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Erinnerung an Architektur

Stilkritik (27) – Es gibt Architekten, die ihre Arbeit programmatisch definieren und über lange Zeit mit Geschriebenem und Gebautem Spuren legen. Ein Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erwächst daraus nicht.

1713_SK_27_BCH_Kollhoff

Dreiklänge

Zu den verlautbarenden Architekten zählen wir zum Beispiel Hans Kollhoff. Nach der Berliner IBA verfolgte er ohne seinen damaligen Partner Arthur Ovaska mit Helga Timmermann die ernsten Ambitionen seines Berufs. Zu den Leitvokabeln seiner Texte gehören seither drei Begriffe: Handwerklichkeit, Tektonik und Verfeinerung. Gegen eine werkgerechte Ausführung kann man nichts einwenden, ob die Abtragung der Lasten von der Dachkante bis zum Fundament für jeden nachvollziehbar bleiben soll, ist im engen Sinn Ansichtssache, doch der im Lauf der Baugeschichte ersehnte kulturelle Fortschritt kann eine Hoffnung sein. Was allerdings herauskommt, wenn man Kollhoffs Dreiklang befolgt, muss nicht so aussehen wie das, was Kollhoff baut.

Wertschöpfung

Es gibt auch andere Parameter, die nicht unsympathisch sind, die sich auf eine soziale, angemessene, nachhaltige Wertschöpfung orientieren. Wie diese Architektur Gestalt annimmt, brauchen wir uns ebenfalls nicht vorstellen. Sie kann gut oder schlecht sein. Denn das ist das Dilemma, wenn Architekten ihre Arbeit mit Maßregeln für die gesamte Zunft begleiten. Kollhoffs Plädoyer für eine Permanenz des Gebauten anstatt eines Recyclings von Baustoffen nehmen wir zunächst einmal als sinnvolle Initiative. Es ist die Forderung nach einer Patek-Philippe-Architektur: Sie gehört einem nie ganz allein. Man erfreut sich ein Leben lang an ihr, aber eigentlich bewahrt man sie schon für die nächste Generation. Soweit sind wir dabei.

„Grüner Wahnsinn“

Doch Kollhoff führt eine holzschnittartige Argumentation, er zetert über den „grünen Wahnsinn“, der vom Marketing der Industrie übernommen und vom ahnungslosen Feuilleton und „den sogenannten Architekturzeitschriften“ gefeiert werde. Und was Wunder, er kann die gesamte Baugeschichte nach diesem Muster auslegen. Zu Jahresbeginn öffnete ihm die deutsche Domus ihre Spalten. Dort berichtet Kollhoff über den Sündenfall von Superstudio und Archigram, die die Erdenschwere der Architektur für ihre Utopien leugneten. Gottlob ließ sich aber bei Corbu und Mies tektonische Sensibilität entdecken, und ein Blatt aus Schinkels architektonischem Lehrbuch darf als Beweismittel auch nicht fehlen. Merkt Kollhoff eigentlich nicht, dass er wie ein Tierstimmenimitator nur aufgerufen wird, um immer dieselben Sätze zu sagen, weil man bei jeder Diskussion sicher sein kann, welchen Platz er einnimmt?


1713_SK_ZehBei Juli Zeh (Treideln. Frankfurter Poetikvorlesungen. München 2015, 1:2013; ISBN: 978-3-89561-437-8) lesen wir, kein Autor sei „Herr über das Wie seines Schreibens, fehlt ihm doch zumeist schon die Verfügungsgewalt über das Ob“. Für Architekten gilt das ähnlich. Es gibt hinreißende Bauten, deren Schöpfer mit keiner Silbe mitteilen, was sie sich dabei gedacht haben und welchen Nutzen die Welt davon hat.