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Schinkel reloaded

Berlin-Saal der Stadtbibliothek – Stadtgespräch zur Bauakademie (Foto: Erik-Jan Ouwerkerk)

Berlin-Saal der Stadtbibliothek – Stadtgespräch zur Bauakademie (Foto: Erik-Jan Ouwerkerk)

Es kommt Bewegung in die Diskussion um den Wiederaufbau von Schinkels Bauakademie. Zum Konzept war im November 2016 beraten worden (siehe Seitenspalte), am 13. Februar lud die Berliner Architektenkammer zum Gespräch, und am 16. Februar folgte das BMUB mit einer prominent besetzten Diskussionrunde. Es ist immer deutlicher von einem ergebnisoffenen Planungsverfahren die Rede.


Aufgaben und Anmaßungen eines Haushaltsausschusses

Kaum hatte sich die abendliche Berliner Runde der Denkmalpfleger, Architekten und Stadtplaner, der Museumsleute und Baupolitiker voneinander verabschiedet, da erreichte die Kombattanten nach den vielen in den Wochen davor die nächsteHiobsbotschaft. Hatte man eben noch gemeint, die baulichen Rahmenbedingungen für den Neu- oder den Wiederaufbau der Schinkel’schen Bauakademie einigermaßen benennen zu können, da vermeldeten die Agenturen, dass in unmittelbarer Nachbarschaft der Baustelle nicht etwa die historischen Schlosskolonnaden rekonstruiert werden sollen (wie es der Haushaltsausschuss des Bundestags 2016 beschlossen hatte), sondern an gleicher Stelle nun doch und wider Erwarten das umstrittene Einheits- und Freiheitsdenkmal, die „Wippe“. Damit mag die anmaßende Entscheidung des Haushaltsausschusses zwar zurückgenommen worden sein, bis auf Weiteres fehlen aber nun erst einmal die verlässlichen Grundlagen für die Diskussion. Der Berliner Planungs-Irrsinn geht in eine neue Runde, und so stellt sich die Frage, mit wem die Baukademie denn nun konkurrieren soll: mit einem historisch rekonturierten Ambiente zwischen Humboldtforum, Museumsinsel und Dom oder aber mit einem Durcheinander von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft?


logo_ak_BerlinDabei waren die Fragen, die am Ende des von der Berliner Architektenkammer eingerichteten Runden Tisches zurückblieben, noch zahlreich genug. Zwar hatte der Bundestag für einen Neu-/Wiederaufbau der Bauakademie überraschend 62 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, aber wer der Bauherr sein wird, wer das Institut bespielen wird, das blieb ebenso ungewiss wie die Frage, welche Nutzung für das Gebäude in prominenter Lage letztlich vorgesehen ist. Und so argwöhnten nicht wenige Beobachter, dass sich die Malaise des nahegelegenen Schloss-Baus nun wiederholen sollte, wenn da nämlich eine Bauprojekt beschlossen wird, ohne zuvor substantielle Fragen geklärt zu haben.


1708_logo_bauakademieVerfahrenskultur – wie offen?

Überraschend wurde überdies die Bundesstiftung Baukultur in Potsdam beauftragt, diese und weitere offene Fragen in drei Werkstatt-Gesprächen zu klären, und zwar so zügig, dass das Bundesamt für Bauen und Raumordnung (BBR) noch im Sommer einen internationalen Wettbewerb ausschreiben kann, dessen Ergebnis dann noch vor dem Ende der Legislaturperiode feststehen soll. Aber ist es sinnvoll, ausgerechnet die Bundesstiftung zu beauftragen, die in den Debatten immer wieder als potentielle Nutzerin der Bauakademie genannt wurde? Kann die Stiftung unter Rainer Nagel ein objektives Verfahren gewährleisten, wenn es dabei doch auch um ihre eigene Zukunft geht? Und warum wurde just das BBR mit dem weiteren Prozedere betraut, jenes BBR, das doch eben erst (anläßlich des von Herzog & de Meuron geplanten „Museums der Moderne“ zwischen Neuer Nationalgalerie und Potsdamer Platz) von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) als unfähig abgewatscht, ja zur Abwicklung freigegeben worden war?
Und was muss an Fragen bis zur Ausschreibung des Wettbewerbs nicht alles geklärt werden, nachdem der Bundestag – wieder einmal – über die Berliner Köpfe von Senat und Abgeordnetenhaus hinweg mit seiner Finanzierungszusage eine Entscheidung forciert hat, die in der Bundeshauptstadt noch kontrovers diskutiert wird. Eva Högl, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, versicherte zwar in erfrischender Klarheit, dass die Entscheidung über den Bau nur „eingebettet in die Stadtdebatte“ fallen dürfe – aber wie sollen die Bürgerinnen und Bürger die zahllosen offenen Fragen in der Kürze der Frühlings-Zeit klären?


