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Wissen sammeln, planen und verändern


Drei neue Bücher zum Städtebau und seiner Geschichte: Eines, das sich mit den Handbüchern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts befasst, eines, das die Veränderungspotenziale der Nachkriegssiedlungen in den Blick nimmt und eines, das eine nur auf den ersten Blick exotisch erscheinende Besonderheit chinesischen Städtebaus vorstellt.


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Vittorio Magnago Lampugnani, Katrin Albrecht, Helene Bihlmaier, Lukas Zurfluh (Hg.): Manuale zum Städtebau. Die Systematisierung des Wissens von der Stadt, 1870–1950. 432 Seiten, 98 Euro
Dom Publishers, Berlin, 2017

„Manuale zum Städtebau“ ist ein Buch über Bücher – über Handbücher zum Städtebau der Zeit, in der sich die Disziplin des Städtebaus und der Stadtplanung herausbildete. In seiner beständigen Beschäftigung mit dem Städtebau hat Vittorio Magnano Lampugnani mit Katrin Albrecht Helene Bihlmeier und Lukas Zurfluh ein weiteres Grundlagenwerk herausgegeben. Aufbauend auf einem an der ETH Zürich durchgeführten Forschungsprojekts behandelt es ausführlich 13 Wissenskompendien, die zwischen 1873 und 1944 erschienen sind – vornehmlich im deutschsprachigen und europäischen Raum. Stübben, Baumeister, Unwin, Gurlitt, Hilberseimer sind mit ihren Werken vertreten, daneben die wahrscheinlich etwas weniger bekannten Cesare Chiodi, Eugen Faßbender, Rudolf Eberstadt. Es geht in deren Büchern um Handlungsanleitungen und eine Zusammenstellung des aktuellen Wissens, mal stärker, mal spärlicher bebildert, mal mal technischer, mal künstlerischer orientiert. „Manuale zum Städtebau“ stellt sie vor – fasst Inhalte, Schwerpunkte, Bebilderung und Kontext des jeweiligen Handbuchs zusammen. Die Autoren legen überzeugend die Grundlagen ihrer Auswahl offen, und ergänzen die vertieft untersuchten Manuale um Kurzportraits von über 80 weiteren Handbüchern. Zudem werden in ausführlichen Essays weiterreichende Zusammenhänge hergestellt, so dass auch jene Autoren berücksichtigt werden, die man sonst vermissen könnte: Schumacher, Sitte, Cerda etwa; von den nur den Spezialisten bekannten Werken einmal abgesehen – wer kennt schon Johannes Pieter Fockema Andreae?
Mit einem Wort – das Buch ist ideal für alle, die es sich nicht leisten können, sich selbst einen Überblick über die Literatur zum Städtebau bis 1950 zu verschaffen und sich nicht durch all die entsprechenden Werke wühlen wollen. Was die Autoren für die Handbücher konstatieren, dass auch eine noch so sehr um Objektivität bemühte Darstellung eine eigene Sichtweise zu vermitteln sucht, gilt auch für dieses Buch, das etwa ein anderes geworden wäre, hätte man den Zeitraum leicht verschoben und so auch Autoren wie Reichow mit aufgenommen. Begründen lassen hätte sich das allemal. Aber vielleicht werden wir bald mit dem nächsten Grundlagenwerk überrascht, das an das vorliegende anknüpft und neuere Handbücher auswertet.

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ZHAW (Hg.), Anke Domschky, Stefan Kurath, Simon Mühlebach, Urs Primas: Stadtlandschaften verdichten. Strategien zur Erneuerung des baukulturellen Erbes der Nachkriegszeit. 240 Seiten, 39 Euro
Triest Verlag, Zürich, 2018

