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Mehr als Quadrate

Mannheim um 1900 (Bild: Wikicommons)

Mannheim um 1900 (Bild: Wikicommons)

Mit rund 316.000 Einwohnern ist Mannheim die drittgrößte Stadt Baden-Württembergs. Das boomende Heidelberg liegt 15 Bahnminuten entfernt, binnen 30 Minuten erreicht man den Flughafen Frankfurt. Die Eröffnung der Mannheimer Kunsthalle von gmp am 15. Dezember 2017 (siehe >>> hier) nehmen wir zum Anlass, auch einen Blick auf Architektur und Entwicklung Mannheims zu werfen.


In Mannheim ist es gelungen, die erste kommunale Stelle für Baukultur zu schaffen. Seit März 2015 gibt es eine Referentin für Baukultur – ein Amt, das man allüberall vermisst. Bereits seit September 2010 gibt es auch einen Gestaltungsbeirat in Mannheim, der „grundsätzlich öffentlich bzw. auf Wunsch des Bauherrn nichtöffentlich“ tagt. In einer solchen Formulierung wird zwar der Wunsch des Bauherrn höher bewertet als derjenige öffentlicher Belange – aber immerhin.

Entwicklungsquartiere

Von der barocken Residenzstadt mutierte Mannheim zur Industriestadt, was eine bürgerlich gesprägte Blütezeit bescherte. Die inzwischen SPD-regierte Stadt schlägt sich postindustriell mit einem Strukturwandel herum und nutzt dabei Chancen. Freiwerdende Militär- und Industriegelände, zudem attraktive Lagen an den Ufern von Neckar und Rhein bieten Entwicklungschancen für die Stadt, die gleichwohl von Verkehrsschneisen zerfleddert ist. Die Schlachtfelder der Verkehrsplaner greifen Raum: zum einen mit dem ICE-Knoten an den Strecken von Frankfurt nach Basel und Stuttgart im Süden, Saarbrücken und Paris nach Westen, außerdem mit der Bundesautobahn A6 und vier Bundesstraßen. Zugleich liegt in dieser hervorragenden Anbindung an die Mobilitätsadern der Republik ein gewaltiger Vorteil; auch die Schalterhalle des Flughafens Frankfurt wird in 30 Minuten erreicht. In landschaftlich schöner und per Bahn gut zu erreichender Umgebung konkurrieren auch „Ankerstädte“ wie Neustadt, Landau, Worms, Speyer oder andere.
Nachholbedarf besteht in Mannheim – wie in allen großen Städten der Republik – beim Eindämmen des individuellen Autoverkehrs, bei neuen Radwegen, bei der Aufwertung des öffentlichen Raums als Ort des Aufenthalts und der Begegnung. In diesem Kontext ist dringend fällige Sanierung der Einkaufsstraße zu sehen, bis 2019 sollen die „Planken“ erneuert sein. Derzeit dominieren noch Flickwerke aus Kopfsteinpflaster, kaputten Platten, geteerten Pfützen.

Seit den späten 1990er-Jahren wurde bereits der Bereich Jungbusch / Verbindungskanal entwickelt, der zu einem beliebten, funktionsgemischten Quartier avancierte und jeden Besuch wert ist. In der Kernstadt liegt das einstige Postareal – östlich des Bahnhofsplatzes, jetzt „Kepler-Quartier“ genannt. Es umfasst etwa 42.000 qm und wird derzeit recht konventionell mit Hotels, Gewerbe und Studentenwohnungen bebaut.

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Das Glückstein-Quartier: Visualisierung aus Blickrichtung Osten; die Innenstadt mit dem Bahnhofsvorplatz und dem Kepler-Quartier liegt nördlich (Bild: Stadt Mannheim)

Glücksteinquartier | Auf der anderen Seite des Gleise wird die Entwicklung des Glücksteinquartiers südöstlich vom Hauptbahnhof vorangetrieben. Auf dem 33 ha großen Gelände sind rund 100.000 qm als Baugrundstücke vorgesehen. Hauptsächlich entlang der Glücksteinallee und einschließlich der Bestandsflächen an der John-Deere-Straße entstehen im Endausbau etwa 169.000 qm Fläche für Büros, Verwaltung und Wissenschaft und dazu 91.000 qm Wohnfläche. Auch hier wird die Stadt konventionell entwickelt, Bahnreisende denken gleich an das, was in München links und rechts der Bahngleise gebaut worden ist. In dem hoch verdichteten Bereich bietet der im Grundriss dreieckige Park ein Highlight.
www.glueckstein-quartier.de


Bundesgartenschau 2023

Gen Nordosten erstreckt sich das Gelände, mit dem Mannheims Innenstadt dank grüner Bereiche aufgewertet werden soll. (Bild: www.buga2023.de)

