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Wolfgang Pehnt ist 90!

Wolfgang Pehnt vor den Büchern, von denen er sich nicht trennen will (Bild: Wilfried Dechau, Ende August 2021)

Wolfgang Pehnt vor den Büchern, von denen er sich nicht trennen will (Bild: Wilfried Dechau, Ende August 2021)

Gerade erst war er 80. Und jetzt der neunzigste Geburtstag – Grund zum Feiern, das in Corona-Zeiten nicht so einfach ist. Doch ein Besuch bei Wolfgang Pehnt in seinem Kölner Zuhause offenbarte einen aufmerksamen Geist und nimmermüden Schreiber.


Dass es ungewollt zu einem »Dinner for One« werden könnte, war seine größte Befürchtung, als wir uns wenige Tage vor seinem Geburtstag in Köln trafen. Der Bahn-Streik hätte ihm die Geburtstagsfeier gehörig vermasseln können: »Da sitze ich jetzt ›auf‹ meinem vorgebuchten Restaurant und weiß nicht, ob ich das dann auch füllen kann.«
Die Geburtstagsgrüße zum Neunzigsten wollte ich nicht aus der Distanz schreiben. Unsere Wege hatten sich – vor allem in der Zeit, als ich noch bei der db war – immer mal wieder gekreuzt. Jetzt aber lag das letzte Treffen tatsächlich zehn Jahre zurück. Wolfgang Pehnt, bei der zu seinem Achtzigsten im DAM veranstalteten Ausstellung »Die Regel und die Ausnahme«, gut gelaunt, rüstig, voller Energie. So habe ich ihn seinerzeit im Bild festgehalten – siehe Seitenspalte.
Also habe ich mich auf den Weg gemacht, ihn zu besuchen. In seinem Haus, das ich bislang nur aus dem Internet kannte. Wolfgang Meisenheimer hat es gebaut.

"Haus Pehnt" in Köln-Weiden (Bild: Wilfried Dechau)

„Haus Pehnt“ in Köln-Weiden (Bild: Wilfried Dechau)

"Haus Pehnt" von Wolfgang Meisenheimer, 1976-77 gebaut – aber nicht für Wolfgang Pehnt.

„Haus Pehnt“ von Wolfgang Meisenheimer, 1976-77 gebaut – aber nicht für Wolfgang Pehnt.

Auf Wolfgang Meisenheimers Website erscheint es als »Haus Pehnt«. Also konnte man annehmen, Wolfgang Pehnt sei auch der Bauherr gewesen. Da lag es nahe, ihn zu fragen, wieso er Wolfgang Meisenheimer beauftragt hatte – und nicht zum Beispiel Heinz Bienefeld, der ja ebenfalls »um die Ecke« wohnte. Wolfgang Pehnt war aber nicht der Bauherr. »Wir wohnten nicht weit weg von hier und haben die Bauzeit des Hauses mitbekommen. Irgendwann lernten wir die Leute kennen. Und eines Tages fragte uns Meisenheimer, den ich von Tagungen her kannte, ob wir Interesse an dem Haus hätten, denn es solle verkauft werden. Und da haben wir dann zugegriffen.«

Das Wohnzimmer mit Bertoia-Stühlen und einer Zeichnung von Gottfried Böhm (Bild: Wilfried Dechau)

Das Wohnzimmer mit Bertoia-Stühlen und einer Zeichnung von Gottfried Böhm (Bild: Wilfried Dechau)

Mies van der Rohe!

 

Wolfgang Pehnt bekam die Zeichnung von Gottfried Böhm – über den er ein kleines Buch geschrieben hatte – als Geschenk. (Bild: Wilfried Dechau)

Wolfgang Pehnt bekam die Zeichnung von Gottfried Böhm – über den er ein kleines Buch geschrieben hatte – als Geschenk. (Bild: Wilfried Dechau)

Die Pehnts haben sich das Haus – weitgehend unverändert – angeeignet. Mit Meisenheimers recht eigenwilliger »Kunst im Bau« wurde dennoch immer wieder gehadert: »Für uns war das auch immer ein Problem, wie man zum Beispiel mit den beiden Beton-Giganten umgehen solle.

Eine Wandskulptur (der "Riese") und die Fliesensammlung (Bild: Wilfried Dechau)

Eine Wandskulptur (der „Riese“) und die Fliesensammlung (Bild: Wilfried Dechau)

Im ersten Moment habe ich gedacht, ich klopf das ab, aber wir haben uns dann doch damit arrangiert. Meisenheimer rückte mal mit seinen Studenten an, um denen das Haus zu zeigen. Da war er schwer enttäuscht, weil sein Farbkonzept durchkreuzt worden war. Dabei war das noch nicht einmal unsere Schuld. Das apfelsinenrot gestrichene Treppenhaus zum Beispiel hatten bereits unsere Vorgänger hell überstrichen.«
Ob er sich Bienefeld als Architekten hätte vorstellen können? »Nein, ganz bestimmt nicht. Das wäre zu schwierig gewesen. Der arbeitete zu fein gesponnen und zu rückwärts gewandt. Mir wäre eine Architektur aus unserer Zeit schon lieber.« Auf die Frage, mit wem er denn gern gebaut hätte, kam fast wie aus der Pistole geschossen: »Mies van der Rohe! Und dann hätte ich mich nicht so aufgeführt wie Miss Farnsworth – oder vielleicht auch – wer weiß.«

