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Albert Speer (1934–2017)


Es war vielleicht eine der bemerkenswertesten Karrieren der Bundesrepublik. Albert Speer trug nicht nur den gleichen Namen wie sein Vater, er ergriff, nachdem er eine Schreinerlehre gemacht hatte, auch den gleichen Beruf: 1955 begann er an der TU München Architektur zu studieren. Vom Vater hat er sich dann aber erfolgreich emanzipiert: „Ein Baumeister für die Demokratie“ hat die FAZ ihren Nachruf auf Albert Speer überschrieben.

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Albert Speer, 2015
© AS+P Albert Speer + Partner GmbH, Foto: Robert Fischer

Die Voraussetzungen für seine Karriere waren denkbar ungünstig. Speer wurde als 1934 in Berlin geboren, sein Vater war keineswegs so unschuldig, wie der selbst sich darstellte, wie andere es darstellten. Der Junior war daran nicht unbeteiligt, zumindest insofern, als er beispielsweise Wolf Jobst Siedler und Joachim Fest nicht hatte korrigieren wollen – das musste ein anderer übernehmen. Man muss nicht, aber man kann dafür Verständnis haben: „Er war ein furchtbarer Kriegsverbrecher, aber er war auch mein Vater“, hatte der Sohn einmal gesagt.
Albert Speer jr. hatte keine einfache Kindheit, der Vater war im Gefängnis, er hatte Schwierigkeiten in der Schule, stotterte. Das Abitur hat er auf der Abendschule nachgeholt. Um dann Architektur zu studieren. 1964 gründete er in Frankfurt sein eigenes Büro. Und anders als der Vater, der Architekt, hat er sich der Stadtplanung verschrieben. Er wurde dabei zu einem, der mit Worten überzeugen konnte – er hatte sich zum Reden gezwungen, um das Stottern abzulegen. Das macht deutlich, wie hart erarbeitet sein Erfolg war. Sein Charisma war keines der glatten Virtuosität, es war eines der Lebensfreude und der Anerkennung des Gegenüber. Stadtplanung war für ihn neben dem Handwerkszeug, das man dafür braucht, immer Diplomatie, immer auch die Bereitschaft, die Interessen anderer anzuerkennen. Er war Teamplayer und hatte das Gespür dafür, welche Themen eine Rolle spielen werden. Früh engagierte er sich in der Stadterneuerung, entwickelte Sanierungsplanungen für Speyer und Worms. Er warb für dezentrale Konzepte und dafür, im regionalen Maßstab zu denken. Er erkannte früh das Potenzial, die Konzepte sogenannter „intelligenter Architektur“ auf die Stadt zu übertragen und die Stadt energetisch als Verbund zu sehen. Er war hartnäckig und vom Wert sorgfältiger Planung überzeugt. „Man kann ein Großprojekt nicht über Jahrzehnte hinschleppen und dann auf der Basis von Gedanken, die vor gut zwanzig Jahren entwickelt wurden, zu bauen anfangen, das ist einfach unmöglich“, so urteilte er über Stuttgart 21. Die meisten Fehler werden am Anfang gemacht, war er überzeugt. Sein strategisches Planerdenken verschaffte ihm internationale Reputation – er war in Asien, im arabischen Raum, in Osteuropa tätig. Man warf ihm deshalb mitunter vor, für Diktatoren zu planen, doch diese Verantwortung wies er von sich – die Unterscheidung von Demokratien und Nichtdemokratien berührten nicht das Grundproblem heutiger Stadtplanung, so Speer.

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Entwicklungskonzept Museumsufer Frankfurt am Main, 1980-81
© AS+P Albert Speer + Partner GmbH

Seine Planungen waren vielleicht nie die ganz große Kunst, die realisierten Bauten aus dem Büro tauchten selten in Architekturzeitschriften auf. Dass aber vieles von dem, was er auf den Weg brachte, so beiläufig und selbstverständlich zur Kenntnis genommen wird, dass man den Wert unterschätzen könnte, ist eine Qualität. Wer weiß denn noch um seinen Anteil am vielgerühmten Frankfurter Museumsufer, davon, dass der Holbeinsteg, eine wichtige Fußgängerverbindung über den Main, die das Wegenetz sinnvoll ergänzt, von seinem Büro konzipiert wurde? Wer weiß, dass die Vorarbeiten für Stadionbauten wie aktuell in Freiburg ebenso aus seinem Büro stammten wie die bekannte Konzeption für die WM in Katar? Dass das Büro diese Planungen nicht weiterverfolgen durfte, hat er nicht bedauert, wie er im Interview (der architekt 2/2017) sagte; von dem, was das Büro geplant hatte, sei leider nicht viel geblieben.
Im Fachbereich ARUBI (Architektur, Raum- und Umweltplanung, Bauingenieurwesen) der Universität Kaiserslautern war er von 1972 bis 1997 Inhaber des Lehrstuhls für Stadt- und Regionalplanung und baute den Studiengang Raum- und Umweltplanung mit auf. Seine Studierenden lehrte er, dass sie nicht an Sachzwänge glauben dürften: „Die gibt es nicht.“ 1995 gründete er die Albert Speer-Stiftung, die sich der Förderung und Ausbildung des Architekten- und Planernachwuchses widmet. Spät wurde er mit Preisen geehrt, 2003 erhielt er die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt, 2004 wurde er mit dem Großen Architekturpreis des Verbandes Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine ausgezeichnet, 2006 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande verliehen, 2011 erhielt er die Ehrenprofessur der TU München. Die Geschäftsführung seines Büros, das heute über 200 Mitarbeiter zählt, hat er Ende 2016 abgegeben, um sich auf die beratende Tätigkeiten zu beschränken. Lange hat er die damit gewonnene Freiheit nicht genießen können. Am 15. September ist Albert Speer an den Folgen eines Sturzes in Frankfurt gestorben.