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Bild: Christian Holl
Stilkritik (55) Publizistik ist kein neues Betätigungsfeld von Architekturbüros. Allerdings ändert sich die Art, publizistisch tätig zu sein. Sie ändert sich, wie sich auch anderes ändert. Nicht immer zum Guten.

Am Anfang, bei der ersten oder zweiten Publikation eines Architekturbüros, die so aussah, als wäre sie Zeitung oder Zeitschrift, dachte ich noch, das sind clevere Jungs und clevere Mädels, die machen eine raffinierte PR. Aber es werden mehr. Und so muss man sich doch anfangen, kritische Fragen zu stellen. Dass Architekturbüros ganze Bücher machen, ist schon ein alter Hut. Die besseren verknüpfen Essays, Kunst, gute Texte, gute Bilder mit der Darstellung der Arbeit des Büros, die schlechteren gönnen sich diesen Luxus nicht. Man könnte sie auch als die ehrlicheren bezeichnen, aber ehrlich ist in Zeiten von angeklebten Klinkerriemchen und WDVS-vermummten Altbauten kein Qualitätskriterium mehr. Ehrlichkeit in der Architektur ist zu einer selbstgefälligen Fantasielosigkeit geworden, einer abgeschmackten Ausrede. Und ein Architekturbüro, das kein Anliegen jenseits von Pragmatik und der Selbstvermarktung hat, ist eine Art Trittbrettfahrer – die Kämpfe um Relevanz, Diskurs und bessere Rahmenbedingungen mögen bitte andere führen.

Alter Wein in anderen Schläuchen

Mit den neuen Bürozeitschriften ist es nicht anders als mit den Büchern. Sie erscheinen nur öfter. Und im Marketingsprech würde man sie niederschwellig nennen. Sie sind Statements, Ausdruck des Selbstverständnisses derer, die sie herausgeben. Es ist nicht so, dass man in ihnen nicht gute Texte fände. Dass sie nicht gute Bilder zeigen würden, dass nur die Arbeit des Büros dokumentiert würde. Behnisch Architekten reflektieren die Zukunft der Bildungsbauten, Ortner und Ortner zeigen Kunst. Zum Beispiel. Sie arbeiten auf und weiten aus, was als Reflexion in den Büros stattfindet und stellen es zur Verfügung, ist doch prima. Sie lassen an der Leidenschaft teilhaben, der sie ohnehin verfallen sind. Das ist genau das Raffinierte: Man kann eigentlich nichts dagegen haben. Eigentlich. Ich hab auch nichts dagegen, dass Architekturbüros schauen, wie sie auf sich aufmerksam machen können, wenn sie ja grundsätzlich keine Werbung machen dürfen, Not macht erfinderisch, warum auch nicht? Und ich habe auch nichts dagegen, dass dies freien Autoren das Einkommen sichert, mit dem sie ihre unabhängige Arbeit leisten können, für die sie in der Regel zu erbärmlich bezahlt werden, als dass sie es sich erlauben könnten, auf Lohnschreiberei zu verzichten.
 Letztlich geht es aber doch darum, wer entscheidet, was zum Thema gemacht wird. Wie es zugänglich ist. Mögen die Publikationen der Büros auch noch so gut sein – es ist kein Produkt einer Institution, die kontrolliert werden könnte. An der die Öffentlichkeit über welche Vertreter oder Vertreterinnen auch immer Anteil nehmen könnte. Ein fundierter Diskurs, kritische Reflexion ist kein Gnadenrecht, das darauf angewiesen ist, dass sich – wer auch immer, mit welcher Absicht auch immer – sich seiner annimmt.

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Bild: Christian Holl

Das Problem des Pragmatismus

Und: Nein, es geht nicht darum, unser Portal als unabhängiges Medium zu verteidigen. Oder gar dafür zu werben, uns doch bitte ein wenig finanziell zu unterstützen, da haben wir zwar nichts dagegen, warum auch? Hier aber ist etwas anderes wichtig: Denn diese Bürozeitschriften machen auf ein Defizit aufmerksam. Auf ein Vakuum. Auf das Fehlen dessen, was sie füllen wollen, weil sie sich in der Verantwortung sehen, es zu füllen – so nehme ich es an, denn es sollen, solange man es nicht besser weiß, die besten Absichten unterstellt werden. Und gute Absichten sind auch in diesem Fall aller Ehren wert. Aber auch mit den besten Absichten ist das Scheitern vorprogrammiert. Denn der Schatten des Verdachts eines Interesses ist nicht zu vertreiben. Interessen sind legitim, sie sind Movens dessen, wofür wir Architekten schätzen. Interessen sorgen dafür, dass gute Architektur entsteht. Aber ist dann nicht eigentlich alles in Ordnung?
 Ist es nicht. Denn damit sind wir beim eigentlichen Adressaten der Kritik – der ja leider so schwer zu greifen ist. Das Vakuum lässt sich beschreiben als das eines fehlenden Selbstverständnisses. Es mangelt an dem Selbstverständnis, dass es eine unabhängige Form geben muss, den Diskurs über Architektur und Stadt zu gestalten. Eine Form, die kritisch gegenüber Entscheidungen der Politik und der Verwaltung bleibt, die nicht in das Netzwerks derer verwoben ist, die darüber entscheiden, wer was wo baut. Eine Kritik, die fundiert und differenziert argumentiert. Ein Ideal, gewiss, eines, das kaum je erreicht wurde. Das mag sein. Der Sinn von Idealen ist aber nicht, dass sie abgearbeitet werden, wäre das möglich, wären es keine. Sie deswegen aufzugeben, heißt aber, auch das aufzugeben, was erreicht werden kann. Pragmatismus, und sei er noch so veredelt, ist eben auch eine Form, Ideale aufzugeben.