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Die Sammlung van der Grinten zeigt Fotografien von Hugo Schmölz und dessen Sohn Karl Hugo Schmölz, die in faszinierenden Foto-Parallelen Auswirkungen des Kriegs auf ihre Heimatstadt Köln vergegenwärtigen: Bestandsaufnahmen einer Zerstörung in Vintage Prints von 1946-47, zur „Operation Millennium“.

Karl Hugo Schmölz: Diptychon zu St. Georg, 1947, Vintage Print, 22,7 x 17,1 cm (Wim Cox Archiv / Courtesy Van der Grinten Galerie)

Auf den ersten Blick wirken einige der Diptychen wie 3D-Bildpaare, aus denen sich – nach einiger Übung im Schielen – ein dreidimensionales Bild zaubern lässt. Mit dem Bild von Sankt Georg (oben) habe ich es tatsächlich probiert. Aber es widersetzt sich so einer Spielerei. Zwar wurden beide Bilder vom exakt gleichen Standpunkt aus aufgenommen, mit gleicher Kamera, gleichem Objektiv und gleichem Licht. Und trotzdem lassen sie sich nicht zur Deckung bringen. Denn zwischen beiden Bildern klafft ein Abgrund, den man bei vielen der Diptychen erst auf den zweiten Blick erkennt. Durch das Datum 30. Mai 1942 sind die Bildpaare in ein Vorher und Nachher getrennt. »Operation Millennium« lautete der Deckname für Kölns Bombardierung in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942.

Karl Hugo Schmölz_Diptychon_St. Gereon Innen, Köln vor dem Krieg, Abzug von 1947, Vintage Print, 22,5 x 16,9 cm

Karl Hugo Schmölz: Diptychon St. Gereon, Abzug von 1947, Vintage Print, 22,5 x 16,9 cm (Wim Cox Archiv / Courtesy Van der Grinten Galerie)

Bei manchen der Bildpaare erschrickt man erst auf den zweiten Blick. Bei anderen springt das Grauenvolle sofort ins Auge. Aber wie kam es zu diesen Diptychen, die gerade durch ihre sachlich nüchterne Bildsprache in der Gegenüberstellung so verstörend, so brutal wirken? Sie sind gleichsam ein Generationenprojekt der Architekturfotografen Hugo Schmölz (Vater) und Karl Hugo Schmölz (Sohn). Beide sind der heutigen Architektengeneration nicht mehr so geläufig wie zum Beispiel Iwan Baan oder Hélène Binet, aber sie haben mit ihren Bildern die Vor- und Nachkriegszeit außerordentlich stark geprägt.

3_Hugo_Schmoelz_BuchHugo Schmölz (1879-1938) fotografierte unter anderem für Dominikus Böhm, Bruno Paul und Wilhelm Riphahn. Karl Hugo Schmölz erlernte das Fotografenhandwerk bei seinem Vater, übernahm nach dessen Tod 1938 das Atelier und natürlich auch den einen oder anderen Kunden.
3_Karl_Hugo_Schmoelz_BuchtitelKarl Hugo Schmölz fotografierte ebenfalls für Bruno Paul, Wilhelm Riphahn, Dominikus Böhm und dann für dessen Sohn Gottfried. Karl Hugo Schmölz hat die Zerstörung der Stadt Köln und vor allem ihren Wiederaufbau dokumentiert. Sein Wirken nach dem Krieg ist vor elf Jahren in einer hervorragenden Ausstellung im LVR Bonn gewürdigt worden.

 

Doch zurück zu den Diptychen. Große Teile der Fotoserie wichtiger Kölner Bauten und Plätze, die Hugo Schmölz zusammen mit seinem Sohn aufgenommen hatte, sind 1939 in dem von Hans Peters herausgegebenen Buch »Köln – Antlitz einer alten deutschen Stadt« publiziert worden. Diese Serie bildete dann 1947 die Grundlage für die exakt nachgestellten zweiten Blicke, die Karl Hugo Schmölz im Auftrag der Stadt Köln fertigte. Die Vorher-/Nachher-Bilder sollten dem Stadtrat bei der Debatte um den Wiederaufbau als Entscheidungshilfe dienen.

St. Kunibert, innen, vor und nach dem Krieg Karl Hugo Schmölz_

St. Kunibert,Diptychon von Karl Hugo Schmölz, Abzug von 1947, Vintage Print, 22,4 x 15,6 cm (Wim Cox Archiv / Courtesy Van der Grinten Galerie)

Bayenturm, vor und nach dem Krieg, Karl Hugo Schmölz_Diptychon_Bayenturm Köln, vor dem Krieg / nach dem Krieg,1947

Karl Hugo Schmölz: Bayenturm, Köln, Diptychon, 1947 (Wim Cox Archiv / Courtesy Van der Grinten Galerie)

Karl Hugo Schmölz: Zeughaus, Diptychon_Zeughaus, Köln, 1947

Karl Hugo Schmölz: Zeughaus, Diptychon, Köln, 1947 (Wim Cox Archiv / Courtesy Van der Grinten Galerie)

Der dritte Blick

Wenn man sich vergegenwärtigt, für welchen Zweck die Diptychen ursprünglich angefertigt wurden, darf man neugierig sein, was sich dort jetzt den Augen bietet. Rolf Sachsse ist dieser Neugierde bereits vor dreißig Jahren nachgegangen. Mit einigen seiner Studenten hat er den »dritten Blick« gewagt und im Buch »Köln · Von Zeit zu Zeit« veröffentlicht. Leider wurde das Buch nicht so brillant gedruckt, wie es die großartige Idee verdient hätte. Dennoch ist es eine sehenswerte Ergänzung zu der beeindruckenden Ausstellung in der Galerie van der Grinten (Das Buch ist in der Ausstellung präsent). Einige der Diptychen hätten – mit sorgfältig geprinteten »dritten Blicken« eindrucksvoll zu Triptychen erweitert werden können.

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Sankt Aposteln. Erster, zweiter und dritter Blick (aus dem Buch »Köln · Von Zeit zu Zeit«). Vom Neumarkt kommend geht es vor Sankt Aposteln rechts um die Ecke in die Gertrudenstraße, zur Galerie van der Grinten.

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Groß Sankt Martin. Erster, zweiter und dritter Blick (aus dem Buch »Köln · Von Zeit zu Zeit«)


Literatur:
– Karl Hugo Schmölz und Rolf Sachsse: Hugo Schmölz. Fotografierte Architektur 1924-1937, München, 1982
– Franz van der Grinten und Thomas Linden: Karl Hugo Schmölz, Architekturfotografien der Fünfziger Jahre, München, 2012
– Rolf Sachsse: Köln · Von Zeit zu Zeit, Photographien von Hugo Schmölz, Karl Hugo Schmölz, Manuela Sodies, Bernhard Volprecht, Roland Plank. Bearbeitet von Rolf Sachsse, Köln, 1992


»Über den Krieg«. Bilder von Hugo und Karl Hugo Schmölz. Die Vintage Prints zu den Diptychen entstanden in den Jahren 1946/47. Ausstellung bis zum 15. April in der Galerie van der Grinten, Köln, Gertrudenstraße 29
https://vandergrintengalerie.com/exhibitions/karl-hugo-schmoelz-ueber-den-krieg-bestandsaufnahme-einer-zerstoerung-in-vintage-prints-von-1946-47/