Während die Umsätze des stationären Buchhandels Jahr für Jahr zurückgehen, erscheinen nach wie vor jeden Monat dutzende neue Bücher. Abseits einschlägiger Bestsellerlisten lohnt auch der Blick in die Nischen und an die Ränder. David Kasparek hat sich drei Bücher zum Bauen in Afrika, Wohnen in der Platte und zu dem Werk eines sonst zu stark auf ein Projekt reduzierten Brüderpaars angesehen.
Mike Schlaich, seit 1999 Partner in dem 1980 von seinem Vater Jörg Schlaich und Rudolf Bergermann gegründeten Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner, ist einer der renommiertesten und kreativsten Bauingenieure des Landes. Die von ihm und seinen Mitstreitenden im Büro entwickelten Konstruktionen haben diversen architektonischen Entwürfen vom kleinen Fußgängersteg über Gebäude unterschiedlicher Typologie bis hin zu Stadien in der ganzen Welt den Weg in die Realisierung ermöglicht. Mit Blick auf die mitunter schwindelerregend filigranen Konstruktionen mutet es fast ironisch an, dass ausgerechnet Schlaich seit 2004 die Professur für „Entwerfen und Konstruieren – Massivbau“ der TU Berlin innehat.
Schere zwischen Inhalt und Umsetzung

Mike Schlaich: Bauen in Afrika. Cape to Cairo in 150 Tagen: Erfahrungen eines Ingenieurs, 240 S., 330 Abb., 38,– Euro, Dom Publishers, Berlin 2025
Ein Forschungssemester hat Schlaich genutzt, um eine „Ingenieursafari“ durch zwölf afrikanische Länder von Süd nach Nord – „from Cape to Cairo“ – zu machen. Die Eindrücke hat er tagebuchartig festgehalten und zu einem Buch erweitert, das nun im Berliner Verlag Dom Publishers vorliegt. Kurze Essays binden diese Eindrücke eines Reisenden mit dem vor Ort erlebten zusammen, kommen in ihnen doch Autor:innen aus Südafrika, Namibia, Sambia, Tansania, Ruanda, Uganda, Äthiopien, Sudan und Ägypten zu Wort. Die mitunter etwas hemdsärmlich, aber nie unsympathischen Schilderungen bebildert der Autor mit eigenen Fotografien, die ebenso schön wie atmosphärisch sind. Zu den Karten, die die Kapitel der Reise einleiten und ihren Verlauf nachvollziehbar machen, kommen fein aufbereitete und schön anzusehende Infografiken, die Handelsströme, Infrastruktur, den Anteil erneuerbarer Energien oder den Jahresumsatz chinesischer Baufirmen auf dem Kontinent aufbereiten. Nun gibt es zu Architektur, Stadtplanung und Ingenieurskunst in den 54 Staaten des afrikanischen Kontinents ohnehin nicht genug Bücher, sodass das nun vorliegende sicher ein Gewinn ist, doch hätte ihm ein wenig mehr Liebe zum Detail bei den Layout- und Satzarbeiten ebenso gut getan wie ein hochwertigerer Druck. Die präzisen Beobachtungen von Mike Schlaich in Text und Bild und die wohlsortierten Informationen gehen so in der etwas lieblos wirkenden Handwerklichkeit der Publikation unter, die eher an Abschlusszeitschrift oder Seminar-Reader denn an Fachbuch denken lässt. Inhaltlich ist das alles also interessant, mitunter sogar sehr, in der Umsetzung jedoch ausbaufähig. Dennoch ist hier ein interessanter Beitrag gelungen zur Vervollständigung eines Bildes eines aus deutscher Perspektive nach wie vor erschreckend unterbelichteten Kontinents.
Lebensraum Platte

