Marktgeschrei (13) | Architekten haben ein besonderes Verhältnis zum Auto. Selbst wenn es ihnen nicht ähnlich sieht.
Nach Haus oder Wohnung ist ein Auto die größte Anschaffung im Leben mittelständischer Bürger. Auffallenderweise haben Architekten als Vertreter der technikverliebten Kreativklasse ein besonderes Verhältnis zu fahrbaren Untersätzen. Von berühmten Kollegen wie Gropius, Mollino, Piano, Foster und Hadid weiß man, dass sie sich mit Autoentwürfen beschäftigt haben, von weniger prominenten nur, mit welcher Marke in welcher Farbe sie gerne selbst unterwegs sind. Die fortschrittlichen Kollegen denken derweil über Mobilitätskonzepte nach. Das Auto gehört also irgendwie zur Immobilie und damit zum Architekten. Deshalb wundert es nicht, wenn auch unsere architekturkritischen jungen Kollegen sich regelmäßig im Feuilleton der SZ und FAS im Thema „Auto“ verfahren.
Als Architekt ist man eben ständig herausgefordert, zum Autodesign etwas zu sagen. Denn es scheint, als entfernten sich die Karosserien immer mehr von der Räson der Guten Form. Oder als hätte Jürgen Mayer H. stellvertretend für seine Zunft einen Beratervertrag erhalten. Will sagen: Das Barocke mit schwülstigem Blech und Leuchtenschüsseln aus der Nierentisch-Epoche gelten als vereinbart. Als Architekt hat man seither bei jedem Stau Gelegenheit, Vermutungen anzustellen, ob die beuligen Karosserieverformungen der Aussteifung bei gleichzeitiger Materialeinsparung dienen oder ob eine Verbindung von Psychologie und Marketing auf das Unbewusste bei der Kaufentscheidung zielen soll. So was lehnen Architekten ja kategorisch ab. Lieber ertragen sie eine Bürgerbeteiligung zu ihrem Schulhausentwurf am Freitagabend.
Aber interessieren würde es sie schon, warum ohne technische Verbesserungen an einem sonst unveränderten Automodell ständig die Heckleuchten überarbeitet werden. Wie viele Varianten davon gibt es bereits bei einem Audi A4? Will man damit den Käufern Gelegenheit geben, mit ihrer datierbaren Neuanschaffung bei den Nachbarn Eindruck zu schinden? Oder ist das was für das Autoquartett der Kinder? Witzig, dass bestimmte Design-Grillen konzernübergreifend gepflegt werden. Endete früher die Zuwendung der Karosserieschneider an der Stoßstange und darunter kam als unvermeidlicher technischer Beitrag nur noch die Auspuffanlage, so hat sich hier eine Menge getan. Als könnte der Auslass für die giftigen Emissionen durch eine organische Gestaltung günstig beeinflusst werden, umschlingt man die Rohrovale mit verchromten Muscheln aus dem Sanitärsortiment, was wir unwillkürlich mit Sauberkeit verbinden. Ja, überhaupt nähert sich das Autodesign der Ausstattung einer Parfümeriefiliale. Das zeigt, Architekten sind unschuldig, sie haben nichts damit zu tun. Die Antiquiertheit des PKWs hat lediglich ihre endzeitliche Form gefunden.