesregierung versprochene Konzept für einen „Lern- und Erinnerungsort Kolonialismus“ harrt noch immer der Fertigstellung. Ob es überhaupt kommt, ist fraglich.

DIe Informatioen zum Baakenhafen enthalten keinen Hinweis auf dessen Rolle im Kreieg gegen Herereo und Nama. (Bild: Kim Todzi)
Es geht bei der Auseinandersetzung um die Erinnerung im Baakenhafen also um nichts weniger als darum, dass im öffentlichen Raum anerkannt wird, dass der Völkermord an den Herero und Nama nicht nur ein Teil der namibischen, sondern auch der deutschen Geschichte ist. Dabei sollten auch die ermordeten und anonym gebliebenen Opfer des von Deutschen verübten Genozids bewusst- und sichtbar gemacht werden. Die Aufarbeitung einer verflochtenen Geschichte erfordert zudem, dass auch Geschichtsbilder partizipativ hergestellt werden. Wie können die Nachkommen der Opfer dabei mit ihren Perspektiven einbezogen werden? Und zuletzt geht es darum, dass Gedenken auch materielle Zeugnisse benötigt: Gräber, Gedenksteine, Mahnmale und andere Erinnerungsorte. Der materielle Raum des Baakenhafens verbindet die Geschichte des Kolonialkriegs in Deutsch-Südwestafrika direkt mit dem Hamburger Hafen und ermöglicht damit eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit.
Eine Forderung ist daher, im Baakenhöft ein Dokumentationszentrum für die Geschichte des kolonialen Genozids zu errichten und damit einen Lern- und Gedenkort für die Geschichte des Kolonialkriegs und die Rolle des Hamburger Hafens darin zu schaffen. In Anbetracht des langwierigen, schmerzvollen und oftmals unwürdigen Prozesses der Anerkennung, Aufarbeitung, Entschuldigung des Völkermordes wäre es ein kaum rückgängig zu machender Fehler, die Möglichkeit für einen solchen Gedenkort sprichwörtlich zu verbauen, die Geschichte quasi zu versiegeln. Denn diese Geschichte wurde auch in Hamburg viel zu lange verdrängt – es ist an der Zeit, ihr wortwörtlich endlich Raum zu geben.