Gemälde / Öl auf Leinwand (1868) von Eduard Gaertner [1801 - 1877]Bildmass 63 x 82 cmInventar-Nr.: NG 1229Systematik: Geografie / Europa / Deutschland / Orte / Berlin / Gebäude für Kultur und Bildung / Bauakademie

Eduard Gaertner (1801-1877): die Bauakademie (1868). Öl auf Leinwand, 63 x 82 cm, Inventar-Nr.: NG 1229 (SMB digital)

Noch’n Museum – ach nee …

Soll die Bauakademie etwa ein Architekturmuseum werden? Denkbar wäre das, Partner könnten die Häuser in Frankfurt und München sein, das Deutsche Architektur Zentrum (DAZ) und die galerie aedes in Berlin, die Sammlung der Technischen Universität (TU) Berlin und die des Museums in Rotterdam – aber „brauchen wir das an dieser Stelle?“, fragte zurecht die Kammervorsitzende Christine Edmaier; sie verwies auf das nahegelegene Humboldt-Forum, das nebenan seiner Fertigstellung entgegensieht und das auch als Museum fungieren wird, andere wie Bruno Flierl zitierten das gegenüberliegende Alte Museum (von Schinkel) und die dahinterliegende Museumsinsel, erinnerten an die ebenfalls nahe gelegene Friedrichwerder’sche Kirche (gleichfalls von Schinkel und ebenfalls ein Schau-Haus). Noch’n Museum in Berlins Mitte?
Nein, man solle mit der Bauakademie einen „multifunktionalen“ Ort schaffen, der das Nachdenken über Architekt(ur) und Stadtplanung ermöglicht, wo Debatten, Ausstellungen und Lehre ihren Sitz haben, wünschte sich etwa Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und er sah sich von nicht wenigen Stimmen unterstützt. Und doch provozierte auch er Widerspruch: Da solle doch nur eine „eierlegende Wollmilchsau“ entstehen, befürchtet etwa Ralf Ruhnau von der Baukammer Berlin. Welche Gestalt soll denn dieses Fabelwesen haben, schob er nach: die eines Neubaus oder doch nicht besser die der Rekonstruktion des Vorbilds?


Die Architektenkammer lud am 13. Februar 2017 in den Berlin-Saal der Stadtbibliothek zum "Stadtgespräch Bauakademie" ein (Foto: Erik-Jan Ouwerkerk)

Die Architektenkammer lud am 13. Februar 2017 in den Berlin-Saal der Stadtbibliothek zum „Stadtgespräch Bauakademie“ ein (Foto: Erik-Jan Ouwerkerk)


Um Gottes willen!, befeuerte die Kunsthistorikerin und TU-Denkmalpflegerin Gabi Dolff-Bonekämper die Debatte: „Das Gebäude ist weg, wie gehen wir mit dem Verlust um?“, fragte sie, um die Antwort gleich nachzureichen: Der Zweck müsse bedeutend und also gestaltgebend sein. Und schon bildeten sich weitere Fraktionen: Wolfgang Schoele, Vorstandsvorsitzender des Fördervereins Bauakademie, plädierte (wen überrascht’s?) für einen Wiederaubau, Parzinger dagegen für einen Entwurf, der das Gebäude irgendwie „von innen nach außen“ entwickelt. Thomas Köhler, Direktor der Berlinischen Galerie, fragte sich, wie denn ausgerechnet in einem historischen Bau die Architektur der Zukunft verhandelt werden solle, der Kunsthistoriker Adrian von Buttlar (in Sachen Schinkel nicht eben unerfahren) spitzte diesen Einwand intelligent zu: „Ist es im Sinne von Schinkel, des Architekten des Fortschritts, ihn in seiner Zeit einzufrieren?!“ Diese Frage insinuiert bereits die Antwort, und so dachte Franziska Eichstätt-Bohlig denn auch laut darüber nach, dass etwa die James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel dem denkmalsatten Areal ein würdiges Entrée geben wird (nach den Entwürfen des Büros Chipperfield), und mancher mochte gar an die Entwürfe aus dem Hause Max Dudler denken, der am Heidelberger und am Hambacher Schloss bewiesen hat, wie Alt und Neu sich wunderbar ergänzen können.

Aber wer will klären, ob rekonstruiert oder ob neu gebaut wird, wenn die Bürgerinnen und Bürger der Hauptstadt (von den Touristen ganz zu schweigen) seit dem August 2014 mit einer Plastikfolien-Attrappe der Bauakademie konfrontiert sind und sich so bereits ein Bild von Stadt und Schinkelplatz in das Gedächtnis Berlins eingebrannt hat. Kann vor diesem Hintergrund ein offener Wettbewerb ausgeschrieben werden und erfolgreich sein, wenn an dessen Ende ein Siegerentwurf steht, der Schinkel radikal weiterdenkt und so in die Gegenwart verlängert, wie es etwa bei den Meisterhäusern in Dessau geschah (wo die Bauten von Gropius und Moholy-Nagy nicht wiederaufgebaut, sondern von  Bruno Fioretti Marquez neu interpretiert wurden)? Ist eine solche Lösung der Berliner Öffentlichkeit zumutbar? Fragen über Fragen. Ob sie in einem Hauruck-Verfahren bis zum Sommer kluge Antworten finden, darf bezweifelt werden.

Weitere Bauakademieforen des Dialogverfahrens Bauakademie: 22. März und 3. Mai 2017