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Eberhard Syring, früher Professor für Architekturtheorie und Baugeschichte an der School of Architecture Bremen, legt nach seinem ersten Band von „Bremen und seine Bauten“ nun die insgesamt vierte Folge dieser Chronik zur bremischen Architektur- und Stadtbaugeschichte nach.

„Bremen und seine Bauten“ ist ein Buchtitel mit langer Tradition. Bereits im Jahr 1900 gab es eine Publikation gleichen Namens: eine Art Bestandsaufnahme auf mehr als 780 Seiten. 1952 erschien unter gleichem Namen ein Folgeband, der die Zeit von 1900 bis 1951 in den Fokus der Betrachtung nahm. Es ist also nur logisch, dass Eberhard Syring, emeritierter Professor für Architekturtheorie und Baugeschichte an der School of Architecture Bremen, seit 2014 diese Geschichte bis heute weiterschreibt. Anders als die beiden Vorgängerbände, die Texte unterschiedlicher Autoren versammelten, stammt schon das 2014 vorgelegte „Bremen und seine Bauten. 1950–1979“ allein aus der Feder Syrings, gleiches gilt für das nun publizierte Folgebuch.

Auf den Schultern von Riesen


Eberhard Syring: Bremen und seine Bauten. 1950-1979, hrsgg. vom Bremer Zentrum für Baukultur, 496 S., zahlr. Abb., Carl Schünemann Verlag, Bremen 2014, 39,90 Euro, ISBN 978-3-944552-30-9

Eberhard Syring: Bremen und seine Bauten. 1950-1979, hrsgg. vom Bremer Zentrum für Baukultur, 496 S., zahlr. Abb., Carl Schünemann Verlag, Bremen 2014, 39,90 Euro, ISBN 978-3-944552-30-9

Beide Bände sind im bremischen Verlag Schünemann erschienen, der anno 1900 bereits den Auftakt der heute zur Serie angewachsenen Reihe verlegte, beide durch großzügige Unterstützung der bremischen Stadtgesellschaft, ihrer Institutionen und politischer Akteur:innen, wie den für Bau zuständigen Senatorinnen und Senatoren. Eberhard Syring knüpft an diese bedeutsame Geschichte an. Ausgehend vom kriegszerstörten Bremen legt er die Stadtentwicklung nachvollziehbar dar, beginnend bei der fundamentalen Frage: „Bremisch oder Modern“. Die dann gezeigten Beispiele aus der Großwohnsiedlung Neue Vahr oder der Stadthalle legen eindrücklich Zeugnis davon ab, für welchen Weg man sich in der Hansestadt seinerzeit entschied. Doch auch in Bremen wird über derlei Fragen gestritten, mit Gerhard Müller-Menckens gibt es einen „Erben der Stuttgarter Schule“, wie eine Zwischenüberschrift des ersten Kapitels darlegt. Die Stärke dieser Stadtchronik liegt schon darin, Architektur- und Stadtbaugeschichte in die Virulenzen von Tagespolitik und zeitgenössischem Gesellschaftsdiskurs einzubetten. Wie sich Diskurse um Wolf Jobst Siedlers und Elisabeth Niggemeyers „Die gemordete Stadt“ oder Alexander Mitscherlichs „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ in Bremen auswirken, finden sich ebenso wie Fragen nach Stadterweiterungen und neuen Campus-Bauten. Bebildert mit zahllosen zeitgenössischen Fotos, Plänen, Zeitungs- und Zeitschriften-Ausschnitten sowie Plakaten und anderen Zeitzeugnissen, führt der gut lesbare Essay über rund 350 Seiten bis zu einer Auswahl von 125 Bauten, die in aller gegebenen Kürze porträtiert werden. Vom Wiederaufbau des Gewerbehauses in der Altstadt und dem Neubau des Zollamts am Hansator in der Überseestadt (beide 1950) führt dieser Reigen über das expressiv-moderne Haus der Bürgerschaft (1966) und das brutalistische Gemeindezentrum Ellener Brok (1969) bis hin zu einer Tennisanlage in Osterholz und Reihenhäusern in Hemelingen (beide 1979). Obschon inzwischen elf Jahre alt, hat das Buch nichts an Aktualität eingebüßt und funktioniert als Teil einer fortgeschriebenen Chronik ausgezeichnet.

Gesellschaft, Stadt und Architektur


Eberhard Syring: Bremen und seine Bauten. 1980-1994, hrsgg. vom Bremer Zentrum für Baukultur, 416 S., zahlr. Abb., Carl Schünemann Verlag, Bremen 2024, 50,– Euro, ISBN 978-3-7961-1214-0

Eberhard Syring: Bremen und seine Bauten. 1980-1994, hrsgg. vom Bremer Zentrum für Baukultur, 416 S., zahlr. Abb., Carl Schünemann Verlag, Bremen 2024, 50,– Euro, ISBN 978-3-7961-1214-0

Mit „Bremen und seine Bauten. 1980–1994“ legt Eberhard Syring nun nach. Eingeleitet wird auch der neue Band von einem schönen Essay, der – bebildert mit rund 1.000 zeitgenössischen Bildern – auf gut 250 Seiten die Zeit, das damalige Baugeschehen und das entsprechende gesellschaftliche Rahmenwerk beleuchtet. Syring spannt auch hier den Bogen von Zeitgeschehen über Städtebau bis zu einzelnen Bauten, thematisiert damals leidenschaftlich umstrittene Projekte ebenso wie die FOPA, und mit diesem im Juni 1992 in Bremen gegründeten Ableger der Gruppe „Feministische Organisation von Planerinnen und Architektinnen“ also den Abdruck feministischer Selbstermächtigung innerhalb der Planung. Zur Einordnung: 1988 beruft der lokale Landesverband des Bundes Deutscher Architekten – damals noch nicht Architektinnen im Namen – mit Barbara Cunis eine Frau, die damit einziges weibliches Mitglied des Wahlbundes in Bremen neben 97 Männern ist und überhaupt erst die zweite Frau „in Vor- und Nachkriegszeiten!“

In bewährter Manier folgt eine Chronologie, die dieses Mal 150 ausgewählte Bauwerke umfasst. Sie reicht von heute so selten gewordenen grundsoliden Wohnbauten wie der Bebauung im Milchquartier (1981) über den ikonischen Turm des „ZARM“ (1990) oder die erste offizielle Fahrradstraße Deutschlands (1991) bis zu anthroposophischen Kirchbauten wie der Michael Kirche (1994).

Abgerundet werden diese umfassenden Zusammenstellungen in beiden Büchern von je einem Kartenteil, der die Projekte in der Stadtlandschaft verortet, und einem Orts- und Begriffsregister. So ist Eberhard Syring hier abermals ein bemerkenswerter Baustein bremischer Baugeschichtsschreibung gelungen, der nichts weniger ist als ein weiteres Grundlagenwerk für die Chronik der Hansestadt.