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Marktgeschrei (34) | „Es gibt sie noch. Die Metropolen, in denen noch Alles möglich ist“. Die Aufschrift des Werbeplakates der „Metropole Ruhr“, in großer Zahl am Weg zur Messe Expo Real 2022 aufgestellt, macht nachdenklich. Man weiß sofort: Der Startschuss für das Rennen der Regionen, Städte und Gemeinden im Buhlen um die potenziellen Investoren ist gefallen.

Oben: Eröffnungsbild der Expo Real 2022

https://www.muenchen-exporeal.de/

https://www.muenchen-exporeal.de/

Die marktschreierische Zusage unbegrenzter Freiheiten wird jedoch dem Ernst der zu lösenden Aufgaben auf dem Sektor der Landes- und Stadtentwicklung in keinster Weise gerecht. Die Branche arbeitet zielstrebig der Rendite verpflichtet seit Jahrzehnten am Bedarf vorbei.

2014 hatte Heiner Geißler (1930-2017, CDU) bereits mit seinem Vortrag über eine internationale sozial-ökologische Marktwirtschaft versucht, der Immobilienwirtschaft die Leviten zu lesen. Wie man heute feststellen kann ohne sichtbaren Erfolg. Wenngleich die Messeleitung in ihrem Abschlussbericht die Überschrift „Immobilienwirtschaft im Umbruch“ wählt. Im Schlussbericht der Expo Real 2022 heißt es lediglich beschwichtigend: „Die Branche blickt mit gedämpften Erwartungen in die Zukunft“. Nach Umbruch hört sich das nicht gerade an.

Stand der Stadt München in Halle A1 (Bild: Expo Real)

Stand der Stadt München in Halle A1 (Bild: Expo Real)

München: groß und am besten und überhaupt

In Halle A1 eröffnet wie üblich München als Metropolregion und als Landeshauptstadt den Reigen der öffentlichen Anbieter. Jeder, der hier bereits mit Großprojekten angedacht, in Planung oder realisiert unterwegs ist, umrahmt die Institution, die sich öffentlich ihrer Planungshoheit (selbstverständlich) rühmt. Flächenmäßig nahezu gleichrangig tritt der bekannte österreichische Großinvestor auf. Alle Projekte liegen in aufwändig gestalteten Büchern und Prospekten zur Durchsicht und Mitnahme auf. Eine eigene Zeitschrift bündelt sie zusätzlich unter dem Titel „Signa Times“. Das macht Eindruck.

Der Freistaat Sachsen übernimmt in Halle A2 eine Art Führungsrolle. Tschechien, Barcelona/Katalonien und Metropole Holland sorgen für Blicke über den Tellerrand. Ein Viertel der Halle wird mit Lounge- und Forumfunktionen bespielt.

Halle A3: Überraschungen sucht man am Stand „Swiss Circle“ vergeblich. Die früher schon mal den einschlägigen universitären Ausbildungsstätten zur Verfügung gestellten Flächen sind dieses Mal den Start-ups unter dem Motto „Innovationen“ vorbehalten. IT-Lösungen zum Gebäudemanagement dominieren.

Dabei sein ist alles? Auf der Expo Real trifft sich die Branche, Architekten werden vereinzelt gesichtet. (Bild: Website Expo Reak)

Dabei sein ist alles? Auf der Expo Real trifft sich die Branche, Architekten werden vereinzelt gesichtet. (Bild: Website Expo Real)

Konkurrenz stört die Geschäfte

Das Messeschema mit jeweils einer oder zwei Leitmetropolen pro Halle hat sich über die Jahre hin bewährt. So kommen sich die Konkurrenten Stuttgart, Hamburg, Berlin und Frankfurt nicht allzu sehr in die Quere. Das Gefälle zwischen den Großen und Kleinen, West und Ost hat sich vergrößert. Die Halle C2 wird von den Auftritten der „Retailer“ Lidl, Rewe und Rossmann beherrscht.

Die Fundsache Brasov/Kronstadt aus Transsylvanien/Rumänien verdient hier unter dem Aspekt der Chancengleichheit besondere Aufmerksamkeit. Eine Stadt mit bedeutender Geschichte und Qualitäten zur Aufnahme in das Weltkulturerbe arbeitet am Stand mit Mitteln der Fremdenverkehrswerbung, um Investoren zu gewinnen. Die Unterlagen im Stickformat für mögliche Interessenten sind seriös und transparent aufbereitet. Da gibt es im Land des Grafen Dracula bereits Ableger der Automobilzulieferindustrie und die erforderlichen Arbeitskräfte. Es werden strukturelle Probleme benannt und nicht verschwiegen. 2023 winkt ein neuer internationaler Flughafen. Der Traum von einer prosperierenden Metropolregion wird trotz allem noch lange auf seine realen Konsequenzen warten lassen.

Stücke sichern, bevor die Torte gebacken ist

https://exporeal.net/de/messe/informieren/ukraine-stand/

Noch ist kein Ende des Kriegs in Sicht. Aber über die Gelder für den Wiederaufbau wird bereits verhandelt. Viele potenzielle Investoren haben bereits eine Adresse in Kiew. https://exporeal.net/de/messe/informieren/ukraine-stand/

Dass sich im Zuge des Krieges in der Ukraine die Stadt München ihrer Partnerschaft mit Kiew erinnert und die Messe Raum für Diskussionen über Wiederaufbaufragen zur Verfügung stellt, ist selbstverständlich. Dass dabei während anhaltender Zerstörungen der knallharte Wettlauf um Geschäfte beginnt, ist mehr als zwiespältig. Investoren, die sich nicht um seriösen Städtebau kümmern und sich lediglich über Kriegsanleihen die Kassen füllen, wären ein Alptraum. Wichtig erscheinen dabei allerdings die in diesem Zusammenhang formulierten Ziele:

  • Transparenter und klarer Dialog zwischen ukrainischen und internationalen Immobilienakteuren
  • Analyse und Überwachung des Umfelds
  • Verstehen des ukrainischen EU-Wegs – rechtlicher Rahmen, Werte und Reformen
  • Erläuterung der ESG- und nachhaltigen Entwicklungsprinzipien
  • Überwachung von Prioritäten und dringenden Reaktionen auf den Krieg – Infrastruktur, Wohnungsbau, Masterplanung
  • Rolle und Bemühungen des globalen Baumarktes beim Wiederaufbau der Ukraine

(Quelle: https://exporeal.net/de/messe/informieren/ukraine-stand)

Hier könnte man durchaus von einem Umbruch sprechen, falls diese Ideen auch nur im Ansatz politisch und branchenübergreifend beherzigt würden. In diesem Sinne sei der neunzigjährige Exminister Gerhart Baum (FDP) zitiert, der am Ende eines ganzseitigen Interviews in der Süddeutschen Zeitung vom 22. Oktober 2022 anmerkt: „Dem Markt müssen Grenzen gesetzt werden. Die Zeit des Neoliberalismus ist vorbei.“ Lesenswert zum Thema Ukraine: Bauwelt 22.2022 „Entlang der Front“.

Aus dem Expo Real Trendindex 2022

Aus dem Expo Real Trendindex 2022

„Während einer Stagflation empfielt die Vermögensverwaltungsgesellschaft PGIM Investitionen in Büroobjekte mit Schwerpunkt auf Optimierungsmaßnahmen im Bereich ESG (Umwelt, Soziales und nachhaltige Unternehmensführung) sowie auf Life-Science- und Technologiestandorte zu beschränken.“ Das führt zurück auf den Boden der Tatsachen.