Militärische Präsenz beschert nicht nur hochwillkommene Konversionsflächen, sondern auch Luftbelastung. Denn das „Draußen“ hat keine bestimmte Höhe, es ist unendlich. Wir Menschen besiedeln nur einen flachen Erdensaum. Darüber weht der Wind, und Militärflugzeuge zeichnen ihre geisterhafte Präsenz in den Himmel.
Lieber der Ami als der Russe
Zugegeben, früher war es schlimmer. Vor dreißig Jahren, vor der sogenannten Wende, konnten in der Pfalz die Tiefflieger schon Angst machen. Sie rasten einem mit ohrenbetäubendem Lärm mitten durch den Kopf. Sobald sich draußen das schrille Pfeifen andeutete, rannte man rasch zu seinen Kindern und hielt ihnen die Ohren zu, bevor sie im panischen Heulkrampf losschrien. Die Düsenjets übten die Landesverteidigung durch Sturzflüge und Scheinangriffe auf romantische Winzerdörfer, sie furchten sich durch die Täler des Pfälzerwalds, bisweilen so niedrig, dass man sie von den Bergen von oben sehen und erkennen konnte, ob der Pilot eine Sonnenbrille trug. Was sollte man dagegen unternehmen? Seinem Landtagsabgeordneten schreiben? Man befand sich im Kalten Krieg, die herrschende Meinung war: Besser, die Amis fliegen über uns als die Russen. Die Jagdbomber waren angeblich sogar mit scharfer Munition bewaffnet. Sie flogen unablässig, um im Ernstfall dem Feind keine Chance zum Gegenschlag zu lassen. Moskau ließ sich aus Ramstein schneller erreichen als Heidelberg, wenn die B37 verstopft war.
Das liegt nun gottlob hinter uns. Die Kinder wurden nicht taub. Die Ami-Pioniere krauchen nicht mehr durch den Wald, die Panzer sind verschwunden, und keine olivgrünen Fahrzeugkolonnen behindern mehr den Ausflugsverkehr. Die leeren Kasernen der Franzosen wurden zu städtebaulichen Sanierungsprojekten. Nur um Kaiserlautern herum gibt es noch hohe Zäune, hinter denen sich Militärisches verbirgt.
Kriegsmaschinerie soft
Aber sie fliegen noch. Immer, wenn auch nicht täglich. Wer lange in der Großstadt gelebt hat, wundert sich, was auf dem Land alles über Wald und Weinbergen stiebt. Der Himmel ist schraffiert von Kondensstreifen. Manchmal erkennt man ein niedrig und träge dahinbrummendes Transportflugzeug, das von unten nicht anders aussieht als ein harmloser Urlaubsflieger. Aber dann sind da die Jets, die sich nach einem geheimen Stundenplan zu ihren Manövern verabreden. Nicht mehr so laut wie früher, das ist richtig, aber sie bleiben präsent. Sie pfeifen und kratzen durch die Luft, folgen einer strategischen Choreografie, Konditionstraining zur Verteidigung unserer Freiheit und Sicherheit. Oder fliegen sie gleich zu einem Krisenherd, der damit auch unserer ist? Schon merkwürdig: im Liegestuhl in der Sonne zu dösen, über sich die Kriegsmaschinerie im Schongang.