Gen Nordosten erstreckt sich das Gelände, mit dem Mannheims Innenstadt – unten im Bild die vom Zirkel umschlossene Quadratestadt – dank grüner Bereiche aufgewertet werden soll. (Bild: www.buga2023.de)

Mit der Idee, die großen, frei gewordenen Kasernenflächen in einer Bundesgartenschau in Mannheim zu einem durchgehenden Grünzug zu verbinden, der Klima, Frischluft, eine barrierefreie Verbindung und begehbare Natur neben den alten Verkehrsschneisen sichert, reüssierte Mannheim 2013 bei der Buga-Bewerbung. 2023 soll von der Innenstadt über den Luisenpark, den Neckar bis nach Nordosten ein Kerngebiet der Buga entstehen, das großräumig nach Nordwesten weitergeführt wird. (https://www.buga2023.de) Gartenschauen haben in Mannheim bereits Tradition. 1907 wurden im Rahmen einer internationalen Kunst- und Gartenbauaustellung die Jugendstil-Anlage am Friedrichsplatz – wo jetzt die neue Kunsthalle von gmp entstand, siehe >>> hier, und die Augusta-Anlage angelegt.

Außenbereich der Multihalle von Frei Otto (Bild: Ursula Baus)

Außenbereich der Multihalle von Frei Otto (Bild: Ursula Baus)

Georg Vrachliotis: Frei Otto, Carlfried Mutschler, Multihalle. Leipzig 2017 ISBN 9783959051927

Georg Vrachliotis: Frei Otto, Carlfried Mutschler, Multihalle. Leipzig 2017

 

Multihalle

1975 bescherte eine Bundesgartenschau die Erweiterung des Luisenparks durch den neuen Herzogenriedpark – mit einem sensationellen Bauwerk: der Multihalle von Frei Otto und Carlfried Mutschler, zu der just ein vom DAM ausgezeichnetes Buch erschienen ist. Dieses großartige Gebäude wurde von der Stadt keineswegs in angemessener Weise gewürdigt oder gepflegt (siehe > hier). Es ist privaten Initiativen und dem Engagement der Architektenkammer Baden-Württemberg zu verdanken, dass die Halle endlich jene Zuwendung bekommt, die sie verdient. Schon zum Abriss bestimmt, konnte mit einem Verein und in Workshops 2016 mit einer Rettungsstrategie begonnen werden (> http://mannheim-multihalle.de). Im Rahmen einer Buga 2023 wäre die Multihalle nach wie vor ein Highlight, und es darf nichts unversucht bleiben, um dieses Meisterwerk der Weltarchitektur, das Gebäude eines Pritzker-Preisträgers zu retten.


Konversionen

Die Konversionsgebiete in Mannheim (Bild: mannheim-konversionen.de)

Die Konversionsgebiete in Mannheim (Bilder: mannheim-konversionen.de)

Weitere Chancen bieten sich durch Konversionsareale. Bis Ende 2015 wurden bereits über 300 Hektar ehemalige Militärflächen frei, die zum Teil schon heute zivil genutzt werden. Insgesamt geht es um 5 Mio Quadratmeter. Für die Stadt Mannheim ergeben sich durch die frei werdenden Flächen neue Chancen für die Stadtentwicklung. Insbesondere mit Blick auf die Themen Wohnen, Naherholung und Wirtschaft bieten die Flächen neue Potentiale. Dazu initiierte die Stadt Mannheim 2011 einen breit angelegten Bürgerbeteiligungsprozess. Gemeinsam mit Bewohnern der Stadt, Initiativen und Arbeitskreisen wurden Ideen zur Nachnutzung der Konversionsflächen gesammelt. 2012 wurde die städtische Entwicklungsgesellschaft MWSP gegründet, um die Planung und entwicklung der Flächen voran zutreiben. Sie hat bereits drei Konversionsflächen gekauft, die sukzessive beplant werden. > http://www.konversion-mannheim.de


Neue Architektur (Auswahl)


(Bild: Schmucker und Partner)

Stadtarchiv Ochsenpferchbunker
Bürgermeister-Fuchs-Straße
Architekten: Schmucker und Partner
2017
Umbau und zweigeschossige Aufstockung mit mehrschaliger Glasfassade. Die Beheizung des Gebäudes erfolgt überwiegend aus der Nutzung von Abwärme aus dem öffentlichen Abwassernetz.
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Bild: Yannick Wegner, Mannheim

Bild: Yannick Wegner, Mannheim

Spinelli Barracks | Landeserstaufnahme-Einrichtung
Bauherr: Regierungspräsidium Karlsruhe
Architekten: Studentengruppe Atelier U20, FB Architektur der TU Kaiserslautern, Fachgebiete Tektonik im Holzbau (Stefan Krötsch), Tragwerk und Material (Jürgen Graf), Digitale Werkzeuge, (Andreas Kretzer)
2016
18 Studierende bauten mit 25 Flüchtlingen und lokalen Baufirmen ein Gemeinschaftshaus. Die Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung erhielten die Chance, ihr Umfeld aktiv mitzugestalten und einen qualitätvollen Ort zu schaffen. Sie verbesserten ihre Deutschkenntnisse, lernten Gegebenheiten und Arbeitsanspruch in Deutschland kennen und eigneten sich nützliche Fähigkeiten an.