Wie heute mit genau dem Erbe umgegangen wird, das nach 1950 entstand, ist Gegenstand eines bei Triest erschienen Buches. „Stadtlandschaften verdichten“ stellt, wie es der Untertitel benennt „Strategien zur Erneuerung des baukulturellen Erbes der Nachkriegszeit“ vor. Heute stellten, so heißt es im Vorwort, „gerade die Nachkriegssiedlungen eine Raumreserve für die Verdichtung in Städten und Agglomeration dar“ – auch dieses Buch ist Ergebnis einer Forschungsarbeit, dieses Mal wurde sie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften durchgeführt. Im Mittelpunkt stehen sieben Fallstudien von bereits nachverdichteten Siedlungen, die in der Fachwelt positiv bewertet wurden – drei davon sind aus Deutschland, vier aus der Schweiz. Die Fallstudien und die Kriterien, nach denen sie eingeordnet und bewertet werden, sind übersichtlich und eingängig dargestellt. Die Autoren gehen dabei auf die ursprünglichen Qualitäten der jeweiligen Siedlung ein, an denen die Veränderungen gemessen werden und anhand derer das jeweilige Nachverdichtungskonzept kritisch gewürdigt wird: vor diesem Hintergrund wird beispielsweise der Verlust von Freiraumqualitäten am Altenhager Weg in Hamburg und die wenig auf die ursprüngliche Architektur eingehende Aufstockung in der Bebelallee, ebenfalls Hamburg, kritisiert. Auf diesen Fallstudien aufbauend werden für drei weiteren Siedlungen Entwürfe von Studierenden vorgestellt, die mit der gleichen Matrix bewertet werden und das Spektrum möglicher Nachverdichtungsstrategien ergänzen. Fazit: verantwortungsbewusste Nachverdichtungen sind möglich. Nimmt bei all dem die typologische Qualität und der Denkmalwert einen hohen Stellenwert ein, so muss konstatiert werden, dass eine wesentliche Frage kaum in den Blick genommen wird: die nach der sozialen Relevanz. Wurden die Siedlungen doch als Errungenschaft sozialstaatlicher Fürsorge errichtet, um angemessenen Wohnraum für alle zu schaffen – deswegen sollte vor der aktuellen Wohnungsknappheit nicht nebensächlich sein, wie auch auf dieser Ebene mit dem Erbe umgegangen wird; wie bezahlbarer Wohnraum erhalten und gesichert werden kann wird nur subkutan thematisiert. Dieses grundsätzliche Problem greift ein in Diskussionen um das, was Denkmalschutz zu leisten hat und wie er seine Relevanz erneuern könnte.

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Katja Benfer, Ulrike Böhm, Cyrus Zahiri, Kerstin Paul, Rita Leal, Anna Vogels (Hg.): DIY Beijing Fluid Spaces. Transformationen im öffentlichen Raum. 176 Seiten, 24 Euro
Verlag Dorothea Rohn, Lemgo, 2017

Auf die Veränderung von Stadt seit 1950 geht das dritte Buch ein, das nun aber den Blick auf einen anderen Kulturraum richtet. „DIY Bejing – Fluid Spaces“ lenkt den Blick auf besondere Organisationseinheiten des chinesischen Städtebaus, die uns hier fremd sein dürften: die Danweis. Das sind autonome Einheiten, die Wohnen und Arbeiten verknüpfen und – in Abstimmung mit den Behörden – garantieren sollen, dass sich in ihnen die Entwicklung optimal nach den Bedürfnissen der Nutzer vollzieht – gegen feren Interssen sich aber die Planer nicht immer durchsetzen können. Seit den 1980ern transformieren sich die Danweis vor dem Hintergrund tiefgreifender wirtschaftlicher und politischer Veränderungen, die zu Ergebnissen führen, die als zumindest teil-informelle Praktiken vor allem die Erdgeschosszonen, manchmal auch die darüberliegenden Geschosse betreffen. Diese Veränderungen werden als „Verflüssigung des städtischen Raums“ beschrieben. Was das Buch vorstellt – dreizehn Fallstudien – sind also nur Momentaufnahmen einer permanenten Veränderung. Sie wird in Plänen und perspektivischen Zeichnungen anschaulich gemacht, die jeweiligen Quartiere kurz beschrieben sowie ausgiebig fotografisch dokumentiert. In den Bildern wird die pittureske Vielfalt in den Mittelpunkt gerückt, die Zeichnungen lenken den Fokus auf die Veränderungen der stadträumlichen Gegebenheiten. So ergibt sich eine in der Summe auf mehreren Ebenen – organisatorisch, phänomenologisch und stadträumlich – anregende Untersuchung, die gerade in der Verknüpfung von Selbstorganisation und Planung weit interessanter für den europäischen oder deutschen Kontext sein könnte, als es die große Entfernung suggeriert.

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