Wir sind die Letzten, die gratulieren. Ganz einfach, weil man nicht kaum glauben mag, dass Kristin Feireiss mit ihrer Präsenz etwa schon ein gewisses Alter erreicht haben kann. Ihr Einfluss auf die Architekturentwicklung in Deutschland und darüber hinaus kann dabei kaum überschätzt werden – Glückwunsch, Kristin Feireiss!
Es war die Zeit, als Architektur hierzulande noch keine kontinuierlich betriebene »Plattform« für die Öffentlichkeit hatte, geschweige eine Quelle erschlossen war für Architekturentwicklungen im Ausland. Es gab kein Architekturmuseum in Frankfurt, keine Architekturgalerie am Weißenhof in Stuttgart – München sollte mit der TU erheblich später folgen. Kristin Feireiss setzte derweil mit Aedes Maßstäbe – siehe »Faces and Spaces« in der Seitenspalte – und bestellte ein Feld, auf dem es immer mehr zu tun gibt. Was natürlich auch mit der Veränderung der Öffentlichkeit und den Strukturen des Bauens zu tun hat. Und sie wäre nicht Kristin Feireiss, wenn sie dabei nicht auch mitgestalten würde. So kann man uneingeschränkt bestätigen, wie sich Aedes selbst beschreibt:
»Neben zahlreichen Ausstellungen zur zeitgenössischen Baukultur unterstützen begleitende Symposien, Vortragsreihen und Publikationen den kritischen Dialog nach außen – sowohl mit dem Fachpublikum als mit interessierten Laien. Damit bestimmt das Aedes Architekturforum maßgeblich den zeitgenössischen Architekturdiskurs im In- und Ausland. Zudem steht das Aedes Architekturforum in kontinuierlichem Austausch mit verschiedenen Weltstädten und präsentiert regelmäßig deren stadtplanerische Strategien in Ausstellungen und begleitenden Rahmenprogrammen.«
Wertschätzen
Es geht nicht um das Who-is-Who, das sich bei Aedes ein Stelldichein gegegeben hat. Es ist vielmehr der kommunikative Stil, mit dem Kristin Feireiss Menschen ins Gespräch bringt und im Gespräch zu halten weiß, im besten Sinne gelingt es ihr, einen »Salon« mit Leben zu füllen, der keine Plauderstube, sondern ein intellektuelles Forum ist. Sie beobachtet, erkennt, lässt sich begeistern und begeistert andere. Solches Engagement über Jahrzehnte aufrecht zu erhalten, macht ihr so schnell keiner nach.
Respektieren
Beeindruckend ist auch, wie sie Partei ergreifen und ausgleichende Toleranz in der Waage hält. Wie sie »No-names« einerseits ermutigen kann, »Stars« andererseits erdet und nahbar präsentiert. Wie sie Fachdiskurse initiieren und befeuern, aber auch ein laienhaftes, breites Publikum ansprechen kann – nachlesen kann man das auch in einer kleinen Broschüre online. All das setzt voraus, den Mitmenschen mit Offenheit, Vertrauen und Empathie zu begegnen. Wem gelingt das schon?
Weiter geht’s …
Apropos Lesen: In einer vor zehn Jahren, nur teils autobiografischen Erzählung (»Wie ein Haus aus Karten. Die Neckermanns – meine Familiengeschichte«, Berlin 2012) erfährt man, wie es war, als 1948 ihre Eltern und ihr Bruder bei einem Autounfall ums Leben kamen und sie fürder bei ihrem Onkel Josef Neckermann aufwuchs. Ihr eigener beruflicher Werdegang scheint unspektakulär: Journalistin, Architekturgaleriegründerin (mit der verstorbenen Helga Retzer), 1996-2001 Leiterin des NAI, zahlreich geehrte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens: Das sind beste Voraussetzungen dafür, in den kommenden Jahren, in denen sich ruppige Paradigmenwechsel in Architektur, Stadt- und Landfragen ankündigen, maßgeblich mitzuwirken. Dazu wünsche ich Dir, liebe Kristin, und den Deinen alles Gute!