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Bild: schneider + schumacher, Jörg Hempel

Bild: schneider + schumacher, Jörg Hempel

Mannheim Business School
L5, 6, Schloss
Architekten: schneider + schumacher, Frankfurt am Main
2013-17
Umbau des zwischen 1720 und 1760 erbauten Barockschlosses für ein neues Hörsaalszentrum mit Forum und Versammlungsraum.
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1750_Mannheim_Uni_WulfForschungs- und Lehrgebäude der Universität Mannheim
B6, 30-32
Architekten: Wulf Architekten, Stuttgart
2013-2017
Im Rahmen der stadträumlichen Planungskonzeption der Mannheimer Stadtquadrate A5 und B6 entstand der Neubau zur Wiederherstellung der für Mannheim typischen, prägnanten Blockstruktur. Dennoch blieb das Areal für Fußgänger und Radfahrer durchlässig.
Das Raumprogramm umfasst flexibel nutzbare Seminar- und Bürobereiche, studentische Arbeitsplätze sowie großzügige Kommunikationsbereiche.
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1750_Mannheim_KVE_Staab_Hs_Mannheim

Bild: Staab Architekten, Thomas Ott

Kompetenzzentrum Virtual Engineering Rhein Neckar
Paul Wittsack Straße 10
Architekten: Volker Staab Archtekten, Berlin
Herzstück ist eine sogenannte „Cave“ für dreidimensionale Projektionen von Gegenständen und Umgebungen, die vom Betrachter quasi real erlebt werden. Das Spiel mit Wirklichkeit und Illusion, Wahrnehmung und Erkenntnis ist Thema des Entwurfs. Der Baukörper ist um ein Geschoss in die Erde eingelassen und in der Höhenentwicklung von außen ablesbar. (Hugo Häring Auszeichnung 2017)
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Bild: Hartwig Schneider Architekten, Christian Richters

Bild: Hartwig Schneider Architekten, Christian Richters

Kreativwirtschaftszentrum C-HUB der Stadt Mannheim
Architekten: Hartwig Schneider, Stuttgart
2015
Das repräsentative Haus gilt als Musterbeispiel für ein Bürogebäude der Zukunft und überzeugt auch in Energieverbrauch und Wirtschaftlichkeit.
(Staatspreis Baden-Württemberg 2015, Sparte Gewerbe- und Industriebau)
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1750_Mannheim_motorlab_Turley

Wohnquartier Home Run Turley
Eva-Hermann-Straße
Architekten: Arge Bender/Krieger, Motorlab
2015
Wohnungsbau auf ehemaligem Kasernenareal im Nordosten Mannheims, nahe Herzogenriedpark und Neckarstadt Ost.
Städtebaulich wird eine hohe Vielfalt an Gebäudetypen angeboten, vom Hofcluster bis zu großzügigen Geschosswohnungen im Punkthaus. (Hugo Häring Auszeichnung 2017)
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Bild: Stefan Forster Architekten

Bild: Stefan Forster Architekten

Schwarzwaldblock | 235 Genossenschaftswohnungen
Schwarzwaldstraße
Architekten: Stefan Forster Architekten, Frankfurt am Main
2007-2016
Behutsames Baumanagement ermöglicht es den Bewohnern, im Quartier zu bleiben. Die gut ausgestatteten, barrierefrei zugänglichen Wohnungen verfügen im Erdgeschoss über Mietergärten, in den Regelgeschossen über breite Balkone und in den Dachgeschossen über großzügige Dachterrassen. Die Bebauung orientiert sich an der Struktur des Stadtteils Lindenhof.
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Bild: Motorlab, Mannheim

Bild: Motorlab, Mannheim

Uhland Schule
Geibelstraße 6
Architekten: Motorlab
(Baukulturpreis Mannheim, 2015)
Schulerweiterung: Die Ganztagesbereiche wurden untereinander und mit dem denkmalgeschützten Altbau, den Außenanlagen und der Quartiersumgebung vernetzt, außerdem eine neue, geschützte Mitte des Ensembles geschaffen.
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Neuere Architektur bis 2012

Markus Löffelhardt: Neue Architektur in Heidelberg, Ludwigshafen, Mannheim.
Mannheim 2012, ISBN 978-3-941001-10-7