Der Düsseldorfer Architekten- und Ingenieursverein (AIV) – mit 230 Mitgliedern einer der größten seiner Art in Europa – ließ aus Anlass seines 125-jährigen Bestehens ein „Bauwerk des Jahrhunderts“ wählen. Zur Wahl standen Bauwerke, die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden sind und das Stadtbild prägen: die Theodor-Heuss-Brücke, das Wilhelm-Marx-Haus, die Hanielgarage, das Drei-Scheiben-Haus, die Tonhalle / Ehrenhof, der Rhein-Ufer-Tunnel, das Schauspielhaus, der Rheinturm, das Mannesmann Hochhaus, das Stadttor und Gehry-Bauten.

Das Rheinufer 2017 (Bild CreativeCommons, Kai Pilger)
Ausgerechnet ein eigentlich nicht sichtbares Bauwerk trug den Wahlsieg davon: der Rheinufer-Tunnel, der am 15. Dezember 1993 nach dreieinhalbjähriger (!) Bauzeit eingeweiht wurde und den Automobil-Verkehr mit mehreren Fahrspuren in zwei Röhren aufnimmt. Geplant hatte die Schüßler Plan Ingenieurgesellschaft. Bereits Mitte der 1970er Jahre in Angriff genommen und 1987 im Grundsatz beschlossen, setzte der 570 Mio Mark teure, mit acht Zu- beziehungsweise Abfahrten bestückte Tunnel für Stadtplanungsszenarien Maßstäbe: Die Innenstadt Düsseldorf galt es wieder an den Rhein zu führen, wovon die Lebensqualität und Attraktivität der Stadt enorm profitieren würde. Genau so kam es.
Ingenieurbau und Politik
Den Autoverkehr als Belastung für das Leben in der Stadt zeitig erkannt und mit einer klaren Entscheidung zugunsten Fuß- und Radverkehr unter die Erde verlegt zu haben, wird mit der AIV-Abstimmung nachträglich gewürdigt. Nicht allein die technische, sondern die funktional-politische Bedeutung des Bauwerks rückt in die Bewertung des „Jahrhundertbauwerks“. Weil diese Entscheidung 2018 die genannten anderen Bauten auf die Plätze verweist, zeigt, dass die größten Probleme der Stadt im Verkehr vor Jahrzehnten erkannt waren.
Auch in Köln wurde das Problem früh, bereits Ende der 1970er Jahre angegangen – mit Problemen insofern, als dass in Köln, sobald man zu graben angfängt, immer bedeutende archäologische Funde zu erwarten sind. So auch beim Rheinufertunnel, der in offener Bauweise realisiert wurde und mit dem darüber angelegten Rheingarten eine Attraktion sondergleichen hat. Der Masterplan von 2008 sieht vor, dass der Tunnel um 1,5 Kilometer verlängert werden solle.
Wie armselig wirkt das Stuttgarter Geschacher um die Untertunnel der Kulturmeile dagegen, wie halbherzig die Verbannung des Autos aus vielen anderen großen und kleineren Stadtzentren. Es darf nicht primär um die Reduzierung von Mobilitätsansprüchen gehen – Menschen und Waren müssen gut von da nach dort kommen oder gebracht werden können. Aber wie dies gelingt, bleibt ein Problem, an das sich die Politik in Deutschland einfach nicht herantraut und damit die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung eines weltweiten „Mobilitätsmarkts“ verpennt.
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