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Stilkritik (59) | Von „Göttern in Weiß“ zu „Künstlern in Schwarz“ – lange Zeit trug man auf dem Bau seine alten Sachen auf, damit man die gute Straßenkleidung nicht schmutzig machte oder gar zerriss. Das ist vorbei. Jetzt gilt auch bei den Handwerkern „Make fashion work“ – sie stehlen den Architekten die Show am Bau.


Früher trugen Architekten noch einen weißen Kittel und sahen darin aus wie Drogisten oder Chemielehrer oder Ärzte – auch das Berufe, bei denen man seinen zivilen Habit nicht gefährden wollte. Wenn der Chef auf sein Äußeres hielt, zog er jeden Montag einen frischen Kittel an. Ärzte waren noch „Götter in Weiß“.

Auch andere Berufsgruppen waren an ihrer Arbeitskleidung gut zu erkennen, manchmal wirkte sie wie eine Uniform oder erinnerte an eine Tracht. Auf dem Bau, da steckten bloß die Zimmerer in ihrer Manchester-Kluft, sonst sah man schäbige blaue Hosen und irgendwelche Joppen mit abgerissenen Knöpfen. Die Maurer, Betonbauer und Hilfsarbeiter schienen ihre alten Sachen aufzutragen, die waren für das Werkeln auf der Baustelle gerade recht: Latzhosen mit ausgeleierten Trägern, Jeans mit abgerissenen Taschen oder blankgewetzte Feincordhosen. So hielt ich es auch bei meinem Praktikum, und es war unendlich peinlich, wenn ich in meinem Stadtstreicheraufzug zum Metzger geschickt wurde, um für die Arbeiter Schälrippchen zu kaufen.

Perfekt aufeinander abgestimmt: Die MEWA DYNAMICÆ Construct Bermuda in Kombination mit der MEWA DYNAMICÆ Construct Bundjacke.

Shorts, die in der Hitze des Sommers das durchtrainierte Elektrikerbein erkennen lassen: „MEWA DYNAMICÆ Construct Bermuda in Kombination mit der MEWA DYNAMICÆ Construct Bundjacke.“. (Bild: mewa.de)

Das ist heute anders. Kürzlich hatten zwei Elektriker bei uns zu tun. Sie kamen in rot-schwarzen Overalls, beide mit einem Aluköfferchen in der Hand. Man hätte sie für Skipper halten können, die für den Admirals-Cup eine Yacht übernehmen. Todschick, die Sachen!
Der Ausrüster für diese Berufskleidung heißt Engelbert Strauss. Er produziert und vertreibt sein Outfit weltweit unter dem Merksatz „Enjoy work!“ Keine Sparte, für die die Firma aus Biebergemünd noch keine unverwechselbare Garderobe im Sortiment hat, egal ob Holzfäller, Landwirt, Schreiner, Chauffeur oder Chirurg. Engelbert Strauss bietet die passende Montur, funktionstüchtig und atmungsaktiv geschneidert aus einer riesigen Garnpalette zwischen Merino, Elastan, Viskose, Polyester, Cotton und Kevlar.

Ein Traum die Handwerkerhosen! Robust und scheuerresistent, schnell trocknend, organisiert wie ein Apothekerschrank mit endlos vielen Taschen und Schlaufen. In die man etwas hineinstecken, reinschieben, einfüllen, anhängen kann. Reißverschlüsse, Druckknöpfe und Klettbänder sichern den Inhalt.

Teamdress – von Uniform kann keine Rede sein. (Bild: Teamdress)

Teamdress – von Uniform kann keine Rede sein. (Bild: Teamdress)

Woher ich das so genau weiß? Unsere Enkel lieben diese Hosen, es gibt sie ab Größe 98. Vor dem Waschen muss man aber in jede Taschen schauen, weil in jeder etwas Wichtiges stecken kann: Legosteine, Gummibärchen, Filzstifte, Hutmuttern, Schneckenhäuser, Matchboxautos, Taschentuch, Lutscher. Eine richtige Multi-purpose-put-in-cargo eben. Dass wir damit ihre spätere Berufswahl beeinflussen, ist nicht auszuschließen. Ob es die Arztkittel auch in kleinen Größen gibt?