Baukultur lebt nicht vom Spektakulären. Zumindest nicht nur und auch nicht primär. Dass mit Sanierungen und Neunutzungen nachhaltige Wege beschritten werden, zeigt ein Mal mehr ein kleines Projekt in Karlsruhe, das in einem kleinen Buch präsentiert und erst nach der Pandemie wieder zu besichtigen sein wird.
Corona. Immer wieder: Corona. Anstatt dass wir das Rote Haus in Karlsruhe-Rüppurr besichtigen (oder dort sogar zu einer Lesung einladen) können, bleibt uns nur dieses achtzigseitige Buch, das letztes Jahr erschienen ist. Immerhin: Lesen gilt in Zeiten der Pandemie als unentbehrliche Kulturtechnik.
Das Rote Haus, so benannt nach seiner karmesin geputzten Fassade, blieb als monolithisches Fragment vom Schloss der Herrschaften von Rüppurr übrig. Bereits im 18. Jahrhundert war mit dem Abtrag des verfallenden Adelsanwesens begonnen worden. Das als Meierei genutzte repräsentative Rote Haus, das in der Renaissance datiert, wurde erst vor zwanzig Jahren aufwändig saniert. Es steht als Baudenkmal, es kann jedes Jahr am Tag des offenen Denkmals besichtigt werden.
Doch handelt es sich um kein totes Gehäuse, vielmehr lebt es seit seiner Neubestimmung als Therapiezentrum für Menschen mit seelischen und körperlichen Befindlichkeitsstörungen. Ein Wegweiser am Eingang zeigt, welche Angebote auf drei Geschossen und unterm Dach zu finden sind. Man soll das Rote Haus erfahren als „Ort, in dem sich Lebensfreude und Spiritualität auf ideale Weise treffen“, schreibt eine Besucherin. Kunst, Literatur, Musik und Philosophie ergänzen die medizinischen und psychotherapeutischen Behandlungen in diesem Begegnungshaus. Eine Akademie kümmert sich um das vielseitige Kulturprogramm mit „existenzerhellenden“ Beiträgen. Mit Hans Robert Hiegel gehört auch ein Architekt zum Leitungsteam. Und nicht zuletzt spielt das Haus selbst eine Rolle. Beim Beschäftigen mit dem Denkmal will man Nachdenken über „seine verschiedenen Aspekte, etymologisch, historisch, soziologisch, psychologisch, architekturtheoretisch“. Es erinnert uns an Rudolf Steiner: Bauen heißt Hülle bilden um das Zentrum Mensch. Hier ventilieren die Autoren, dass „sowohl die Architektur als auch die Psychotherapie auf der gleichen Haltung [aufbauen:] nichts beweisen, nur etwas verändern zu wollen“. Wenn Corona es zulässt, müssen wir mal hin.