Christoph Montebelli: Plattenbau Promenades. Berlin, Havanna, Hong Kong, Zanzibar, 144 S., 86 farb. Abb., Hardcover, Deutsch/Englisch, 40,– Euro, Kerber, Bielefeld 2024
Der afrikanische Kontient, genau eine Insel vor Tansania, ist auch Asugangspunkt, des wunderbaren Buchs „Erwin mit der Tröte“, in dem Volker Kriegel die Geschichte des Nasenbären Erwin beschreibt, der von Sansibar aus die Musik-Welt im Sturm erobert: Von der Evolution mit einer Nase gesegnet, mit der er Tröte zu spielen vermag, wie kaum ein anderer. Er spielt in den Häusern der Welt, Publikum und Kritik liegen ihm gleichermaßen zu Füßen. Am Ende aber will er einfach nur nach Hause und im heimischen Habitat mit der Band aus alten Tagen, den „Dschungel-Kings“, den „Sansibamba“ spielen. Wie sehr ein Zuhause an unterschiedlichen Orten der Welt ähnlich und doch grundverschieden sein kann, zeigt nun der Fotograf Christoph Montebelli mit der Serie „Plattenbau Promenades“, die unter gleichem Titel als Buch, gestaltet von Céline Loegel‘s Quattro Creative Studio aus Luxemburg, im Kerber-Verlag vorliegt.
Plattenbauten in Berlin, Havanna, Hong Kong und eben auf Sansibar besucht Montebelli. Der Fotograf vermag es dabei, den Typus und dessen Variationen in Szene zu setzen und damit Ähnlichkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. Die Bilder sind mal grafisch abstrakt, mal gegenständlich konkret. So zeigt Montebelli Aufnahmen, die ganze Siedlungen in der Landschaft und damit am Ort, diesem architektonischen Ur-Thema, kontextualisieren, ebenso wie Details, auf denen Farben und Texturen zu abstrakten Flächen und Geometrien werden. Unkommentiert folgt ein Bild auf das andere, immer wieder unterbrochen von Porträts der Bewohnenden auf den vier unterschiedlichen Kontinenten. Getaktet wird dieser Fluss der Eindrücke von kurzen Texten, die die Fotografien ihrer Lokation folgend sortieren und in aller Kürze eben diesen Ort erläutern und auf Besonderheiten hinweisen.
Die zweisprachigen Texte werden um eine Sammlung sehr kurzer Essays ergänzt, die die Bilder rahmen – vorneweg die englische, am Ende die deutsche Version. Der Regisseur und Filmproduzent Peter Baranowski weist in seiner Einführung auf die „Umwelt formende Kraft“ der Architektur hin, Philipp Meuser umreißt den Bautyp und erläutert die Begrifflichkeit Plattenbau, Patricia Wruuck nimmt eine Art kurze Bewährungsprobe vor Ort in Berlin Marzahn vor, Ali Haji Khamis, Architekt und Designer, und Anja Elsner, Künstlerin und Steuerfachangestellte, berichten von den prägenden Erfahrungen ihrer Kindheit in Plattenbauten aus Sansibar und in Berlin – die wohl schönsten Texte des Buchs.
Würdige Darstellung

Carsten Krohn, Michele Stavagna: Hans und Wassili Luckhardt. Bauten und Projekte, 160 S., 120 farb. Abb., 70,– Euro, Birkhäuser, Basel 2024
Berlin war der hauptsächliche Ort der Betätigung von Hans und Wassili Luckhardt, deren Bedeutung für die Entwicklung der architektonischen Moderne vielfach benannt ist. Als Mitglieder der „Gläsernen Kette“, des Arbeitsrats für Kunst und der sogenannten Novembergruppe sowie schließlich als praktizierende Architekten in Berlin tauchen ihre Namen immer wieder in der Baugeschichtsschreibung auf. Zeugnisse dieser vielgestaltigen Tätigkeit aber gibt es überraschend wenige. Nach einer merklich durch die Brüder Taut beeinflussten Phase expressiver und unrealisierter Entwürfe – vom gemeinsam mit Franz Hoffmann ausgeführten Haus Buchthal im Berliner Westend einmal abgesehen –, entstehen ab Anfang der 1920er-Jahre gemeinsam mit Alfons Anker Gebäude und Entwürfe im Geiste der architektonische Moderne. Zu den bis heute bekanntesten zählen wohl die Wohnbauten am Rupenhorn in Berlin-Charlottenburg (1929–1930), die in keinem Sammelband zur architektonischen Moderne in Europa fehlen.
Dass das Werk der Luckhardts über dieses ikonografische Projekt hinaus wenig bekannt ist, hängt mit der Zerstörung vieler Bauten ebenso zusammen wie mit ihrem fehlenden eigenen Willen zum Nachruhm. Carsten Krohn und Michele Stavagna, die sich bereits um die Aufarbeitung des Gesamtwerks von Erich Mendelsohn verdient gemacht haben, legen nun die Komplettschau des Œuvres der Brüder Luckhardt vor. Wie schon bei Krohns Büchern über Mies van der Rohe, Gropius und Scharoun und dem mit Stavagna gemeinsam vorgelegten Buch zu Mendelsohn bewährt, schreiben die Autoren Form und Grafik fort und legen so einen weiteren Band einer zur Reihe angewachsenen Serie von Grundlagen-Publikationen vor. Historische Abbildungen und Fotografien werden ergänzt um feine, neu gezeichnete Grundrisse und Ansichten sowie erläuternde Texte. Dazu kommen präzise und sachdienliche Essays von Carsten Krohn und Michele Stavagna, die das architektonische Werk in seiner Entstehung und mit all seinen Brüchen anschaulich und nachvollziehbar machen. Klar wird auch, dass während des sogenannten „Dritten Reichs“ selbst eine Parteimitgliedschaft nicht davor schützte, ein Berufsverbot auferlegt zu bekommen. So entstehen während der Nazi-Diktatur nur vier Einfamilienhäuser – in sich dem Geist der Zeit unverkennbar andienender Formensprache.
Transparenzhinweis:
Dr. Ursula Baus, Herausgeberin von Marlowes, und Wilfried Dechau, ständiger Begleiter, Autor und Fotograf von Marlowes, haben Mike Schlaich bei der Erstellung des Buchs „Bauen in Afrika“ inhaltlich und technisch unterstützt.