The Reading Few

Für die ersten Porträts habe ich Wolfgang Pehnt gebeten, vor der Bücherwand Platz zu nehmen. Sind dies die Regale, wo er »aus Angst vor Überschreitung der zulässigen Deckenlasten hin und wieder kräftig ausgemistet hat«? Er lacht. »Nein, nein, das ganze Haus ist voll. Ich traue mich nicht, die Sachen wegzuwerfen. Haben will sie aber auch keiner. Der Ruhr-Universität Bochum, wo ich immerhin ein paar Jahre lang Vorlesungen gehalten habe, habe ich die Bücher angeboten, nicht gegen Geld, einfach so. Und die haben abgesagt. Es tue ihnen leid. Aber dann müssten sie die Bücher binden – und das sei zu teuer.« Eine Zeitlang hatte er sich vorgenommen, jede Woche ein Buch auszusortieren. Aber was nütze das, wenn jede Woche zwei neue hinzukommen. Inzwischen habe er den Kampf gegen die Materie aufgegeben.

Wir wechseln das Thema und damit auch die Szenerie: Man könne doch Böhm mit ins Bild nehmen. »Ich habe ja mal ein kleineres Buch über ihn geschrieben, und da kam diese Zeichnung dann als Dankeschön.« Ob er sich Gottfried Böhm als Architekten hätte vorstellen können? Ich habe nicht danach gefragt, aber er scheint ihn wohl ein wenig ins Herz geschlossen zu haben. Denn so ein Bild hängt nicht ohne Grund an prominenter Stelle im Wohnraum – ebenso wie die beiden großen Fotografien von Klaus Kinold in der Diele.

Sentimental books …

Von Manfred Sack weiß ich, dass er nicht nur geschrieben, sondern auch sehr ambitioniert fotografiert hat. Wie er es denn mit Fotografie halte, möchte ich von Wolfgang Pehnt wissen. »Wenn ich unterwegs war und es sich so ergab, habe ich auch fotografiert, nie zu größerer Perfektion getrieben, jedoch immer so, dass es – in kleinerem Format – auch als Illustration im Buch verwendet werden kann.«
In seinem letzten Buch habe ich nachgezählt: Mehr als ein Drittel der Fotos im Buch hat er selbst beigesteuert. Ob es wirklich das letzte sei? Nun, das wisse man natürlich nie so genau. »Wenn jemand käme, mit einem tollen Buch-Angebot, würde ich mir’s wohl überlegen!«

Städtebau des Erinnerns. Mythen und Zitate westlicher Städte. 2021. 240 Seiten, 260 Abbildungen. ISBN 978-3-7757-4720-2

Städtebau des Erinnerns. Mythen und Zitate westlicher Städte. 2021. 240 Seiten, 260 Abbildungen. ISBN 978-3-7757-4720-2

Ob er mal daran gedacht habe, seine Memoiren zu schreiben. Prinz Harry denkt ja bereits als Jungspund daran. »Ach, weißt Du, ich habe irgendwann mal gezählt, ich habe so etwa zwanzig Bücher in die Welt gesetzt. Und das ist genug, finde ich. Also, das letzte Buch, von dem ich denke, das wird das letzte sein: »Städtebau des Erinnerns«. Herausgekommen ist es bei Hatje. Aus ganz sentimentalen Gründen. Jetzt, bei Hatje-Cantz, Berlin, ist zwar keiner mehr aus der alten Equipe, aber ich dachte, wenn es wirklich das letzte Buch wird, dann sollte es dort erscheinen, wo ich mal angefangen habe. Meine erste Arbeitsstätte im Wohnhaus Hatje, Heidehofstraße, Stuttgart, war in der Küche. Aber das waren nur ein paar Monate. Dann waren wir in der Alexanderstraße. Anschließend in Bad Cannstatt.« So schließt sich der Kreis.

Er hat die Architekturgeschichtsschreibung der letzten 60 Jahre maßgeblich beeinflusst. Das sei hier wenigstens am Rande vermerkt. Expressionismus, Der Anfang der Bescheidenheit, Die Erfindung der Geschichte, Deutsche Architektur seit 1900 (zum zweiten Mal aufgelegt 2006, ein Opus Magnum), Die Regel und die Ausnahme – und jetzt: Städtebau des Erinnerns. Wer es ausführlicher wissen möchte, kann auf Wolfgang Pehnts Website nachschauen – oder im Baunetz, in der Bauwelt …

Auf jeden Fall haben wir zwei uns schon mal für seinen Hundertsten verabredet. »Same procedure as every decade?« Schau’n wir mal, ob ich dann noch auf den Auslöser drücken kann ohne zu verwackeln…